GriechInnen in Wien z. B. Manolis Schrank, Gänsehäufel
Wer an Bademeister denkt, hat schnell braun gebrannte Gigolos mit sportiven Sonnenbrillen im Kopf, sommerliche Mutanten der Schilehrerzunft. Vereinzelt tragen sie, wie im St. Pöltner Freibad, auch schon Shirts mit der Aufschrift Security, große breite Schränke, bei denen in Zweifel zu ziehen ist, ob sie des Schwimmens und Rettens mächtig sind.Einer der Bademeister im FKK-Bereich des Gänsehäufels heißt Erwin Manolis Schrank und ist, seinem Namen zum Trotz, eine menschgewordene Antithese zu den eingangs zitierten Bildern. Als Sohn einer griechischen Hippie-Frau und eines gestrengen österreichischen Glasfabriks-Direktors lebte er nicht nur räumlich immer in mehreren Welten. Er lernte als Jugendlicher den südkretischen Strand von Preveli genauso kennen wie fünf bis sechs Elitegymnasien vom Schlage französisches Lycee oder Bundeskonvikt Horn. Dass er heute neben Deutsch und Griechisch auch fließend Englisch, Französisch und Italienisch spricht, dankt er der strengen humanistischen Erziehung, auf vieles andere hätte er gerne verzichtet.
Der heute 58-Jährige wirkt so routiniert, als wäre er immer schon Bademeister, dabei hat er die Stelle erst vor fünf Jahren angetreten. Nach drei Jahren Germanistik- und Romanistikstudium verschwand er für Monate nach Indien, arbeitete zehn Jahre bei der Vöest-Alpine Edelstahl als Übersetzer und kündigte dort spontan. «Ich wollte der Logik des Arbeitsregimes und Geldverdienens entrinnen», meint er und zog es vor, in der Volkshochschule Französisch zu unterrichten. «Es war wesentlich befriedigender, Straßenbahnern Französisch beizubringen, als ewig Geschäftspapiere zu übersetzen.» Sein Vater sah sein Erziehungsprogramm gescheitert und sprach zwei Jahre kein Wort mehr mit ihm. Manolise, wie er von manchen GänsehäufelstammgästInnen liebevoll genannt wird, hat vier Töchter mit drei Frauen, seine älteste Tochter lebt als Ärztin in London, die zwei mittleren als Fremdenverkehrsspezialistinnen in Athen und die jüngste ist zwölf und lebt mit Mutter und Zweitvater auf einem Weingut in der Toskana. «Sie wollte einen fixen Ort für sich haben, ich kann das verstehen», nennt Manolis als Trennungsgrund und betont, dass er mit all seinen Exehefrauen noch ein gutes Verhältnis hat. Seine jetzige Freundin wolle er aber nicht mehr heiraten. «Dreimal ist genug.»
Einen Lebensmittelpunkt für sich selbst sieht er nicht, sieben Monate ist er Bademeister in Wien, drei Monate Bio-Olivenbauer in Südkreta und zwei Monate verbringt er in seiner dritten Heimat Indien.
Militärdienst mit Wofgang Ambros
Er lächelt verschmitzt, wenn er von seinen Jugenderlebnissen in Wien spricht; von den Auftritten als Statist «Fünftes Gebüsch von links» an der Seite von Helmut Qualtinger im Odeon-Theater, von der «österreichischen Variante der Kommune Eins» in Kirchberg am Wechsel, die nach fünf Jahren wieder aufgelöst wurde, da die Nazis um Norbert Burger den Ort so weit prägten, dass die achtzehn Kommunen-BewohnerInnen dort nicht mehr bedient wurden; von den sechs Jahren in der Wasserballnationalmannschaft oder dem Militärdienst mit Wolfgang Ambros, den sie wegen Maul- und Klauenseuche zwei Monate in Quarantäne verbrachten. «Ich habe in all den Monaten keinen Schuss abgegeben», ist Manolis heute noch stolz. Bei aller Anekdotenhaftigkeit seiner Erzählungen schimmert immer seine Menschenfreundlichkeit durch.
