Theater zum Fürchten: TartuffeDichter Innenteil

Aus der KulturPASSage

Im Scalatheater – Theater zum Fürchten – wird derzeit Tartuffe gezeigt, die Komödie von Molière in einer Inszenierung von Marcus Ganser.

Foto: © TZF/Bettina Frenzel

Herr Ganser hat in vielen Sequenzen eine Verbindung zur heutigen Zeit, zur aktuellen politischen Situation hergestellt. Er spart dabei nicht mit Kritik am System, zeigt Mitläufer, die nicht hören und verstehen können, lässt aber auch drastisch erkennen, dass die «Sehenden» zu «Stummen» gemacht werden. Mir persönlich gefällt dieser Bezug auf das Heute, war doch mein erster Gedanke, «Theater zum Fürchten» wäre ein origineller Titel für die ersten 100 Tage der neuen Regierung. Der wahre Grund, dieses Stück anzuschauen, liegt allerdings darin, dass ich zwar schon einige Bearbeitungen von Marcus Ganser, aber noch keine Komödie von Molière gesehen habe. Das wollte ich endlich ändern, auch hat mich der Inhalt des Stückes aus dem Jahr 1664 sehr neugierig gemacht.

Tatsächlich hat es mich amüsiert, mit welcher Frechheit dieser Tartuffe, ohne jemals ein Hehl daraus zu machen, die Menschen beeinflusst und von den Betrogenen belohnt wird. Durch seine offene, natürliche Art erkennt niemand den Betrug, Alle in seinem Umkreis fühlen sich wohl behütet und prahlen sogar mit der vermeintlichen Freundschaft. Als einige wenige das böse Spiel durchschauen, ist es bereits zu spät zum Eingreifen. Noch dazu handelt es sich bei diesen Menschen um die Minderheit, und sie finden bei den anderen kein Gehör. In ihrer Dekadenz fühlen sie sich immer noch überlegen oder schauen einfach nur weg. Was nicht angenehm ist, darf gar nicht Realität sein.

Beinahe könnte man glauben, ich schildere hier den Alltag einer Durchschnittsfamilie in Österreich, oder einem anderen europäischen Land in diesem Jahr, aber dieses Stimmungsbild hat Molière bereits im 17. Jahrhundert wiedergegeben. Gleich nach der Uraufführung wurde das Stück Tartuffe verboten, die Oberschicht fühlte sich angegriffen. Schon damals waren weder die Politik noch die Kirche bereit, das System zu ändern. Stattdessen wurden per Gesetzesbeschluss Verbote ausgesprochen. Als Begründung wurde geheuchelt, das Verbot sei zum Schutz der Bevölkerung, zu groß sei die Gefahr, Verbrecher damit zu glorifizieren.

Die Parallelen zu unserer heutigen Situation überraschen und beängstigen mich.

Marcus Ganser zeigt diese Parallelen aber mit Absicht in aller Schärfe auf. Er lässt den Freidenkern natürlich nicht nur zufällig von Typen mit roten, beziehungsweise türkisblauen Krawatten den Mund zukleben und das Wort verbieten. Dass in dieser Szene Theaterstühle aufgebaut werden, ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass Tartuffe nach der Uraufführung verboten worden ist. Vielleicht ist es aber auch eine Anspielung darauf, dass das Kulturbudget in diesem Land drastisch gekürzt werden könnte und dass die Androhung von Kontrollen und Sanktionen vielleicht nach dem ORF auch die Theater betreffen.

Trotz all dieser düsteren Gedanken ist es ein Vergnügen, das wunderbare Ensemble inmitten eines ganz tollen Bühnenbildes zu beobachten und von deren Spielfreude mitgerissen zu werden. Ich kann und will Ihnen diese Inszenierung wärmstens empfehlen. Und keine Angst, auch wenn wir heute nur erahnen können, was noch auf uns zukommt, Tartuffe in der Scala wird nicht verboten werden !