Die österreichischen Straßenzeitungen machen gemeinsam Kampagne: Zahlt die Zeitung, nehmt die Zeitung, lest die Zeitung!
Denn genau das wird eure Straßenzeitungen von Ost bis West er- und euch unterhalten.
«Wie geht’s euch mit der Auflage?» «Wie macht ihr das mit dem digitalen Bezahlen?» «Habt ihr Strategien dagegen, dass Verkäufer:innen auf ihren Verkaufsplätzen von Kontrollen der Fremdenpolizei bedroht werden?» Solcherlei Fragen werden diskutiert, wenn die österreichischen Straßenzeitungen zum Netzwerktreffen zusammenkommen.
Wir kennen uns, wie man so schön sagt, von früher: 1995 wurden der Augustin und das Grazer Megaphon gegründet, 1996 die Linzer Kupfermuckn, 1997 das Salzburger Apropos, 1998 der Innsbrucker 20er. 2003 folgte das Wiener Neustädter Eibischzuckerl, 2015 die Vorarlberger marie und 2019 die kaz., die Kärntner Allgemeine Zeitung. Auch die 2013 gegründete Straßenzeitung zebra. aus Südtirol war mit von der Partie, als wir regionale Netzwerktreffen einführten. Es war augenscheinlich, dass wir uns oft die gleichen Fragen stellten, uns die gleichen Sorgen antrieben und wir von den Erfahrungen der anderen profitieren würden. «Man muss das Rad nicht immer neu erfinden», sagt Matthias Köchl von der kaz.. «Das Netzwerk nützen wir, um wechselseitig vom Wissen und von den Ideen anderer Straßenzeitungen profitieren zu können und eigene Ideen weiterzugeben.» Daniel Egger: «Im gemeinsamen Austausch merkt man, dass man mit manchen Situationen nicht alleine dasteht, sondern dass es den anderen auch so geht.»
Eine bessere Welt …
Daniel Egger ist Sozialarbeiter und seit 2017 bei der Kupfermuckn. Teil seiner Arbeit ist die Begleitung der Redaktion, denn das unterscheidet die Linzer von den anderen österreichischen Straßenzeitungen: Die Redaktionsarbeit wird hier von Armutsbetroffenen und Kupfermuckn-Verkäufer:innen selbst gemacht. «Unsere Zeitung besteht zu etwa 75 Prozent aus Berichten und Beiträgen von Betroffenen», sagt Egger, der ansonsten eine große Gemeinsamkeit zwischen den Zeitungen sieht: «Wir leisten alle dieselbe wichtige Arbeit.»
Diese Arbeit besteht grob gesagt aus Folgendem: Zeitungsproduktion, Verkauf auf der Straße, sozialarbeiterische Unterstützung der Verkäufer:innen und eine Vielzahl an kollaborativen und niederschwelligen Projekten. Um diese Arbeit zu finanzieren, muss die Straßenzeitung tatsächlich gekauft werden – es genügt dafür nicht die durchaus nette Geste der finanziellen Zuwendung an Verkäufer:innen. Wird die Zeitung eingekauft und mitgenommen, geht die Hälfte des Verkaufspreises an die Trägervereine. Und die kümmern sich darum, damit sozialen Mehrwert zu schaffen oder «die Welt besser zu machen», wie eine Kollegin es kürzlich ausdrückte.
… ist möglich.
«Ich glaube, vielen Menschen ist nicht bewusst, dass die Organisationen langfristig nur überleben können, wenn die Zeitungen auch gekauft werden», meint Daniel Egger. Wie also das Bewusstsein stärken? Beim Straßenzeitungstreffen vor einem Jahr in Graz wurde die Idee geboren: Eine gemeinsame Werbekampagne soll her, und die Kupfermuckn wusste auch schon wen, der uns unterstützen würde: die Wiener Agentur Reichl und Partner. Mercedes A-Klasse, sozusagen.
Die Sujets, die die Agentur für das österreichische Straßenzeitungsnetzwerk entworfen hat, gehen über das Thema Geld und Warenausfolgung hinaus. Sie benennen den Mehrwert, den die Kund:innenschaft hat, wenn sie die Zeitung liest: «Gib Zuversicht. Nimm mitreißende Interviews» oder: «Gib Perspektiven. Nimm interessante Berichte». Gib uns dein Geld und wir erzählen dir aus einer überraschenden Sicht von dieser Welt …
«Wir erwarten nicht unbedingt, dass die Auflage gesteigert wird», sagt Daniel Egger über ein weiteres mögliches Kampagnenziel: «Aber stabil soll sie bleiben.» Der Augustin würde sich keineswegs beschweren, wenn durch die vermehrte Sichtbarkeit neue Leser:innen hinzukämen! Für die kaz. stellt sich die Frage anders dar, erzählt Matthias Köchl: «Wir haben kein Absatzproblem, sondern eher das Thema, dass am Land in manchen Regionen zu wenige Verkäufer:innen unterwegs sind.» Mehr Verkäufer:innen an die Zeitung zu binden, bedeutet, dass mehr Ressourcen für soziale Arbeit nötig sind – auch das macht man möglich, indem man die Straßenzeitungen kauft.
Das Kampagnensujet, das Reichl und Partner für den Augustin entworfen hat, sehen sie auf dem Cover dieser Ausgabe. Wenn Sie durch die Stadt gehen, leuchtet es ihnen von City-Light-Reklametafeln entgegen. Sie hören den Jingle dazu im Radio. Sie sehen es im Internet. Lassen Sie sich überraschen, wo es aufpoppt und verstehen Sie es als «friendly reminder»: Augustin zahlen, Augustin nehmen, Augustin lesen!