Musikarbeiter unterwegs … Augmented Reality auschecken
Seit über 30 Jahren ist das Multimedialabor Station Rose aktiv. Mit Liquid Walls Of Sound verbinden sie digitale Kunst und Musik mit den Qualitäten von Vinyl und Druck. Foto: Mario Lang
Ich bin Gelegenheitsinteressierter. Ganz gewiss was elektronische Musik und digitale Kunst anbelangt. Rave wäre meins gewesen, ich war nur nie auf einem (guten). Und ob ich die Drogen gepackt hätte … In meiner veritablen Tonträgersammlung (oh Diktatur der Dinge!) finden sich, Schande!, keine Kraftwerk-Alben, Suicide trotzen fast alleine den vielen Gitarren. Martin Rev und Alan Vega machen das natürlich gut. Zweifellos Pioniere. So wie Elisa Rose und Gary Danner, die 1988 gemeinsam als Station Rose künstlerisch zu arbeiten begannen, bald (auch) an den sich bildenden Schnittstellen und Überlappungen von digitaler und analoger Welt. Wo zu diesem Zeitpunkt, wie sie unter dem Menüpunkt «Livestream» ihrer Homepage schreiben, «kein YouTube, Facebook oder Twitter existierten», der Begriff «World Wide Web» wurde erst 1989 geprägt. Rose und Danner, beide Jahrgang 1959, an der Wiener Angewandten mit Abschluss studiert, sind bedingt am Beschwören des eigenen Pionier_innen- Status interessiert. Dieser offenbart sich durch die digitalen Netz-Spuren oder im «augmented book» STATION ROSE 30.0 (www.degruyter.com) mit den dort zu findenden Performances, Arbeiten fürs Fernsehen, CD-Roms, Klängen oder (bewegten) Bildern von Station Rose. Noch wichtiger ist das Weiterarbeiten.
Liquid Walls Of Sound.
«Wir arbeiten seit über 30 Jahren audiovisuell. Es ist dabei aber nicht so, dass jetzt das Video fertig ist und es wird nachvertont, oder dass ein Soundtrack fertig wäre und Elisa dazu ein Video macht. Wir generieren seit den 80ern – damals noch analog – Bild und Ton, und zwar gleichzeitig. Wir sitzen nebeneinander, Elisa produziert auf ihrer Workstation alles Visuelle, alles Sichtbare und ich produziere alles Hörbare und das entsteht eben gleichzeitig.» So beschreibt Gary Danner den Arbeitsprozess von Station Rose. Seine Partnerin, die bei Lagerfeld studiert hat, ergänzt: «Das sind zwei riesige amerikanische Militärtische, an denen wir da arbeiten.» Diese wiederum stehen in Frankfurt, seit den 90ern Homebase von Station Rose, von wo aus etwa 1999 das Internet bespielt wurde, Netz-Klang-Kunst und Web-Art-Gebiete, auf denen sich das Duo seit jeher bewegt und artikuliert. In seiner alten Wahlheimat Wien ist das Duo, beide in Linz geboren, um über die Box Liquid Walls Of Sound zu sprechen. Auf Vinyl: 10 Stücke von Gary Danner, der als Gitarrist und Sänger mit The Vogue hiesige Pop/Rock-Urgeschichte schrieb (auf der legendären Donaustrand-EP vertreten) und mit Die Nervöse Vögel schon früh, ab 1986, elektronisch wurde, Sampler und Drummachine ersetzen die Band. Mit DigitalAlterNativeRealities hebt das an, lässt in Irmin’s Loft eine Can-Referenz vermuten und ist im Ganzen ein wunderbarer, fließender Klangkörper mit Krautrock-, Dub-,
Psychedelic-, Techno- und Weird-Electronica-Versatzstücken. In einer auf 100 Stück limitierten Box gibt es diese wunderbar trippige, stimulierende Abenteuermusik auf Schallplatte, dazu je 10 Kunstdrucke, damit aber nicht genug.
Let’s get augmented together.
Hat mensch sich eine entsprechende App (Artitive App) auf das Elektrowelt(-Zusatz)-Wahrnehmungsgerät seiner Wahl geladen, sind über die Drucke von Elisa Roses Kunst Filme anzutriggern (nicht nur Produktcodes oder -preise sind zu scannen …) – und ist in Folge ein Abheben oder Eintauchen in eine künstlerisch ausgestaltete augmented («vergrößerte») reality möglich. Damit lösten Station Rose in mir schon bei der Demonstration mit einem Flyer nahezu kindliche Begeisterung aus. Fast als würde mir in einem dichten Moment der gigantische Weg bedrucktes Papier – digitaler (Welt-)Raum bewusst, samt der Selbstverständlichkeit, in der sich etwa mein Sohn solcher Dinge täglich bedient und damit lebt, samt der Implikationen, künstlerisch und realpolitisch, die das alles hat. Megaflash! Was dieses neue EU-Urheberrechtsgesetz und den Artikel 13 so fatal macht, eine reaktionäre Attacke auf, ein Gewaltakt gegen die Welt und Wahrnehmung (nicht nur) junger Menschen. Elisa Rose spannt im Gespräch den Bogen, dass sie sich mit dem Beginn der digitalen Revolution künstlerisch nachhaltig verorten konnte, sich die Frage nicht mehr stellte, ob sie jetzt Malerin oder sonst etwas sei. Das Duo erzählt von einer Ausstellungseröffnung in Karlsruhe, bei der formuliert wurde, dass «Station Rose die ganze (künstlerische/mediale) Wertschöpfungskette beherrschen». Was Gary Danner mit dem immanenten D.I.Y.-Gedanken so viel relevanter Kultur kontextualisiert. Kulturtechniken wie Jammen oder Dub haben in der Praxis von Station Rose ebenso ihren wichtigen Platz, was im Ganzen etwas erzeugt, was den Rahmen eines solchen Artikels letztlich sprengt. Steuern Sie sie an, die Station Rose!
Station Rose: Liquid Walls Of Sound (Monkey)
www.stationrose.com