Über die Probleme eines Drogenkonsumenten beim Ausstieg aus der SzeneDichter Innenteil

Verletzt und verschmäht

Abgrundtiefe und schon Existenz bedrohende Ängste suchen mich in letzter Zeit heim. Furcht, die die fachmännische Bezeichnung Phobie schon längst verdient und auf der Skala der Grausamkeit eigentlich schon eine Stufe höher anzusiedeln ist und sich lebensbedrohlich in dem Sinn darstellt, dass man nicht mehr von oben auf sie herabblickt und feststellt, dass sie einen an einem aktiven Leben hindert und Liebe zu Menschen zerstört, sondern dass man schon, besser gesagt, dass ich schon in einem Strudel von Assoziationen und Befürchtungen festsitze und im Kreis gedreht werde, metaphorisch und beinahe schon wirklich.

Da ist ein Sausen und ein leichter Schwindel in meinem Kopf, und schon befürchte ich, dass sich alles zu drehen beginnen könnte, dass ich meinen Vater nicht mehr erkennen könnte, dass oben unten sein könnte, ein hundförmiger Strauch tatsächlich ein Hund, eine Sternschnuppe ein Flugzeug und ein schräges Dach die Sprungschanze in den Wahnsinn. Beinahe göttliche, allem übergeordnete Ideen und Prinzipien versuche ich zu verstehen und zerschelle fast daran.

Ja, es ist die Angst, verrückt, ja sprechen wir es aus, schizophren zu werden oder zu sein, die mich quält. Ich sehe und höre ganz genau hin, bemerke Bewegungen von Blättern und Staubkörnern, höre die zartesten Töne in einer Stimme oder einem Lied heraus, stelle mir Menschen, Tiere und Farbpunkte, die nicht da sind, plastisch vor und will mich anschließend vergraben, weil ich nicht auf meine Eltern gehört habe, die mich eindringlich vor Drogen gewarnt haben, und nun beinahe schon den Bürgern recht geben muss, die Leuten wie mir zum Teil das Unglück gönnen, mich für einen gehalten haben, der verrückt sei und mit dem man nicht mehr reden könne, und die steif der Ansicht sind, dass Rauschgiftkonsum mit Wahnsinn, Gefängnis oder Tod ende, wo ich doch hoffentlich nur ein armer Teufel bin.

Ich fühle mich nur mehr tot und abgestorben und hineinbetoniert in diesen Zustand, als sensible Seele zerdrückt von Staatsmaschinerie und chemischer Industrie, denen gewissermaßen gemeinsam ist, dass ihnen viel am Funktionieren des Menschen liegt. Hätte ich nur früher erkannt, dass die Drogenszene nicht viel weniger normorientiert ist als das Staatsgeschehen.

Dass die Ärzte vor meinem EEG zurückschrecken, ist meine größte Leistung

Weiters schwindet meine Hoffnung auf Normalität, Bodenständigkeit und ein geglücktes Leben dahin. Größter Schrecken durchfährt mich da, wo ich doch immer so argumentativ, nüchtern und am Ball des Geschehens sein konnte.

Ebenso überkommen mich Horrorvisionen, nämlich dass ich angebunden und nieder gespritzt in der Psychiatrie verharren muss nach meinem ungesunden Lebensstil, und nur mehr in dem Sinn etwas leisten kann für die Menschheit, dass die Ärzte vor meinem EEG zurückschrecken. Ich stelle mir dann meine gemeinen Schulkameraden von damals vor, wie sie sich einen herunterholen auf mein Scheitern, mit teuren Autos beim Krankenhaus vorfahren und verächtlich lachend mit dem Finger auf mich zeigen, wie ich im eingezäunten Park in der Wiese sitze, weine und mich über die Realität wundere, die Todesanzeige meines ergrauten Vaters in der Hand haltend.

Ich habe auch riesengroße Angst, dass ich sterben muss an meinem Zustand und dass meine Eltern diesen Ausgang schon als Segen herbeiwünschen. Ich wünsche mir aber von ganzem Herzen, dass sie mir immer beistehen werden und dass sie noch einmal stolz auf mich sein können.

