Überfliegerinnen und Säbelzahntigerinnenvorstadt

Eishockey in Wien, Teil 1: Fraueneishockey

Die Vienna Capitals greifen in der noch laufenden Meisterschaft nach dem Titel.  Auch in Sachen Fraueneishockey ist in der Donaustadt alles auf Kufen. Karl Weidinger (Text und Fotos) hat sich im Eissportzentrum Kagran bei den Sabres und den Flyers umgeschaut und umgehört.Die Botschaft kam zum Frauentag: «Wir sind stolz darauf, dass wir das Fraueneishockey in Österreich in den letzten Jahren einen großen Schritt vorwärts gebracht haben. Anfangs belächelt, immer noch benachteiligt: weniger Sponsoren, weniger Medienaufmerksamkeit – obwohl sich das in den letzten Jahren dank einiger weniger gebessert hat. Aber wir kämpfen weiter.» Eishockey ist ein Sport – auch für Mädchen. Bei den Junior Capitals spielen sie in diversen Altersklassen mit. Wobei der Ausdruck «mitspielen» eigentlich nicht richtig ist. Sie sind ganz vorne mit dabei. Das zeigt ein vergleichender Blick auf die aktuelle Weltrangliste von Österreichs Frauen und Männern.

Früher trugen die Spielorte Namen wie Hanappi-, Happel-, Dusika- und Franz-Horr-Stadion. Heute diktiert das Geld: Allianz- und Generali-Arena heißen die neuen Spielstätten. Die Albert-Schultz-Halle ist da vom alten Schlag. Noch gibt es keine Trixi-Schuba-Halle, geschweige denn -Eissportzentrum. Aber Albert Schultz, wer war das noch mal?

Benannt wurde die Arena nach dem Bezirksvorsteher der Donaustadt der Jahre 1981 bis 1993. Die Anlage wurde um 1990 errichtet, befindet sich im Eigentum der Stadt Wien (Wiener Stadthalle/MA 51) und wird seit 1. Mai 2009 von den Vienna Capitals gepachtet und betrieben. Vor sechs Jahren wurde um 40 Millionen erneuert und auf 7.022 Sitzplätze erweitert.

In der zweiten Halle nebenan, ohne Sitzplätze, darf das Publikum eislaufen. Eine weitere Übungshalle wurde angebaut für etwa 1000 Livegäste. Hier matchen sich die Frauen des EHV Sabres Wien in der internationalen Elite Women’s Hockey League. Vielleicht auch, weil es im Inland zu wenige Gegnerinnen auf diesem Niveau gibt. Die Wiener Eishacklerinnen waren in den Saisonen 2014 bis 2016 konkurrenzlos und gewannen gegen Teams aus Slowenien, Italien, Ungarn, der Slowakei und Kasachstan. In der heurigen Saison müssen sie auf einige Topspielerinnen verzichten und spielen um die Plätze fünf bis acht – und gewinnen diese Platzierungsrunde souverän mit sechs Siegen aus sechs Begegnungen.

 

Auf Sabres geeinigt

Matchtag in Kagran: Um 11.25 Uhr erfolgt der Anpfiff gegen das Team von Aisulu Almaty aus dem weit entfernten Kasachstan. Charlotte Wittich (Kapitänin, Angriff, Nummer 93) wird zwei Tore zum ungefährdeten 5:1-Sieg beisteuern. Sie begann in Mödling während der Volksschule mit dem Sport: «Bei mir waren es keine Brüder oder Väter. Ein Mitschüler hat mich mitgenommen, und so bin ich geblieben.»

Durchaus erfolgreich, denn sie blickt auf eine internationale Karriere zurück: «Ich hab’ schon in Schweden und in der Schweiz gespielt.» Jetzt, wieder in Österreich, bereitet sie sich auf die «Karriere danach» vor – obwohl noch nicht einmal 23 Jahre alt. Beim Radio-Augustin-Gespräch danach, außerhalb des Kabinentrakts, hält sie ihren Zwergcolliehund Bobby an der Leine. Gibt es also doch so etwas wie das Leben abseits vom Eis?

«Ein Studium, Lehramt», sagt sie mit der Effizienz einer verdienten Goalgetterin. Aber nicht Sport oder Leibesübungen, wie zu vermuten wäre, «nein, Geschichte und Englisch mache ich». Gemeinsam mit der noch am Anfang ihrer Laufbahn stehenden Katharina Heuberger kämpft sie in der ersten Linie der Vienna Sabres. Die Wiener Säbelzahntigerinnen haben ihren Spielnamen aus der amerikanischen Liga übernommen. «Wir haben die Vereinsnamen in Amerika abgeklappert und uns dann auf die Sabres geeinigt.»

