Überall die Finger drinnenArtistin

Wie Sabine Marte mit dem «Schnipselautomaten» die Programmierkunst revolutioniert

Die Video- und Performancekünstlerin Sabine Marte, auch als Musikerin in den Formationen SV Damenkraft und Pendler unterwegs, gewann letztes Jahr mit ihrem experimentellen Kurzfilm «B-Star, untötbar! Reloaded» den Diagonale-Preis für innovatives Kino. Auch bei der diesjährigen Diagonale Ende März ist Sabine Marte vertreten. Sie hat den Festival-Trailer mit dem Titel «Do we need to have an accident» produziert und gemeinsam mit Bildhauer Clemens Hollerer eine gleichnamige Ausstellung gestaltet. Darüber sprach sie mit dem Augustin.Dein Trailer ist auffällig anders als die Trailer der letzten Jahre. Ich hatte den Eindruck, er ist weniger komplex und erzählt eine Geschichte. Was war deine Herangehensweise?

Ich wollte ganz bewusst mit dem Format arbeiten, mit der ganz kurzen Zeit, die zur Verfügung steht. Ich wollte in dieser Zeit ein Filmkonzentrat schaffen, in dem ganz viele filmsprachliche Elemente verpackt werden: Blickdialog, dann auch mal eine Atempause oder ein Actionmoment. Alles was eine Filmgeschichte vorantreiben und spannend halten kann, mehrere Stränge. Ich wollte, dass man am Ende des Trailers es freut mich, dass du das sagst das Gefühl hat: Ich habe einen Film gesehen. Aber eben in dieser hochkonzentrierten Astronautenkost-Form. Es ist ein Film aus Zitaten, der in dieser Zitiertheit noch mal eine Geschichte erzählt. Es war auch klar für mich, dass ich mit Sprache arbeiten möchte. Denn Text hatte ich schon vorher, aber nicht in dieser Konzentration.



Du hast mit Hilfe von einem «Filmschnipselautomaten» gearbeitet. Was können wir uns darunter vorstellen?

Das ist hohe Programmierkunst, würde ich sagen, der Oliver (Oliver Stotz, Kollege und Partner von Sabine Marte, Anm.) würde sicher lachen darüber. So einen Automaten zu programmieren musst du dir aber auch vorstellen können, und deshalb finde ich das einfach großartig. Ich hab dem Oliver das Problem geschildert, und er hat mir ein Programm geschrieben, mittels dem ich durch ein privates Archiv fahren kann. Es sucht mir aus hunderten Filmen die Wörter raus, die ich brauche, um meinen Text zusammenzusetzen, allerdings braucht es zu jedem Film die Untertitel. Ich kann auch eingeben, wie lange ein Schnipsel sein soll und dann liefert mir das Programm eine Liste von Filmfragmenten. Es gibt Wörter die kommen sehr oft vor, wie «there», mit vier-, fünftausend Treffern, da muss man dann reduzieren.

Zu deinem Trailer gibt es begleitend eine Ausstellung im Kunsthaus Graz. Was gibt es da zu sehen?

Die Kuratorin Kathrin Bucher hat den Film «B-Star, untötbar! Reloaded» gesehen und wusste: Der Film schreit nach einem Raum, und Clemens Hollerer wäre ein guter Partner für mich. Er wurde dann eingeladen, zu drei Videoarbeiten von mir «Ich möchte einen Horrorfilm machen», «Gras A/B» und «B-Star, untötbar! Reloaded» eine Installation zu entwickeln, Bezug nehmend auf meine Arbeit. Die vierte Installation haben wir dialogisch entwickelt. Er hat die Installation entwickelt und ich hab dann mit meiner Videoinstallation, die eine Erweiterung des Trailers ist, drauf reagiert.

Hast du Clemens Hollerer vorher schon gekannt?

Nein, aber wir können gut miteinander, auch von der Ästhetik her. Wir sind beide schon genau, aber von der Ästhetik her sehr «rough» (rauh, Anm.). Er arbeitet mit Baumaterial, Bauplanen und -latten. Er zimmert extrem dynamische Rauminstallationen. Es ist alles sehr bewegt und durchlässig. Was wir auf keinen Fall wollten, ist vier Kinos in einen Ausstellungssaal zu stellen. Film auszustellen ist eine Schwierigkeit an und für sich. Das was wir machen ist, zu erlauben, dass beide Arbeiten sich ein bisschen durchdringen.