Weiters fürchte ich immens, dass die Rauschmittel bei mir bewirkt haben könnten, dass ich niemals mehr beruflich tätig sein kann und kein gemütliches Geplauder mehr aushalte, ohne das Innerste preiszugeben. Ich fühle mich schrecklich, ausgelaugt und weggetreten. Es ist mir unbegreiflich, wie man auf ein solches Innenleben noch stolz sein kann – wie ein Freund von mir – und es als Privileg ansehen kann, mit einem aufgesetzten Grinser an die Glücklichen. Dieser muss wohl doch noch ein Stück mehr positioniert und definiert in der Gesellschaft sein als ich, um so zuversichtlich denken zu können. Ja, es hat etwas Edles, zu leiden, sich zu betäuben und die Krise hoch zu preisen, aber es hat auch was Faschistisches. Man wächst sogar in einem schlechten Zustand, aber der Blick auf das Licht darf meiner Meinung nach nicht vergehen, Stück um Stück dahinsterbend, bis nicht mehr viel da ist von dem Menschen. Es wird einem wahrscheinlich als Außenseiter immer Kraft geben, sich mit Schwierigen zu umgeben, aber das Problem darf nicht zu groß werden, sonst wird es einem sogar noch unmöglich, diese zu lieben.

Wie gesagt: Es scheint mir an einer Triebfeder zur Harmonie zu fehlen an einer sexuellen wahrscheinlich, eventuell an einer homosexuellen. Letztere mag bei mir bewirkt haben, dass ich neben der inneren auch die äußere Realität nicht mehr wahrhaben will, dass mich Zuckungen und Regungen erschrecken und dass ich mir einen Menschen vorstelle, wenn ich darüber reden will. Ich fühle mich ausgebrannt, gleichzeitig am Zerplatzen und erbärmlich.

Ein Exzess der Enttäuschung

Ich habe auch große Angst, dass ich bald nicht mehr Auto fahren können werde, ein Leben lang Psychopharmaka einnehmen muss und der Freund euphorisch darüber lacht, dass ich es mit meiner Steppenwölfigkeit, die sich umso mehr zu Wort meldet, je weniger maßgebliche Akzente ich setze, auch nicht geschafft habe, kongruent zu sein, während ich mir – mit mir selbst zankend – vorstelle, dass sich ein ruhender Vorhang bewegt. Der Grundkonflikt muss also lauten: Bewegung oder Stillstand, Harmonie oder Disharmonie, verdrehte Sexualität oder Trunkenheit, die ich beide als verbrecherisch empfinde.

Oder ist die Bewegung, die mein Körper von mir fordert, vielleicht doch nicht diese Sexualität, sondern eine erneute Identifikation zumindest mit der Szene, mit der verbotenen Welt sozusagen? Habe ich vielleicht bisher meinen Zustand falsch gedeutet wie das Pfeifen des Windes als Sirene? Schon allein wenn ich an wilde Feste oder auffällige Kleidung denke, schlägt mein Herz, wenn es mein Gewissen erlaubt, höher. Ja, das muss es sein. Das ist also die gesuchte Triebfeder, die mich nach dem paradoxen Moment der Psychologie wieder zu einem Mensch werden ließe. Denn es macht wohl gewissermaßen Spaß, sterben zu wollen und in stillschweigender Weise die Verletzungen, die von der Gesellschaft herrühren, aufzuzeigen. So scheint mir nun auch meine sexuelle Verwirrung mehr ein Mittel zur Schockierung der Angepassten, ein Exzess der Enttäuschung zu sein als ein angeborenes Gefühl. Sei es, wie es sei. Ich bin verletzt worden und kaum mehr gewillt, diesen Umstand vor den Leuten zu verhüllen, irgendwelche Sexualität zu verbergen oder mich hinter passiver Revolte zu verschanzen, auch wenn diese faschistische, selbstzerstörerische Betäubung vielleicht für mich als Denker wieder mehr Licht in mein Leben bringen würde. Gott sei Dank kann man noch auf andere Weise provozieren als durch Drogenkonsum.

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