The Evolution will be biked!Artistin

Musikarbeiter unterwegs ... ja, wir san mim Radl da!

VeloConcerts ermöglicht der aus Dänemark stammende Wahl-Ottakringer Gitarrist Jonas Skielboe. Mit einer zukunftsträchtigen radfahrenden, ausklappbaren Bühne samt Licht und Ton.

Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang

Es braucht schon einen sehr erfahrenen Cargo-Radler – der 1979 geborene, international akademisch ausgebildete Gitarrist Jonas Skielboe hat diese Erfahrung –, um diese Bühne zu transportieren. Das merkt der Musikarbeiter Text, als er hilft, das Rad vom Yppenplatz Richtung eines nahe gelegenen Parks zu schieben. Der Musikarbeiter Licht wäre wohl besser geeignet, das wunderbare Teil real zu fahren, findet der doch Teile seines Glücks seit jeher im Fahrradsattel. Mario ist aber angesichts dieses Klapprads der Träume und Möglichkeiten mit Herzlachen beschäftigt. Wir stellen die knapp 90 kg dieses speziellen Bühnenrads im Park ab, klappen die Bühnenflügel aus – bis zu acht Musiker_innen oder Schauspieler_innen können darauf agieren, stehendes Spielen ist ebenso möglich wie sitzendes – und machen den Ton klar. Eine Frage von wenigen Minuten, selbst für einen nicht natural born Handwerker wie den Autor leicht bewältigbar, so gut ist das Stage­velo durchdacht (eat your heart out, schwedisches Möbelhaus!). Schon verbindet Skielboe sein Telekommunikations­gerät mit den hochklassigen JBL-Boxen mit eingebauten Akkus, und schon klingen The Clash mit ordentlich Punch durch einen Teil von Ottakring, von den anderen Menschen im Park durchaus wohlwollend aufgenommen. Einem lieben Mitmenschen ist die Begeisterung über diese Bühne ähnlich deutlich anzusehen wie mir, er ist nur ein klein wenig enttäuscht, dass wir nicht tatsächlich ein Konzert spielen. Bald!

Der öffentliche Raum is the place.

Dabei haben Jonas und ich beim Posen fürs Foto auf der überraschend stabilen Bühne großen Spaß, das ausgetüftelte Lichtsystem und das vielkanalige Mischpult blieben diesmal zuhause, spielen aber, wie Jonas Skielboe, der in alle Aspekte seines «Babys» mit seinem sechsköpfigen Team ordentlich Hirnschmalz investiert, erzählt, «alle Stückerln». Seit Jahren arbeitet der musikalisch vielfältige Künstler – ich erlebte ihn beim heuer virusverkürzten Akkordeonfestival mit Panfili & Friends um die Geigerin Rusanda Panfili als versierten und präzisen Instrumentalisten, seine Rockband ruht aus Zeitgründen gerade – mit immenser Energie und Arbeit an diesem Projekt. Dabei hat der 40-Jährige als Familienvater und Musiklehrender ohnehin schon einiges zu tun. Gerade aber auch für die Familie ist das Rad gut zu nutzen, so wie es künstlerisch von Konzerten aller Genres (die VeloArtists auf der Homepage sind breit gefächert) über Theater und Lesungen oder DJ-Sets vieles im öffentlichen Raum ermöglicht, ohne Unplugged-Diktat und ohne qualitative Abstriche der Produktionsmittel.

Let´s move together.

In Vollausstattung kommt der gerade im Park geparkte Proto­typ alles in allem auf etwa 30.000 Euro, was aufs Erste viel wirkt. Aber so wie Jonas demnächst gemeinsam mit Sandra Pires und dunkelbunt 800 Kilometer in Sachen VeloConcerts losradelt, um anderswo in Österreich auf das pedalgetriebene Wunderwerk aufmerksam zu machen, kooperiert das Team unerschrocken mit großen Firmen, die, mensch mag es als Kapitalismuskritiker kaum glauben, durchaus an nachhaltigen und ökologisch klugen Ideen interessiert sind. Jonas sieht in dem Projekt nicht zuletzt ein Statement für die hierzulande noch unterentwickelte Radkultur, die er aus seiner dänischen Heimat ganz anders kennt. Mit innovativen Materialien lässt sich das Gewicht wahrscheinlich auf bis zu 50 kg reduzieren. Die Vision von einer sich nicht zuletzt durch Corona verändernden kulturellen Landschaft, in der VeloConcerts Musik und Kunst viel stärker in den öffentlichen Raum tragen, ohne Zugänglichkeits-Hemmschwellen, Ticketing-Ausbeutung und durch Besucher_innen­beschränkungen erzeugte Unleistbarkeit, ist greifbar und wünschenswert. Nicht zuletzt ist die Bühne als solche deutlich auszunehmen, aber nicht wirklich hoch, ein dadurch ganz anderes Miteinander von ausübenden Künstler_innen und reflektierendem Publikum ist Teil des Konzepts. Die Vision einer mobilen, dezentralen, vielfältigen Alltagskultur, von der kulturpolitisch ohne echte Konzepte so gerne schwadroniert wird, scheint mit diesem Rad wieder ein wenig greifbarer und machbarer. Liebe Musik – los, ab aufs Rad!

www.veloconcerts.com

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