Trotz Wirtschaftskrise keine langen Gesichtervorstadt

Ein Kurztrip nach Lissabon

Lissabon habe noch nichts von seinem Charme verloren,  findet Mehmet Emir (Text und Fotos), der der portugiesischen Hauptstadt nach zwanzig Jahren wieder einen Besuch abstattete. Dazwischen liegt eine Finanzkrise, die das Land an der Westküste der Iberischen Halbinsel so richtig schön durchgebeutelt hat.Vom Flughafen dauerte es mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur 25 Minuten, bis wir unsere Ferienwohnung neben der Catedral Sé Patriarcal erreichten. Diese Kathedrale ist quasi der Stephansdom von Lissabon. Am Rande sei erwähnt: Sich plötzlich im Februar mit einer Außentemperatur von 20 Grad Celsius konfrontiert zu sehen, ist ein sehr schönes Gefühl. Erst recht, wenn sich die Temperatur beim Abflug um den Gefrierpunkt bewegte.

Das Lokal, das uns der Vermieter für unser erstes Abendessen empfohlen hatte, war schon ausreserviert, kein Wunder auch, genießt es doch den Ruf, gut und günstig zu sein. Nach langer Suche nach einer Alternative wurden wir endlich hinter einer Kirche in einer engen und kurzen Gasse fündig. Wir stießen auf ein Lokal, das Köstlichkeiten aus der Region anbietet. Die Besitzerin winkt uns zu, obwohl das kleine Restaurant schon gut besucht ist. Wir gehen hi­nein und nehmen an einem großen Tisch, an dem bereits ein Paar sitzt, Platz. Allem Anschein nach sind unsere Tischgenoss_innen Einheimische, doch sie nehmen von uns Tourist_innen kaum Notiz und erkundigen sich auch nicht, woher wir denn kommen. Nachdem uns die Wirtin eine in Englisch verfasste Speisekarte überreicht, wird uns auch klar, dass in diesem Restaurant eine friedliche Koexistenz von Einheimischen und Tourist_innen möglich ist.

Wir bestellen unter anderem Bacalhau. Knapp über 20 Kilo wird von diesem Fisch in Portugal pro Jahr und Nase verzehrt, behauptet zumindest Wikipedia. Verspeist wird er in allen erdenklichen Varianten – roh, mariniert, gegrillt, gekocht –, und man verarbeitet ihn für alle Gänge, angefangen von der Suppe über Hauptspeisen sogar bis zu Desserts.

Wir marschieren nach dem geglückten Abendessen durch enge Gassen zurück in die Unterkunft. Trotz der Dunkelheit der Nacht bemerken wir sehr viele Keramikfliesen als Wandverkleidungen.

Am nächsten Tag, als wir die Stadt erkunden, sehen wir überall Keramikfliesen – an Wohnhäusern, an Kirchen und an Monumenten. Unser erstes Ziel ist die Festungsanlage Castelo de São Jorge. Von dort oben hat man einen herrlichen Blick auf die ganze Stadt.

Dann schlendern wir, ohne auf den Stadtplan zu schauen, nur nach Gefühl, Richtung Stadtzentrum. Wir treffen auf einen weißen Schuhputzer, der gerade die Schuhe eines dunkelhäutigen Mannes auf Hochglanz bringt, auf Bettlerinnen, denen man nicht einmal in bösester Absicht Aufdringlichkeit unterstellen könnte, und auf eine lebende Mozart-Statue, die mit Musik von Bach auf sich aufmerksam machen will. Die Stimmung in der Stadt ist äußerst angenehm, und ihre Bewohner_innen sind freundlich und wirken zufrieden. Dabei sprechen die Wirtschaftszahlen doch eine andere Sprache. Laut den letzten Erhebungen von Eurostat ist in Portugal im Jahr 2015 beinahe jede_r vierte Jugendliche arbeitslos gewesen, im Vergleich dazu stand in Österreich nur jede_r zwölfte Jugendliche ohne Hockn da.

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