Ingo Rezman, Obmann der Hepatitis Liga Österreich
Man schätzt, dass es in Österreich etwa 40.000 Infizierte durch Hepatits C gibt. Viele wissen oft gar nicht von ihrer Krankheit. Bei etwa 20% entwickelt sich die Ansteckung zur Leberzirrhose oder zu Leberzellkrebs. Viele haben sich in den 70- und 80er-Jahren entweder durch Plasmaspenden- oder als Patienten (wie etwa auch der neue Sozialminister Mag. Haupt) infiziert. Während man in der Politik endlich beginnt, über Hilfsmaßnahmen für die Opfer nachzudenken, versucht die verursachende und seinerzeit davon profitierende Industrie auf dem Gerichtsweg sich möglichst schadlos zu halten. AUGUSTIN sprach mit dem Mitbegründer der Hepatits Liga Österreich, Ingo Rezman.Wie kam es zur Gründung der „Hepatits Liga Österreich“?
Ingo Rezman: Ich bin selbst ein Geschädigter. Ich bin 1977 selbst durch eine Plasmaspende in Salzburg – wo ich damals gelebt habe – infiziert worden. Man kennt die chronische Hepatitis C erst seit 1989. Ich habe im Mai 1994 plötzlich gravierende gesundheitliche Probleme bekommen. Damals war ich beruflich selbständig. Nach einer 2-tägigen Untersuchung durch einen Hepathologen wurde mir eröffnet, dass ich eine Leberzirrhose im Endstadium habe, aufgrund einer fortgeschrittenen chronischen Hepatits C. Mir wurde gesagt, dass eine Transplantation notwendig sei, oder ich würde Weihnachten nicht mehr erleben. Nach der (schweren) Operation und einjähriger Rekonvaleszenz bin ich rausgekommen und begann mich für diese Krankheit zu interessieren. Vor allem beschäftigte mich die Frage, wodurch ich mich infiziert haben könnte, weil mir das völlig schleierhaft war. Ab 1995 begann ich mich also via Internet – geeignete Fachliteratur gab es damals noch kaum – global über diese Krankheit zu erkundigen und habe mir dadurch mit der Zeit diesbezüglich ein ziemlich großes Fachwissen angeeignet. Dann begann der ORF zu diesem Thema zu recherchieren. Im Rahmen dieser Sendung wurde auch ein Interview mit mir gesendet. Und binnen kurzer Zeit hatte ich etwa 500 Briefe und Anrufe von Betroffenen erhalten. Bis dahin glaubte ja jeder von uns, dass er individuell von einem seltenen, seltsamen Einzelschicksal betroffen sei. Und das war nun der Auslöser zur Gründung unserer Gesellschaft. Inzwischen gibt es in jedem Bundesland eine Selbsthilfegruppe. Im Burgenland ist derzeit noch eine in der Gründungsphase. Wir hatten bisher mit etwa 15.000 Betroffenen Kontakt.
Wie schaut Ihre Tätigkeit aus?
Ingo Rezman: Von der Zentrale aus sind wir Gesprächspartner für Ministerien, der Pharmaindustrie, dem Roten Kreuz usw., organisieren Schulungen, Vorträge, Seminare. Und vor allem versuchen wir den direkt Betroffenen finanziell, juristisch, medizinisch, materiell und moralisch zu helfen.
Die letzte große Epidemie an Infizierungen mit Hepatitis C gab es nachweislich in den Jahren 1986/87.
Epidemie?
Ingo Rezman: Ja, mit epidemischen Ausmaßen. Bei neuerlichen Blutspenden stellte man bei etwa 200 bis 300 Leuten fest, dass sie erhöhte Leberwerte hatten. Das war in der damaligen Plasmastelle in der Sandwirtgasse in Wien. Wir haben das aber erst etwa 15 Jahre später feststellen können, weil sich bei uns Leute gemeldet haben, die alle damals in der Sandwirtgasse Plasmaspender waren. Wohlgemerkt: Das geschah durch Plasmaspenden. Es ist weltweit kein Fall bekannt, dass eine Infizierung durch Blutspenden passiert wäre.
