Tram ma vo Rosn und GliggArtistin

Musikarbeiter unterwegs … fast bis zum Oipmhauptkomm

«Regn ohne Wossa» heißt das zweite Album von Walter Pucher. 13 Lieder, Dialekttexte, eine Stimme, eine Gitarre – ein Genuss. Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).

Die musikalische Stimmen- und Tönevielfalt der Stadt Wien kann sich sehen und hören lassen, davon handeln und leben diese Artikel. Dass dabei selbst die aufmerksamsten Beobachter_innen ständig Neues entdecken können (die Stadtkarte der tauben Flecken bleibt), macht diesen Reichtum aufregend. Als privilegiertem Musikarbeiter kommt mir immer wieder unaufgefordert Musik ins Haus, wofür ich mich bei Musiker_innen, Labels und Promomenschen herzlich bedanken möchte. So wie Walter Puchers zweites Album «Regn ohne Wossa». Sein Debüt «So und so» (2015) ging an mir leider vorüber, das jüngste Werk erwischt mich nach und nach mit seiner, Verzeihung, Unaufgeregtheit. Langsam offenbaren sich die Konturen der Lieder, und deren Substanz beginnt nachhaltig zu wirken. Schon fällt mir der Begriff «Charaktermusik» ein.

Dazöh ma kaane Gschichtn.

«Ich würde mich schon als Lyriker bezeichnen», meint Pucher, als er im Gespräch von seiner literarischen Arbeit erzählt, die vor der veröffentlichten Musik stand. Die Reise dorthin begann mit der Gitarre seines Vaters und dem «damals und hoffentlich heute noch berühmten» Gitarrenbuch von Peter Bursch. Wobei Walter, aus dem Kärntner Oberland stammend – «das hat gedauert, bis dort was angekommen ist, in den 80ern» – gleich mit dem zweiten Band anfangen musste. Dass sich dann ausgerechnet im Kastner & Öhler in Spittal an der Drau eine Platte von Reverend Gary Davis fand, war ein glücklicher kosmischer Zufall und verankerte den Blues nachhaltig in Puchers musikalischem Koordinatensystem. Peter Ratzenbeck, live erlebt, lieferte eine weitere Prägung. Anfang der 90er übersiedelte Walter Pucher nach Wien, das Gitarrespielen «schlief ein wenig ein». Mit der Geburt seiner Kinder, Zwillingen, schien die Zeit größerer literarischer Projekte vorbei, die kreative Energie, die der Alltag nicht verbrannte, wanderte in die Musik.

I les Gschichtn nua aus Scheabm.

«Als totalem Autodidakten kam mir das sehr gelegen, ich setz’ mich gerne mit einem Buch hin oder lass mir von YouTube was erklären», erzählt Walter. So entwickelte er seine Kenntnisse von «Tunes, Grooves, Open Tunings, irgendwas» weiter. Tatsächlich ist es heute, Jahre später, schon eine Freude, nur der Gitarre für sich auf «Regn ohne Wossa» genau zuzuhören. «I nimm ma des, wos i geil find und bau’ ma was daraus.» Beim Liederschreiben kommt, bei Walters literarischer Vergangenheit vielleicht verblüffend, die Musik zuerst, und abermals verblüffend, das Schreiben der Texte zur Musik empfindet er als «schwieriger» als «nur» zu schreiben. Was ihm im Ganzen dabei gelingt, ist, dass mensch einfach gerne zuhört, der Stimme, den Worten, der Gitarre. Gleichberechtigt bewegen sich die Elemente durch die Zeit, die die jeweiligen Lieder brauchen. Schon kommt einem ein Lied fast unverhofft näher, wie in meinem Fall «Sintflut», dem die beiden Zwischenüberschriften entstammen. Oder «Baagbong»: «Leg ma uns auf de Baagbong und deck ma uns zua mit n Nebö / donn tram ma vo Rosn und Gligg.»

Gligg.

Seine Lieder versucht Walter Pucher – mit dem eigenen kleinen Musikkritiker im Ohr – als «nice portion» anzurichten, die vierte oder fünfte Strophe unterbleibt eher, in der Livesituation darf es dann manchmal ein bisschen freier und ausufernder sein. Als Musiker live zu spielen stellt sich für Walter als eine mittlerweile erfüllte Sehnsucht dar. Eine andere Art, mit Menschen Zeit zu verbringen, zu teilen, meist nicht so «asexuell und furztrocken» wie die durchschnittliche literarische Lesung. So erklärt sich folgerichtig der Dialekt als Sprache der Wahl für die Texte. «Eine Sprache zu kriegen, die ich spreche, im Bewusstsein, dass sie in Form gebracht Kunstsprache ist.» Mittlerweile arbeitet Walter Pucher mit einem Booker («Es passieren keine Wunder, aber es passiert etwas») und entwickelt seine Musik kontinuierlich weiter. Was sich mit Kindern und Beruf – als (organisatorischer) Sozialarbeiter ist Walter gefordert, aber halbwegs flexibel – machen lässt. «Meine ­Lebensgefährtin und ich haben uns eine Kreativhöhle, eine Bathöhle gemietet, für unsere jeweilige Kreativarbeit.» Walter ist immer mit Gitarre unterwegs: «Das ist mein Schneckenhaus, wenn Zeit ist, setz ich mich auf eine Bank und tu.» Er zitiert einen Freund, der ihm erzählte, dass er, seit er Kinder hat, mehr kreative Arbeit als je zuvor erledigt bekommt. «Mit 20 bin ich depressiv herumgelegen, jetzt habe ich dazu keine Zeit.» Walter Pucher wird seine Form des «Do it yourself» gewiss weiterpraktizieren. Die Aufnahmen von «Regn ohne Wossa» hat er selbst besorgt. Dabei ist ihm eine weit mehr als nur taugliche Dokumentation von Liedern gelungen, die hoffentlich nicht nur im von deren Schöpfer so wertgeschätzten Livesetting ihr Publikum finden.

 

Walter Pucher: ­

«Regn ohne Wossa»

Tschin Bumm Records

Live: 20. Oktober im Dezentral

2., Ilgplatz 5

www.walterpucher.com