TUNMAG: Wir müssen uns korrigieren. Hamburg kein Sozialmodelltun & lassen

Beim AUGUSTIN-Lokalaugenschein in Hamburg (siehe Augustin Nr. 419) regierte journalistische Oberflächlichkeit, falls diese Formel für meine Wahrnehmungen (es waren krude Wahrnehmungen aus einer touristischen, nicht publizistischen oder soziologischen Perspektive) überhaupt ausreichend ist.Zum einen wurde eine Kritik an unserem Hamburger Schwesternblatt, der Straßenzeitung «Hinz&Kunzt», geäußert, ohne diese zu Wort kommen zu lassen, um ihre Sicht der Dinge vermitteln zu können. Siehe dazu die ausführliche Dokumentation auf Seite 10.

Zum anderen scheint das Verhalten der städtischen «Sicherheitsbehörden» gegenüber den Obdachlosen doch nicht so gelassen zu sein wie im Augustin angedeutet. Zwar teilen viele, die Hamburg kennen, meine Wahrnehmung, dass Wohnungslose in weit geringerem Ausmaß «unsichtbar» gemacht werden als in Wien. Diesem momentanen Eindruck sollte man aber die Tendenz gegenüberstellen – und die ist für die «Penner_innen» offensichtlich unerquicklich.

Ein Beispiel: Zwischen den Landungsbrücken und St. Pauli, also im Zentrum der Stadt, leben Obdachlose zum Teil seit Jahren, unter der Kersten-Miles-Brücke auf Matratzen und in Zelten. Die «Bild»-Zeitung beschrieb diese «Camping-Meile» der Perspektivlosen als «ekelhaft und peinlich für unsere Stadt». SPD- und CDU-Politiker_innen stimmen bei: Die Einhaltung der Grünanlagenverordnung sei Aufgabe der Stadtpolitik; Zelten und nächtliches Lagern in Parks sei nach dieser Verordnung verboten. Auch die Siedlung unter der Kersten-Miles-Brücke soll geräumt werden. Wegen der Brandgefahr und häufiger Beschwerden durch Anwohner.

Menschenrechtsaktivist_innen sind überzeugt, dass das nun schärfere Vorgehen gegen die Ärmsten der Stadt unterlassen worden wäre, wenn es sich um «deutsche» Aussteiger_innen und Ausgeschlossene handeln würde. Das «Pech» der Betroffenen ist, dass es sich um Leute aus dem Osten handelt. Die «taz» zitierte den Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD): «Man muss den osteuropäischen Obdachlosen sagen, dass sie hier keine Perspektive auf Arbeit oder Unterbringung haben. Ich will die Menschen ermuntern, in ihre Heimat zurückzukehren.» Der SPD-Mann wagt zu behaupten, dass ihre Heimat perspektivreicher sei (unsere Reportage ab Seite 16 lässt andere Schlüsse zu). Wie Wien wird Hamburg übrigens von einem rot-grünen Senat regiert. Die von ihm verlautbarte offizielle Zahl der Obdachlosen in Hamburg lautet 10.500.