Für dich war schon sehr früh klar, dass du Kunst machen möchtest. Was hat dich so angezogen?

Im Borg war mir schon klar, dass ich Malerin werden möchte. Damals hieß Kunst machen Malerei oder Bildhauerei, mehr wusste ich da noch nicht. Und ein ganz, ganz tiefer Wunsch nach Ausdruck war immer da. Die Malerei war am Anfang wahrscheinlich auch wirklich das beste Medium dafür. Irgendwann hat es mich fadisiert, und dann bin ich von einem Medium zum nächsten gewechselt.

Experimentalfilm, die Sparte, in der du dich hauptsächlich bewegst, ist eine sehr kleine Nische. Kannst du von der Kunst leben?

Zu zwei Dritteln kann ich vom Experimentalfilm leben, und das finde ich eigentlich schon viel. Es gibt ab und zu einen Ankauf, und ich mache auch immer wieder mal Videos fürs Theater. Ich arbeite sehr breit, was mir früher immer als Nachteil ausgelegt wurde. Ich bin sehr breit in meinem Ausdruck, mit Sprache, mit Film, mit Sound, und jetzt auch noch mit Installation. Erstens bereichert es mich total und macht mir Spaß, und ich hab so auch überall ein bisschen die Finger drinnen. Ich hab nach wie vor immer wieder ziemliche Angst, dass irgendwann einfach der Vorhang zugeht. Man kann nicht wissen, was kommt, und die Kunst ist wirklich etwas sehr Wechselhaftes. Du kannst auch eine Zeit lang irrsinnigen Erfolg haben und dann plötzlich gar nicht mehr. Du musst dich gut wappnen. Aber ich habe mir immer gewünscht, damit durchzukommen. Ich liebe diesen Beruf, ich liebe es, Kunst zu machen. Es ist so herausfordernd, und es beschert mir ein wahnsinnig spannendes Leben. Ich reise extrem gerne und reise auch viel mit der Kunst, und dafür haue ich mich ins Zeug und versuche gute Arbeiten zu machen.

Wie wappnest du dich?

Einerseits ist es ein Klar-Kommen mit einer gewissen Ernüchterung da bin ich auch froh, dass ich schon ein bissl älter bin. Wie ich damals den ersten Film bei der Diagonale hatte, bin ich explodiert vor Freude. Das erste Mal auf einem Festival, da glaubst du echt, du bist der große Hit! Du bist noch jung und glaubst, jetzt geht es los. Und dann geht aber gar nichts los. Du stehst einfach vor der nächsten Arbeit, vor dem nächsten großen künstlerischen Problem. Du musst es lösen. Dann kommt das nächste Festival, und auf einmal kriegt das so eine Dauer. Es geht zwar weiter, aber es ändert sich nicht viel, du wirst nicht bekannter. Ich hab einfach nicht mehr die Naivität zu glauben, dass ich mit so einem Preis auf einmal anerkannt bin. Also anerkannt bin ich ja, ich hab schon meinen Platz. Aber ich muss meine Jobs machen, ich könnte jetzt nicht großspurig werden. Wappnen heißt auch, mir zu überlegen, was mir wichtig ist. Wichtig ist mir, gute Arbeiten zu machen, unter halbwegs guten Bedingungen. Wappnen ist auch zu sagen, ich habe einen Langzeitplan: Ich werde auch mit 80 noch arbeiten.



Info:

Diagonale 2011

Das Festival des österreichischen Films in Graz begrüßt den Frühling heuer von 22. bis 27. März, eröffnet wird mit der Weltpremiere von Nikolaus Geyrhalters Doku «Abendland». Der Regisseur von «Unser täglich Brot» (2005) und «Elsewhere» (2001) begibt sich auf eine Reise durch das nächtliche Europa, zwischen Wohlstandsgesellschaft, Vergnügungssucht und Ausgrenzung derer, die daran nicht teilhaben können sollen.

Festivalleiterin Barbara Pichler präsentiert eine Vielfalt an Spiel- und Dokumentarfilmen, Kurz-, Animations- und Experimentalfilmen und -videos; viele der Arbeiten werden das erste Mal einem Kinopublikum gezeigt. Das genaue Programm wird am 11. März präsentiert und ist ab dann auch auf www.diagonale.at abrufbar.

Ob es heuer möglich sein wird, neben vielen guten und interessanten Dokumentarfilmen auch eine neue Generation an österreichischen Spielfilmen zu präsentieren, darf gespannt erwartet werden.

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