Unter die Hauttun & lassen

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Warum sterben arme Raucher_innen früher als reiche Raucher_innen? Warum ist die Lebenserwartung in Hietzing um sechs Jahre höher als in Fünfhaus? Warum sind die Manager_innen im britischen Finanzministerium gesünder als die Gemanagten?
Ein Hotel wurde gebaut. Viele Abfälle landeten im Umfeld der Anlage. Die schmackhaften Essensreste zogen Affen an, die im umliegenden Wald wohnten. Statt Früchte und Wurzeln zu suchen, verspeisten die Paviane fortan, was sie von den Hotelmahlzeiten frei Haus geliefert bekamen. Nach einigen Wochen erkrankten die Affen. Ein Hotelmitarbeiter holte den wenige Kilometer entfernt arbeitenden Forscher Robert Sapolsky herbei, zeigte ihm die fiebernden Tiere und bat ihn um Hilfe. Sapolksy, Professor an der Stanford Universität und Spezialist für Primaten, untersuchte einen sterbenden Pavian und stellte Tuberkulose fest. Die Affen hatten sich mit infizierten Essensresten angesteckt.
Weil es sich um Rindertuberkulose handelte, kam es nicht zur Übertragung von Affe zu Affe. Infiziert hatten sich nur diejenigen, die zur Abfallgrube vor dem Hotel aufgebrochen waren und dort gefressen hatten. Und das war keine Durchschnittsauswahl aus der Pavianherde, sondern ein ganz bestimmter Ausschnitt: nämlich ausnahmslos die dominanten und aggressivsten Männchen. Das Essen der Hotelgrube war ein Privileg, nur die Dominantesten gingen dorthin, und nur diejenigen verließen in der Früh die Herde, denen die morgige gegenseitige Fellpflege nicht so wichtig war.
Als nun diese Paviane nicht mehr da waren, änderten sich die Umgangsformen in der Affengemeinschaft. «Es blieb zwar eine Hierarchie unter den Waldhordenmännchen erhalten, aber diese war lockerer als zuvor. Aggressionen waren seltener, besonders gegenüber Dritten. Die Zahl partnerschaftlicher Interaktionen wie die Fellpflege schoss in die Höhe», schildert Sapolsky seine Forschungsergebnisse.
Sapolsky ist mit seinen Stressuntersuchungen berühmt geworden. Er interessiert sich für die Auswirkungen von sozialem Stress. Den Pavianen nahm er Blut ab und untersuchte sie auf das Stresshormon Kortisol. Er entdeckte, dass je niedriger der soziale Rang des Pavians, desto höher der Kortisolspiegel im Blut war. Tier-Mensch Vergleiche sind immer heikel. Aber später sollten diese Zusammenhänge auch bei Menschen nachgewiesen werden. Die körperliche Reaktion auf schlechten Stress ist bei Primaten nämlich gleich ausgebildet. Da gibt es einerseits die schnelle Achse über die Nervenbahnen bis zum Nebennierenmark, die mit dem Hormon Adrenalin verbunden ist. Und dann gibt es die langsamere Bahn über den Hypothalamus im Gehirn bis zur Nebennierenrinde, die mit dem Kortisol verquickt ist. Der entgleiste Kortisolhaushalt schwächt das Immunsystem, erhöht Herz-Kreislauf­erkrankungen und Depressionen. Gefühle wie Ohnmacht, Scham oder Hilflosigkeit haben unmittelbare körperliche Folgen. Andauernder schlechter Stress geht unter die Haut. Wie wirkt sich Angst um die eigene soziale Position aus, wo ringen wir um Einfluss, wie gehen wir mit Ohnmacht um, wie sind Dominanz und Demütigung vermittelt? Je stärker die soziale Schere auseinandergeht, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, andere hinunterzudrücken, um sich selbst zu erhöhen. Narzissmus und Selbstüberschätzung steigen in ungleicher werdenden Gesellschaften an. Weniger interne Aggression führte in der Pavianhorde zu weniger psychosozialem Stress – und senkte den schädlichen Kortisolspiegel bei jedem einzelnen Herdenmitglied.

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