Tagebuch eines Augustinverkäufers
8. 12.
Maria Empfängnis. Normalerweise ein christlicher Feiertag. Schon vor vielen Jahren «Merkur», dem römischen Gott des Handels geopfert. Aber heute sind die Geschäfte zu. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass heute Sonntag ist. An dem Tag hat laut hebräischen Spionen nicht einmal Gott, der Herr, gearbeitet.
9. 12.
Koalition, Kapitulation, Kopulation. Fremdwörter, scheinbar zufällig aneinandergereiht. Aber bei den Verhandlungen um eine neue Koalition wird an vielen Stellen kapituliert. Was das mit Kopulation zu tun hat, weiß ich auch nicht genau. Aber ein Punkt wird mir immer suspekter. Diese beiden Parteien (SPÖ/ÖVP) haben doch schon in den verwichenen fünf Jahren eine Regierung vorgetäuscht. Warum ist es jetzt so schwierig, für die nächsten fünf Jahre mit praktisch den gleichen Leuten genau dasselbe, genau so schlecht weiterhin zu tun?!
10. 12.
Advent, Advent, der Vater rennt. Oder so ähnlich. Still, angenehm still soll sie sein. Die stillste Zeit des Jahres. Wie bitte!!! Ich höre nichts, ist so laut hier!!! Dabei fällt mir eine Nachricht ein, die heute vom Wetterdienst der USA veröffentlicht wurde. In der Nähe des Südpols wurden, Achtung (!) -93,2 Grad Celsius gemessen. Der tiefste, je gemessene Wert. Brrr, sehr schattig! Das dazugehörende Datum bringt mich aber ein wenig ins Nachdenken. 10. 8. 2010??? Scheint eine sehr geruhsame Arbeit zu passieren beim Wetterdienst der USA. Grasraucher?
11. 12.
Es wird unruhig im politischen Kreißsaal. Die Verhandler gehen schwanger mit einer Entscheidung. Es ist nervenzerfetzend spannend. Oder auch nicht. Daher meine Forderung: «Idioten an die Macht!». Obwohl …
12. 12.
Hurra, hoch die Tassen, Freibier für alle! Oh höre, du jubelnd Wahlvolk! Österreich ist eine neue Koalition geboren! Eigentlich eine alte, aber ich will sie nicht jetzt schon mit dem ihr wahrscheinlich gebührenden Spott und Hohn überhäufen. Aber jetzt muss ich mich erst einmal von meinen Jubelorgien erholen. Oder so. Zirka.
13. 12.
«4fz8lpä,hv4yqx» Mausi geruhte, ihr Haupt auf ein Lateinwörterbuch zu betten. Außerdem hat sie da etwas sehr Beängstigendes in den Nachrichten erlauscht. Die Wissenschaft findet sich ab sofort im Finanzministerium wieder. Das ist aber ganz schlecht für die Geisteswissenschaften. Hierbei mischt sich ihr humaner Mitbewohner ein und meint, dass es je besser für eine Regierung sei, je schlechter die Untertanen gebildet seien. Tu tristis austria, du trauriges Österreich hast also keine Wissenschaft mehr. Also in einem eigenständigen Ministerium. «qdbtnumio!!!» Mausi kann sich gar nicht beruhigen. Der blinde Murli sieht wie üblich kein so hohes Erregungspotenzial.
15. 12.
«Nachrichten können tödlich sein!» Oder Ähnliches sollte verpflichtend vor der Verlesung diverser Neuigkeiten im TV zu lesen sein. Heute erfahre ich, dass bei der Trauerfeier für Nelson Mandela niemand aus Österreich kommen wird. Dieser ominöse Niemand ist in unserer Regierung ein gern gesehener, weil wichtiger Gast. Denn sehr oft ist niemand für irgendetwas verantwortlich. Das ist jedoch eine wirklich große Verantwortung. Weitere Gedanken entfallen aufgrund der Bedenken eines bekannten Kardiologen.
17. 12.
Beamte streiken, Lehrer haben gestreikt. Die Wähler sind unentschlossen. Immerhin dürfen sie Ende Mai 2014 ihre EU-Vertreter wählen. Na bumm! Ein unbestimmtes Gefühl setzt mich von der Tatsache in Kenntnis, dass dann vielleicht die Wähler einmal streiken könnten. Aber wie ein bekannter Staatsmann einmal sagte: «Wenn demokratische Wahlen etwas verändern könnten, wären sie längst verboten.» Nachdem streiken gerade en vogue zu sein scheint, streike ich noch immer beim Weihnachtseinkauf. Für mich ein Geschenk? Wenn ja, was werde ich bekommen? Ich spiele auf jeden Fall den Überraschten.
18. 12.
Ich habe mir Notizen gemacht. Mehrmals. An verschiedenen Tagen. Ah, darum heißt das also Tagebuch! Ich weiß nicht, wie es bei euch ist. Meine Notizen führen ein Eigenleben. Jedenfalls sind sie nie dort, wo meine intensiven Nachforschungen sie vermuten. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich seit Längerem Vormund von mehr als zwei Hosen und Jacken bin. Ein echtes Luxusproblem. Die Notizen wandern. Von einem Ort zum andern. Ich stecke also den Block in diese Jacke. Unterwegs will mir scheinen, dass ich gar keinen Block beherberge. Er ist in der anderen Jacke. Todesmutig trete ich vor den Schreibwarenfachverkäufer, um einen weiteren Block zu adoptieren. So geht das munter dahin, bis ich selbst ein Geschäft eröffnen könnte. Nun sitze ich nach einer erfolgreichen Razzia in meinen Jacken und Hosen hier und werde von Teilsätzen, Phrasen und alleinstehenden Stichwörtern erschlagen. Es scheint einen gewissen roten Faden zu geben. «GroKo» steht da des Öfteren geschrieben. Nein, keine neue Pflanze. Eine jetzt schon ungeliebte Regierung. Die Zeit wird es weisen.