Was war in der Sandwirtgasse?
Ingo Rezman: Dort war damals eine Plasmapherese-Abnahmestelle. Daraufhin bin ich mit der Betreiberin dieser Stelle, der Fa. Immuno, die es in dieser Form ja nicht mehr gibt, in Kontakt getreten und habe sie mit unseren Ergebnissen konfrontiert. Die haben dann alle Spender und Patienten aus den Jahren 1986 und 1987 angeschrieben. In einem außergerichtlichen Weg erhielten diejenigen, die mit Hepatitis-C infiziert waren, 200.000,- Schilling, und wenn jemand bereits Leberzhirrose hatte – was bei ca. 20% das Endstadium der Infizierten ist, zusätzlich 300.000,- Schilling.
Das Rote Kreuz betont daher, dass es mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun habe.
Ingo Rezman: Ja, es waren Institutionen, die auf die Gewinnung von Blutplasma spezialisiert waren. Worüber ich mich jedoch ärgere, ist die Verharmlosung des Roten Kreuzes diesbezüglich, das sich für mich ja eigentlich als halb verstaatlichte Organisation darstellt. Auch wenn es als Verein organisiert ist. Ein „gemeinnütziger“ Verein mit Milliardenumsatz ist für mich sowieso juristisch überholt. Das Rote Kreuz ist in dieser Angelegenheit nicht frei von Schuld. Denn das Rote Kreuz ist Besitzer der Plasmapharese-Stelle in Salzburg und hat daraus 58% der dortigen Gewinne lukriert. Das Rote Kreuz hat auch medizinisches Personal für diese Plasmapharesestellen zur Verfügung gestellt. Der dortige Geschäftsführer war zugleich der Direktor des Roten Kreuzes in Salzburg. Es floss auch Geld vom Roten Kreuz in diese Stellen in Form von bezahlten Sekretärinnen, Werbung usw. Die Zeitaufwandsentschädigung von damals 170.- Schilling pro Spende wurde vom Roten Kreuz bezahlt. Das ist inzwischen gerichtsbekannt, doch versucht man immer noch, sich das Deckmäntelchen der Humanität umzuhängen. Wobei man gleichzeitig den Geschädigten gegenüber absolut inhuman vorgeht. Trotz vieler Gespräche war das Rote Kreuz bisher nicht bereit, nur einen einzigen Schilling als Soforthilfe für Schwerstgeschädigte zur Verfügung zu stellen. Die Geschädigten verlieren die Arbeit, werden delogiert, fallen durch das soziale Netz. Denen wollen wir sofort helfen. Aber das Rote Kreuz sieht sich dafür nicht zuständig, will erst einmal den langwieriigen Gang bei den Gerichten abwarten.
Wie viel ist eine Plasmaspende eigentlich wert?
Ingo Rezman: Da gibt es unterschiedliche Angaben. Doch nach diversen Aussagen von Angestellten der Plasmastellen vor Gericht kann man davon ausgehen, dass ein Beutel gespendeten Plasmas mit etwa 15.000.- Schilling gehandelt wird.
Das Rote Kreuz behauptet, dass man bei ihnen nur „kostendeckend“ arbeitet.
Ingo Rezman: Na klar, weil die einen unglaublichen Aufwand betreiben. Wenn man Tausende Funktionäre und Immobilien zu Milliardenwerten hat, muss das bezahlt werden. Laut Aussagen vom Krankenanstaltenverbund Wien wird aktuell für eine Vollblutkonserve 1.800.- Schilling bezahlt. Jährlich gibt es ca. 500.000 Vollblutspenden beim Roten Kreuz. Dabei kommt man dann auf 9 Milliarden Schilling. Und das soll „kostendeckend“ sein? Es ist schon klar, dass Blut nicht umsonst ist. Blut ist eben ein besonderer Saft. Trotzdem bin ich ein großer Befürworter, dass Menschen, die gesund sind, regelmäßig Blut spenden gehen. Früher war das anders. Da ist man bei Plasmaspenden sehr fahrlässig gewesen. Die Betreiber schauten nur auf Quantität und nicht auf Qualität. Viele Leute in materieller Not gingen am Vormittag zu der einen Plasmaspendestelle und schon am Nachmittag zur nächsten. Auf eventuelle Risikogruppen wurde damals überhaupt nicht geachtet. Dadurch ist damals schon sehr viel Unheil passiert. Da wurde auf Teufel komm raus, auf Liter gearbeitet.
