Tod im MuseumArtistin

Georges Adeagbo aus Benin in einer "selbstherrlichen" Insititution

Adeagbo.jpgKann ein Museum überhaupt gegen Kolonisation auftreten? Oder ist die Ausstellung von Georges Adeagbo im MAK, die den Prozess der Kolonialisierung thematisiert bzw. eine seiner spezifischen Erscheinungen, die Anreicherung der Museen der reichen Länder mit Beutekunst, nicht ein Widerspruch per se? Auf welchem Weg kamen z. B. die wertvollen Teppiche in den Besitz des MAK?

Eine männliche Holzskulptur mit dunkelrotem und grünem Tuch um den Leib hat eine zerknüllte schmutzige weiße Socke auf dem Kopf liegen, auf der die Marke Puma steht. In ihrem Gesicht leuchtet ein einzelner weißer Zahn. Georges Adeagbo stellt in der Ausstellung Die Kolonisation und die Geschichte der Kolonisierten seine Figuren mit Zähnen, Haaren und Stoffen aus, und nicht von allen Spuren des Zerfalls und des Lebens gereinigt, wie das am europäischen Markt normalerweise der Fall ist. Die Europäer bevorzugen ewigen Stein oder glattes Holz, sie ekeln sich vor an Menschen erinnernde Überreste, die Kunst muss komplett tot sein und darf nicht noch später zerfallen. Im MAK am Stubenring ist dieser Umstand an all den glatten, teuren Möbelstücken hinter Glas schön zu sehen. Mitten in der Stadt ist es ganz ruhig, es gibt keine Menschen, keine Musik, die farbigen Gläser leuchten in den hängenden Glaskästen.

Georges Adeagbo konfrontiert den Tod im Museum und dessen Ästhetik aber vor allem auf eine andere Weise: Er prangert die Eroberungsfeldzüge der Kaiser und Könige, die Methode der Beutekunst der Sklavenhändler an, indem er z. B. mitten in einen riesigen Saal mit Marmorboden kleine gebeugte Figuren stellt, die geraubt und zurückerworben wurden. Der Künstler versucht mit seinen Installationen gegen die Museumssammlungen anzuhalten. Doch eine der laut Schautafel schönsten, wertvollsten und berühmtesten Teppichsammlungen der Welt mit Teppichen aus der Türkei, Syrien, Ägypten und Zentral-, Ost- und Südpersien kommt leicht gegen die kleinen, von Kolonialisten geraubten Gegenstände an.

Auf welchem Wege gelangten aber die Teppiche selbst ins Museum? Bis heute ist nicht bekannt, wie die seidenen Mamluken-Teppiche in den Besitz des österreichischen Kaiserhauses gelangten, aus dem sie im Ersten Weltkrieg in den Besitz des MAK wanderten. Das teilweise sehr große Format zeigt, dass man sie nur in Palästen verwenden konnte, steht auf der Schautafel. Eine andere Quelle war das k. k. Orientalische bzw. Handelsmuseum, dessen Teppiche 1907 nach seiner Auflösung ins MAK gebracht wurden.

Das Buch Meine Erinnerungen an Ostafrika von General Lettow-Vorbeck weckt leise Erinnerungen an Kriege und die nicht verarbeitete Geschichte der Kolonisation. An der Wand hängen handbeschriebene Habsburger-Karten, auf einer steht Weltgeheimnis, davor steht eine Uniform ohne Kopf. Ein handgeschriebener Zettel informiert den Besucher: Erst wenn man schmieden lernt, wird man zum Schmied und spielt wohl auf die den Kolonisatoren nachfolgenden, oft gewalttätigen Regierungen an. Andere Kolonisatoren wie die katholische Kirche oder Zusammenhänge mit dem Erziehungssystem bearbeitet Adeagbo ebenfalls: Das wäre z. B. in der Abteilung Barock ein Kabinettschrank mit Christus am Kreuz an der Spitze, der Kaiser Karl VI. gehörte. Im Innern sind an den Türen die vier Erdteile sowie die vier Weltherrschaften dargestellt, steht auf der Schautafel. Möbel symbolisieren den Herrschaftsanspruch über alle Kontinente. Adeagbos Kreuz in einem benachbarten Glaskasten hat hingegen einen Totenkopf am Fuße, Jesus Christus liegt verletzlich daneben am Boden. Auf der anderen Seite des Raumes hängt ein Zettel mit bitterem Inhalt: Der Ausgebildete akzeptiert die Kolonisation und entwickelt sich. Entwickelt sich aber derjenige, der Kolonisation und Ausbildung nicht akzeptiert? oder Die Schule, die auch die Kolonisation sein kann, die uns Lesen, Schreiben und Sprechen beigebracht hat !

Anschlag auf die Selbstherrlichkeit des Museums

Kann ein Museum überhaupt gegen Kolonialismus auftreten, bedeuten dieser Anspruch und diese Rolle nicht einen Widerspruch per se? Adeagbos Installationen seien ein Anschlag auf die Selbstherrlichkeit des Museums, behauptete Direktor Peter Noever bei der Eröffnung, auf einer roten Kiste stehend, auf der das Wort Fragile steht. Adeagbo würde die MAK-Schausammlung auf koloniale Implikationen überprüfen. Erstaunlich, was der Künstler aus dem Benin, der den nicht besonders großen Raum im Keller und noch drei andere Räume mit kleinen Interventionen bespielen darf, noch alles leisten soll. Es gibt auch keinen Katalog zur Schau. Georges Adeagbo verfolgte jahrelang seine Sammelinteressen, bis ihn ein französischer Kurator entdeckte und seine Kreationen zur internationalen Kunst erklärte. Eine schwierige und äußerst kritisch zu betrachtende Angelegenheit: Denn schon die Künstlerin Tanja Ostoji kritisierte die Art und Weise, wie der internationale Kurator Harald Szeeman mit dementsprechenden finanziellen Hintergrund im Balkan bestimmte Künstler als für international würdig erklärte und so Existenzen begründete oder eben vernichtete. Schon Le Corbusier wollte über den Eingang von Museen die Worte hängen: Hier drinnen findet man die parteiischste und am wenigsten überzeugende Dokumentation der vergangenen Zeiten; denk daran und sei auf der Hut!

Afrikanische Kunst wird in Europa internationalisiert, publizierende Kritiker leben großteils in Europa, analysiert der Bildhauer Tapfuma Gutsa, der auch schon auf der Biennale Venedig ausstellte. Schau, diese imperialen Säulen, lacht er in der riesigen Eingangshalle. Das Museum steht fest und sicher. Gutsa gefällt die Ausstellung von Anish Kapoor, Shooting in the Corner, besser, ein Künstler, der seine Katapult-Maschine dem MAK schenkte. Mit der Zeit werden wohl erste Risse im Bau entstehen.

Info:

Georges Adeagbo: Die Kolonisation und die Geschichte der Kolonisierten, MAK-Galerie bis 13. 9.