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Festival: improvisierte Bühnenarbeit mit improvisiertem Budget

Was haben HipHop, Jazz und MacGyver gemeinsam? Alle drei verwenden die Technik des Improvisierens, um zu verblüffenden Ergebnissen zu gelangen. Auch das Improtheater lebt von der Spontanität der Schauspieler_innen und den Impulsen der Zuschauer_innen. Christine Ehardt hat sich erklären lassen, wie man das Improvisieren erprobt.

Das «Theater der Unterdrückten» des Brasilianers Augusto Boal ist eine der bekanntesten historischen Impro-Formen. Eine andere wichtige Entwicklungslinie der Theaterimprovisation kommt aus dem angloamerikanischen Raum mit den Schauspiellehrer_innen Viola Spolin und Keith Johnstone, die vor allem das Spielerische am Improvisieren betonen. Heute wird Improtheater vor allem als Freizeitunterhaltung und weniger als gesellschaftskritische Intervention wahrgenommen. Der neueste Trend sind Workshops und Vorträge, die die (Schauspiel-)Kunst des Improvisierens als Lebensphilosophie oder Mittel der Unternehmensinnovation verkaufen (der Improkünstler Dave Morris präsentiert in seinem TED Talk «The way of Improvisation» Techniken des Improvisierens als smarte Lebensregeln).

 

Ohne Förderung improvisieren

 

In Österreich gab es immer wieder Bestrebungen, Improtheater zu etablieren, der letzte größere Anlauf fand erst vor wenigen Jahren statt. Magdalena Haftner von der Improtheatergruppe «artig» hat den Boom der Improvisationstheaterbewegung Ende der Nullerjahre in Wien live miterlebt. Damals war Spontantheater plötzlich wieder angesagt. Vor allem Student_innen entwickelten Theaterabende und gründeten eigene Gruppen, so ist auch «artig» entstanden. Während in Nord- und Südamerika das improvisierte Spiel seit Jahrzehnten eine ausgeklügelte und geschätzte Kunstform darstellt, ist es in Österreich zwar weit weniger anerkannt, aber höchst populär. Mittlerweile gibt es einige Gruppen, die regelmäßig zum improvisierten Theaterspielen einladen, wie die «English Lovers», eine der ältesten Improgruppen in Wien, die zweimal im Monat eine «Late Night Theatre Jam» zeigen oder die «Impro-Bar» der Gruppe «Quintessenz».

Das erste Improfestival fand letztes Jahr statt, heuer läuft es bereits im größeren Rahmen mit fünfzehn Shows und sechzehn verschiedenen Gruppen an fünf Tagen im Theater in der Gumpendorfer Straße (TAG). Gezeigt werden die verschiedensten Formate des Improtheaters von Comedy, Games und Musical, über körperbetonte Spielformen, bis hin zum klassischen Theatersport – den Impro-Battles zwischen Schauspieler_innen. Letztes Jahr waren die Veranstaltungen ausverkauft, das Publikum scheint das spontane Interaktionstheater zu lieben. Öffentliche Förderungen gibt es fürs Festival nicht, die Kunst des Improvisierens ist also auch hier gefragt, das Spielen ohne Gage inklusive.

 

Schräge Frauen, humorvolle Frauen

 

Magdalena Haftners Gruppe kann sich finanziell vor allem durch Schulprojekte und Auslandstourneen, unter anderem in Kooperation mit dem Goethe-Institut, über Wasser halten. Mit dem Workshop «spielendDeutsch» reiste «artig» bereits durch Ecuador, Argentinien, Mexiko, Indien und zahlreiche europäische Städte. Zuletzt gab es einen Auftritt beim Akkordeonfestival Mitte März. Die Show «Tschäm!» will zeigen, dass Improkunst kein Nischendasein fristen muss und auch mit anderen Kunstformen kompatibel ist.

Für das Wiener Improfestival hat Haftner eine Frauen-Impro konzipiert: Gemeinsam mit Gerit Scholz und Susanne Schramm veranstaltet sie mit der Show «Aus dem Nähkästchen» eine Art Dinner for Three, der Butler (Lino Kleingarn) holt Erinnerungen und Fragen aus dem Publikum, die Schauspielerinnen entwickeln daraus Geschichten. Frauen-Impros sind in der Szene selten, in den meisten Gruppen überwiegt der Männeranteil. Warum das so ist, liegt für die Theaterpädagogin und Regisseurin Magdalena Haftner vor allem im verqueren Vorurteil, Frauen könnten höchstens schräg, aber nicht humorvoll sein.

Wie probt man Improvisieren? Beim Improtheater wird aus unfertigem Material in der Interaktion mit den Teilnehmenden eine Performance. Im Zentrum steht die Kooperation, weniger der Konflikt. Eine der Grundregeln des Improvisierens lautet: «Ja» zum Spielen sagen – das beinhaltet sowohl, die anderen Mitspieler_innen gut aussehen zu lassen, als auch das Angebot des Publikums immer anzunehmen. Was natürlich viel Raum fürs Bedienen von Klischees und für stereotype Rollendarstellungen lässt. Für Haftner ist gerade das aber ein wichtiger Zündstoff für eine gelungene Aufführung, schließlich lebt das Format von der Überraschung und dem Bruch mit dem Vorhersehbaren.

 

 

Wiener Impro Festival 13.–17. April

TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße

www.improfestival.at