Damals ist es jedenfalls zur Katastrophe gekommen. Menschen hatten in guter Absicht Plasma gespendet und handelten sich damit eine unheilbare Krankheit ein. Es ist klar, dass sich die Verursacher abputzen wollen. Fakt bleibt, dass Menschen im Dienst an der „Allgemeinheit“ schwer erkrankten. Da müsste doch der Staat, wie in anderen Katastrophenfällen auch, mit Sofortmaßnahmen helfen?
Ingo Rezman: Im Rahmen der Diskussion zum Blutsicherheitsgesetz im vorigen Jahr sagte die Abgeordnete der SPÖ, Frau Dr. Pittermann, dass es nach den ersten Todesfällen in diesem Zusammenhang notwendig sei, dass man sofort ein Budget für die Opfer zur Verfügung stellen müsse. Daraufhin antwortete der Konusmentenschutzanwalt aus Salzburg, ebenfalls Abgeordneter, dass der Staat doch nicht dafür aufkommen könne, was Private aus Profitgründen verursacht haben. Das war auch das Denken in der Vergangenheit. Wir saßen oft mit den Sozial- und Gesundheitsministern zusammen, doch wurden wir immer nur vertröstet. Jetzt schaut es diesbezüglich ein bißl besser aus. Im Februar fand in Wien wieder ein Prozess statt, den wir für eine stille Demonstration mit einer Gedenkminute für unseren Mitbegründer, Karl Ennsberger, der im vorigen Dezember gestorben ist, nützten. Da war das Fernsehen dabei. Und der Staatssekretär für Gesundheit, Dr. Waneck hat das im Fernsehen gesehen und umgehend bei uns angerufen und gefragt, wie er sofort helfen kann. Da muss ich schon sagen, davor ziehe ich den Hut.
Heute gibt es beim Plasmaspenden kein Risiko mehr, sich anzustecken. Trotzdem bleibt natürlich eine große Verunsicherung. Die Plasmaspendestellen beklagen einen Rückgang von ca. 40%. Wie wird darauf reagiert?
Ingo Rezman: Das ist ja das Traurige daran. Unlängst hat mich der Leiter der größten Blutplasmastelle damit konfrontiert und geklagt, dass sie, wenn es so weiter geht, demnächst zusperren müssen. Da habe ich ihm gesagt: Seit Jahren versuchen wir, euch die Hand hinzuhalten, und fragen – was tut ihr für uns, was können wir für euch tun. Man klagt bei mir, dass durch jeden meiner öffentlichen Auftritte die Leute eher verunsichert werden. Ich soll doch quasi „gut Wetter machen“. Da frage ich, was tut ihr für uns? Ihr habt an uns Abermilliarden verdient und niemand ist bereit, ein gutes Werk zu tun, wodurch ja auch eine Imagekorrektur passieren würde. Ich bin gerne bereit, vor laufender Kamera für Plasmaspenden zu werben, wenn uns die Industrie dafür 500.000.- Schilling für unser Soforthilfeprogramm gibt. Aber die denken nicht daran. Unser Schicksal ist denen egal. Zuerst haben sie über unsere Proteste nur gelacht und gedacht „das halten wir schon aus“. Jetzt schauts anders aus. Aber unser Sinn war auch nie, denen wirtschaftlich zu schaden. Wir wollten nur zu unserem Recht kommen, das wir ja bis heute nicht erhalten haben. Darum habe ich mit denen auch nur wenig Mitleid. Aber ich habe auch bei einer Sendung von der Frau Stöckl gesagt, dass es seit mehr als 10 Jahren keinen Fall mehr von einer Infizierung durch Plasmaspenden gibt, und dass Blutspenden die höchste Form von Nächstenliebe ist.