Augustinerin Milica Martinović
In Belgrad habe ich seit 2014 bei der Straßenzeitung Liceulice gearbeitet. Dann habe ich mich entschlossen, nach Wien zu gehen, und habe im Spaß gesagt: Vielleicht bewerbe ich mich dort beim Augustin. Seit August 2021 bin ich in Wien. Ich habe verschiedene Jobs gemacht und habe die Stellenausschreibung im Augustin gesehen. Eigentlich habe ich mir keine Chancen ausgerechnet, aber dachte mir, ich versuch’s. Und jetzt bin ich als Sozialarbeiterin im Vertrieb des Augustin.
Ich bin aus Niš im Süden Serbiens und habe dort den Bachelor in Soziologie gemacht, in Belgrad habe ich parallel zu meiner Arbeit bei Liceulice das Masterstudium Soziale Arbeit absolviert. Deutsch hatte ich schon im Gymnasium, aber damals habe ich nur für die Noten gelernt und bald alles vergessen. Ich hatte aber den Wunsch nach Deutschland zu ziehen und habe auf der Uni Deutschkurse besucht. In Wien war ich mehrmals als Touristin und es gefiel mir gut, ich habe viele Freund:innen hier, außerdem ist es nicht so weit weg von Serbien wie z. B. Berlin. Also habe ich mich für Wien entschieden.
Hier bin ich fast immer mit dem Fahrrad unterwegs. In Serbien war ich bei einem Verein, der übersetzt «Vorfahrt für Radfahrer:innen» heißt und sich einsetzt für eine bessere Infrastruktur und für ein besseres Image des Radfahrens. In Wien ist es auch nicht so gut. Am Anfang war ich verwirrt: Wo ist der Radweg? Soll ich auf der Straße fahren? Mein erster Job hier war als Fahrerin bei Lieferando. Jetzt kenne ich alle Radrouten in Wien. Ich möchte mich auch hier fürs Radfahren einsetzen. Seit ich hier bin, habe ich mit dem Winterschwimmen in der Alten Donau angefangen. Das soll gut für das Immunsystem sein.
Im Oktober war ich mit einer Freundin bei einem Fußballspiel des Wiener Sport-Club in Kooperation mit SOS Balkanroute. Ich habe mir ein Sweatshirt von ihnen gekauft, weil es kalt ist im Büro und weil ich sie unterstützen wollte. Ich denke, alle Menschen haben das Recht woanders hinzuziehen. Nicht: Du bist da geboren, da musst du bleiben. Nur wegen deiner Haut oder deiner Religion bist du nicht willkommen. Das ist nicht in Ordnung. Seit meiner Gymnasialzeit engagiere ich mich in Menschenrechtsvereinen. Feminismus ist mir auch wichtig. Auch in Österreich gibt es noch einiges zu verbessern für Frauen. Ich finde, wenn wir nur dasitzen und sagen, es ist in nicht Ordnung, aber nichts machen, wird die ganze Welt schlechter. Was wir heute haben, ist aufgrund der Arbeit anderer Leute. Es war niemand, der gekommen ist und den Frauen Rechte gegeben hat. Sie haben dafür gekämpft. Um Rechte müssen wir kämpfen.
Protokoll: Jenny Legenstein
Foto: Mario Lang