Umhüllt mit GoldDichter Innenteil

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (23)

Die Kältewelle setzt in dieser Stadt Wien ein. Hüseyin heizt, bevor er am PC erfriert. Während Ö1 im Hintergrund läuft, versucht Hüseyin sich auf seinen Text, den er schreiben muss, zu konzentrieren.

Illu: Carla Müller

Gestern besuchte er das erste Mal in 33 Jahren Wien den Musikvereinssaal. Im Rahmen von «Wien Modern», ein Konzert mit dem Ensemble Kontrapunkte mit dem Dirigenten Peter Keuschnig. Es wurden Kompositionen aus dem zwanzigsten Jahrhundert von Dimitri Schostakowitsch, Georg Friedrich Haas, Nino Rota, Paul Dessau, Hans Werner Henze, Alfred Schnittke und Hanns Eisler gespielt. Alle Besucher_innen sind toll angezogen. Durchschnittsalter der Menschen: von 60 bis 80 Jahren. Wahrscheinlich haben all diese Konzertbesucher_innen ein Jahresabonnement. Sehr schöne Räumlichkeiten. Dort sind auch sehr viele migrantische Besucher_innen. Anscheinend haben diese da drinnen keine Integrationsschwierigkeiten. Die müssen nicht sagen, sie sind stolz, Österreicher zu sein, wie es von unserem Integrationschef verlangt und propagiert wird. Es sind Russen und Japaner.

Das viele Gold im Brahmssaal überrascht den Hüseyin. Er schaut sich die Musiker_innen an, aber ihm gehen viele Bilder durch den Kopf. Mit diesem Gold, womit man alles hier vergoldet hat, wie viele Goldarmbandreifen könnten daraus entstehen? Beim ersten Besuch erlebt Hüseyin eine Frau, die im Foyer umgefallen ist, und einen im Publikum, der gleich nach dem zweiten Stück laut geschnarcht hat. Es wird lustig, denkt sich Hüseyin. In der Pause geht er auch in den großen Saal, aus dem die Neujahrskonzerte in die ganze Welt übertragen werden. Noch größer ist der Saal und mit viel mehr Goldarmbändern an den Wänden. «Besuchen Sie uns, Ihr Goldarmband hängt schon bei uns an der Wand.» Allein mit diesem Slogan könnte man sehr viele Migrant_innen dorthin ziehen. Somit würde man für die klassische Musik oder das Vollkriegen dieser Räumlichkeiten genügend Menschen bekommen. Es würde gar nicht um die Musik gehen, sondern um die Blicke auf die Wände, in einem Raum zu sein, umhüllt mit Gold.

Es ist auch eine Fantasie zu glauben, wenn ich die österreichische Staatsbürgerschaft habe, werde ich mich von meiner Kultur und Religion entfernen. Hüseyin war vor kurzem auch bei der Gala der diesjährigen Nestroypreisverleihungen. Schauspieler_innen aus Film und Fernsehen waren von ganz nah zu sehen. Nachher floss Wein und Bier. Die warmen Esshäppchen haben ihm auch gemundet. Er trifft dort auch einen inzwischen berühmten Regisseur, für den er eine Rolle in dessen Film «Betongräser» in der Filmakademiezeit gespielt hatte. Hüseyin schaut sich um, wie in der Ära der Gastarbeiterzeit im Tanzsalon Oberbayern. Welche Frau wird er zum Tanzen auffordern. Aber alle tanzen allein, ohne sich von jemandem auffordern zu lassen. Aber dann sieht er eine wunderschöne Frau. Sie lächeln sich an. Und es ist geschehen. Ohne zu reden, geht der Hüseyin zu ihr. Nimmt sie an der Hand, und sie tanzen bis in der Früh. Er ist in seinem Element. Er ist zwar kein Schauspieler, aber viele halten ihn für einen. In den Räumlichkeiten ist es so laut, dass man gar nicht zu reden braucht. Die Tanzmusik ist eine ganz andere. Aber mit dieser schönen Schauspielerin an seiner Seite kommt er sich wie in amerikanischen Filmen vor!

Der Kulturstadtrat ist auch da. Er ist ja der Längste überhaupt in diesem Raum. Junge Schauspieler_innen, die nach neuen Engagements Ausschau halten. Aber dem Hüseyin ist es egal, lieber trinkt er und tanzt. Gott sei Dank hat er an diesem Abend keinen Stress. Zwar hat sein Lieblingsschauspieler den Nestroypreis für den besten Schauspieler nicht bekommen, aber dafür den Preis für die beste Nebenrolle. Peter Mati?. So eine schöne Stimme hat der Mann. Nach dem Familiennamen müsste er ein Ausländer sein. Aber er spricht wunderbar Deutsch. Öfters trifft ihn unser Hüseyin an verschiedenen Orten, aber er traut sich nicht, ihn anzusprechen. Den würde er gerne fragen, welchen Deutschkurs er denn besucht hat.

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