Alles im Leben ist Rotation in der Abfolge Heimspiel, Auswärtsspiel. Das Team aus Kasachstan schleppt nach Spielende alle Utensilien zum wartenden Nightliner-Autobus mit der Aufschrift «Nicola Tesla, Inventor of Light». Nach ein paar Einsätzen in Österreich geht es wieder zurück, mehr als tausend Kilometer nach Kasachstan. Die Sabres müssen auswärts in Bozen und Ingolstadt antreten und verbringen dafür die zigfache Dauer des Spiels in ihrem rollenden Zuhause.

Die 15-jährige Katharina Heuberger (Verteidigerin, Nummer 96) dürfte theoretisch noch gemischtgeschlechtlich bei den Junior_innen spielen (bis 16). Aber seit ihrem zehnten Lebensjahr hat sie sich bewusst für das reine Fraueneishockey entschieden. Sie kam durch ihren Bruder zum Sport, «ich bin einfach mitgegangen aufs Eis». Und geblieben, mit allem, was dazugehört. Ihre Lebenszeit ist mit Eishockey verplant. «Heim von der Schule, schnell Hausaufgaben machen, und dann geht’s schon wieder aufs Eis. Und den Rest Kondi schinden auf dem Fahrradtrainer.» Die Entfernungen sind eine extreme Belastung. «Die meiste Zeit verbringe ich im Bus, muss dort die Hausaufgaben machen und lernen, wenn wir wohin fahren.»

Das internationale Antreten dient nicht nur dem Vergleich, sondern wird auch als Chance gesehen, auf sich aufmerksam zu machen im hart umkämpften Profibereich. Hauptberufliche Vermittler_innen erstellen Bewerbungsvideos von gelungenen Spielzügen. Die Besten werden zu Scouting-Camps eingeladen. Statistiken sind wichtig, ebenso wie schulische Noten. Und selbstverständlich ist es unfair, dass die erfolgreichen Frauen kaum Unterstützung erhalten und sich den beträchtlichen Aufwand selber finanzieren müssen, so weit die Schlittschuhe tragen. Als Erfolg lockt die Einberufung ins Damen-Nationalteam.

 

Brennender Puck

Zur selben Zeit, eine Halle weiter, wird das Heimspiel der Flyers gegen die Linzer Ice Cats in der Dameneishockey-Bundesliga (DEBL) angepfiffen. Die Ränge sind luftig besetzt, die Stimmung in der lichtdurchfluteten Arena ist prächtig. Auch hier ist der brennende Puck, das knallgelb-orange Logo, allgegenwärtig. Auf den Dressen, auf den Türen, an der Bande, an den Glasscheiben.

Die Flyers hatten ihr Gründungsjahr 1998. Der Klub entstand aus der Fan-Base von AUA und Lauda Air und holte gleich den zweiten Platz hinter den Gipsy Girls Villach. 2001 reichte es dann zu Platz eins. Seit knapp zehn Jahren rocken die Flyers (mittlerweile als Spielgemeinschaft Caps Flyers/Highlanders) und die Sabres das Eis in Kagran. Und was bei den Frauen der geflochtene Zopf im An- und Auftreten ist, sind bei den Herren die martialischen Tattoos (mehr dazu im zweiten Teil).

Die Albert-Schultz-Halle ist mehr als nur das Eissportzentrum Kagran. Sie ist auch die Heimat der Vienna Capitals, jener Herren-Mannschaft, die es in der Saison 2004/05 zum Meister der Erste-Bank-Eishockeyliga brachte. Die Platzhirsche schafften zu Redaktionsschluss gerade den Finaleinzug.

Einer neuen Zielgruppe bekannt wurde die Halle, als der damalige türkische Premier Recep ­Tayyip Erdogan an einem Donnerstag im Juni 2014 vor etwa 13.000 Fans vor und in der Albert-Schultz-Halle einen Auftritt hatte, um Landsleute für seine anstehende Präsidentenwahl zu mobilisieren. Türk_innen sind beim Eishockey noch Exoten – im Gegensatz zu den sogenannten Secondos, der zweiten Generation im Fußball.

Radio Augustin bringt dazu eine Reportage am

Montag, dem 10. April von 15–16 Uhr auf Orange 94.0

www.ehv-sabres.at

www.junior-capitals.at

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Eishockey in Wien, Teil 2: Platzhirsche und Nachwuchs: Testosteron und der Kampf ums Niveau