Musikarbeiter unterwegs in die Umschlagplätze der Vinyl- und Musik-Infizierten
Diverse Krisen hin, diverse Krisen her, an großartiger Musik auf diversen Tonträgern mangelt es nicht. Der Auftakt einer einschlägigen Lokalrunde.Natürlich stellt sich die Frage, ob Musik überhaupt zu «besitzen» ist. Ob jeder Tonträger nicht immer nur Fetisch, der stellvertretend für die «wahre Sache» steht, sein kann oder ein immer unfertiges, «falsches» Dokument, ein allerhöchstens gelungener Schnappschuss der Musik, die er vorgibt einzufangen weil die Musik sich ja immer verändern will oder muss, nie fertig und «fest» ist. Dazu Aufnahmetechnik und Produktion als verzweigte Universen für sich
Aber stellen Sie solche klugscheißerischen Fragen einmal meiner Wohnung oder beobachten Sie meine kläglichen Versuche, CDs (Vinyl? Kommt nicht in Frage!) auszusortieren, um sie in den ewigen Kreislauf des kleinkapitalistischen Lebens zu entlassen, sprich zum Second-Hand-Händler zu tragen. Die CD weggeben? Geh, die hab ich doch erst im Frühling 2003 gehört, ich kann mich genau erinnern
Also ich gestehe, ich habe einen Vinyl-Junkie und Tonträger-Nerd in mir, einen skeptischen und zweifelnden, einen sich mitunter negierenden, dennoch
Aber solange der Kapitalismus regiert, werde ich mir nicht den Spaß verderben lassen, in Schallplattengeschäften von einer kribbelnden Aufregung befallen zu werden sie ist da irgendwo, die eine Platte, die mein Leben verändert. Darum in den nächsten Monaten in lockerer Folge kleine Exkursionen in Wiener Plattengeschäfte meines Vertrauens, subjektiv (wie immer beim Musikarbeiter) ausgewählt. Wir beginnen mit einer Institution. Dem Teuchtler. Weil der Gedanke, dass «benutzte» Musik wieder zu Menschen kommt, die sie wirklich wollen, schön ist und dieser ganze Neuheitsfetischismus doch sowieso einen ganz groben Irrsinn darstellt (erwarte ich nicht von einer fortschrittlichen Technik Produkte, die dauerhaft nutzbar sind und nicht nach drei bis fünf Jahren obsolet und veraltet?). Und diese eine Zeile von Joe Strummer (dessen Todestag jährt sich am 22. 12. zum achten Mal) erwischt mich immer: «Im standing at a sale / of the shoes of bankrupt men / I just had to buy a pair / to show life can live again». Life can live again? Das wäre doch schön.
Eine Familienangelegenheit
Seit 1948 betreibt die Famile Teuchtler den Handel mit Tonträgern, damals noch in der Währinger Straße und mit Schellacks, von denen sie auch heute noch eine erkleckliche Anzahl im Lager haben. Das stilistische Spektrum ist breit: Rock, Pop, Jazz, klassische Musik und diverse Sub-Genres, einzig Volksmusik zeitgenössischer Prägung suchte mensch vergeblich. Exakte Listen über den eindrucksvollen Bestand, der ein zeitliches Spektrum von den 1920er und -30er Jahren bis heute abdeckt, gibt es nicht, aber eine «ungefähre Wahrnehmung». Philipp unterbricht das Gespräch kurz, um einem Kunden am Telefon Auskunft über Schellacks von Sophia Loren zu geben. Bruder Christoph und die Eltern Elisabeth und Jean Marc komplettieren das Familien-Personal des kleinen, mit gebrauchten CDs und Schallplatten vollgepackten Geschäfts. Es gibt einen regen Tauschhandel Musikarbeiter Lang etwa trägt gerne CDs hin und geht mit LPs weg, eine nette Art der Umverteilung. Dazu Schnäppchen zuhauf, über den aufgepickten Preis kann mensch immer zumindest reden, wenn er nicht ohnehin schon vorrauseilend reduziert wird.
Für Sammler diverser musikalischer Obsessionen ist der Laden eine erste Anlaufstelle, auch die Suchlisten diverser Suchender liegen auf, allerdings schon so zahlreich, das ein genaues Bearbeiten gar nicht mehr möglich ist. Die leider fotoscheue Mutter Elisabeth «das sollen die Männer machen» erzählt von einem Sammler, dessen Frau aus Eifersucht seine Schellacks zerbrochen hat, woraufhin er einen Herzinfakt erlitt, von dem er sich nicht mehr erholte. Ein anderer wollte nicht mehr leben, als ihm aufging, dass er niemals alles von den Beatles und Stones würde besitzen können. Schöner ist die Geschichte vom spärlich kaufenden Stammkunden, der immer erst kurz vor Ladenschluss kam. «Sonst haben Sie ja keine Zeit, um mit mir zu reden.» Die junge Elisabeth sollte (widerwillg) Klavier lernen, was aber mit den Worten «was quälst denn das Kind, wenns so schöne Schallplatten gibt» mit einem treffenden Argument beendet wurde.
Die Wertschöpfung vor allem teurerer Klangobjekte sei mitunter kurios, diverse Internetplattformen böten aber recht verlässliche Orientierung, sagt Philipp und zeigt eine österreichische Platte, die im Überlager in recht großer Stückzahl vorhanden mit 25 Schillingen angepreist ist und heute für bis zu 400 Euro gehandelt wird. Die Musikarbeiter-Runde verhindert dann die ausführliche Praxis, sprich Stöbern. Eine geht sich aber schon aus, Stunden später fragen dann «Swa»: «What will you do when winter come?» Platten hören, Musik hören.
Info:
Schallplattenhandlung und Antiquariat Teuchtler
Windmühlgasse 10, 1060 Wien
Tel.: (01) 586 21 33
Mo.Fr., 1318 Uhr, Sa., 1013 Uhr