1982 ist er, der nach eigenen Angaben immer ein tiefgläubiger Mensch war und ist, aus der katholischen Kirche ausgetreten, da im diese zu kapitalistisch war; Skandale wie heute hat es dazu nicht gebraucht. Seit damals ist Manolis praktizierender Buddhist. «Den Hass und die Gier hab ich schon abgelegt, an der Überwindung der Verblendung muss ich noch arbeiten», beschreibt er selbst sein Entwicklungsstadium. Bescheidenheit, Gelassenheit und Großzügigkeit nennt er die wichtigsten Eigenschaften für sein Glück. «Das Schöne am Buddhismus ist, dass man die Erleuchtung nicht anstreben kann, sie kommt oder kommt halt nicht.»
Als Bademeister kommt ihm die Gelassenheit sehr zugute. Es ist tatsächlich ein hartes Stück Arbeit, die Manolis und seine kongenialen Partner Tag für Tag im Sommer leisten. Von sieben bis neun Uhr morgens die Wiese von Vogelkot und Papierln säubern, von neun bis acht Uhr Streit schlichten und Menschen retten. «Im Hochsommer kommen wir auf sechzig Stunden pro Woche, also bis zu achzig Überstunden pro Monat», rechnet Manolis vor. «Mittagspause direkt haben wir keine, und wenn ich mir in meiner kleinen Kabine eine Nudelsuppe koche, kommt schon mal vor, dass mir ein befreundeter Badegast die Hälfte davon wegisst, während ich das bevölkerte Wasser überblicke.»
Die Nackten sind keine homogene Gruppe
Stolz ist Manolis auch, dass er erreicht hat, dass er zwischendurch auch selbst nackt in die Alte Donau springen kann. «Einen vernünftigen Argument ist der Chef des Gänsehäufels nie abgeneigt», meint Manolis und besteht ausdrücklich darauf, dass Herr Swoboda der beste Leiter ist, den er sich nur vorstellen kann. Das Publikum des FKK-Bereichs ist sehr heterogen, an heißen Sonntagen können schon mal mehr als tausend versammelt sein, was vom Bademeisterteam höchstes Fingerspitzengefühl verlangt. Von linken Intellektuellen bis autoritären PuristInnen ist alles zu sehen. Wenn um Punkt neun Uhr morgens zwanzig bis dreißig StammgästInnen im Laufschritt ihre immerwährenden Stammplätze einnehmen und dann aufgeregt zum Hauptquartier der Bademeister kommen und darum ersuchen, ihr Plätzchen von einem kleinen Entenkot zu befreien, werden diese nicht als «schwierig», sondern als «anspruchsvoll» eingestuft, und wenn Pubertierende die Vorzüge des Nacktbadens verständlicherweise noch nicht genießen können, wird nicht autoritär, sondern mit größtmöglicher Toleranz interveniert.
Keinen Pardon gibt es nur für Spanner, die sehr rasch aus dem FKK-Bereich verwiesen werden. Eine große Affinität haben Manolis und seine Kollegen auch zu Tieren. Enten, Schwäne, Graugänse, Reiher, Biber, Hasen und vieles mehr tummeln sich fast ausschließlich im FKK-Bereich. «Tiere lieben die Nacktheit», ist Manolis überzeugt, sorgt aber mit der Anlage eigener Nistplätze und ruhigen Ecken dafür, dass sie sich auch wohlfühlen können. «Fäkalien statt Chemikalien» ist eine Begründung dafür, dass er lieber jeden Morgen die Badewiese von Entenkot befreit, als ganztags am chlorduftenden Wellenbecken die Jugend anzupfeifen. Erst seit heuer gibt es in den Wiener Bädern auch Bademeisterinnen, im Gänsehäufel sind es gerade mal zwei. Für Manolis ist es ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität, der längst überfällig war. Vier Jahre hat Erwin Manolis Schrank noch bis zu seiner Pension, dann wird er mehr Lebenszeit in Griechenland und Indien verbringen. «Wien werde ich aber nie den Rücken kehren. Ich hänge zu sehr an meinen Freunden und Freundinnen hier und am Punschtrinken am Christkindlmarkt und Ähnlichem.»
Angesichts des bevorstehenden Wiener Wahl träume ich von einer Gesellschaft, in der Typen wie Manolis nicht nur Bademeister, sondern auch Bürgermeister sein werden. Ich frage ihn zum Abschluss: «Wie wärs Manolis?» «Wenn ich in Pension bin, warum nicht?» lacht er, «aber nur zu jeweils halbjährlich, die andere Hälfte des Jahres sollte eine Frau Bürgermeisterin machen.»