Scharfe Kritik des Rechnungshofs an der Stadtregierung
Der Rechnungshof hat die Gemeinde Wien geprüft – mit einem katastrophalen Ergebnis: Schulden in dreistelliger Millionenhöhe wurden «versteckt», die Finanzgebarung der Stadt ist intransparent und weitgehend unkontrolliert. Derweilen schreibt die gemeinnützige Gesiba fette Gewinne …
Illu: Much
Der Rechnungshof (RH) hat Ende Februar seinen Bericht über die Finanzgebarung der Gemeinde Wien veröffentlicht – und kommt zu einem vernichtenden Urteil: Nicht nur die Verbindlichkeiten der Kommune sind drastisch gestiegen, große Schuldenbrocken wurden außerdem «versteckt». Konkret betrifft dies den Krankenanstaltenverbund KAV, Wiener Wohnen und die Kanalisation. Alle drei wurden aus der Hoheitsverwaltung ausgegliedert – und damit ihre zum Teil massiven Schulden. Besonders perfide: Die drei Institutionen haben nicht einmal (pro forma) eine eigene Rechtspersönlichkeit. Werden alle de facto zur Stadtverwaltung gehörenden Bereiche miteinbezogen, zeigt sich eine Erhöhung der Schulden zwischen 2008 und 2012 um nahezu das Doppelte – auf 7,72 Milliarden Euro!
Aber auch die Frankenkredite der Stadt haben mit der Freigabe des Franken durch die Schweizer Zentralbank im Jänner 2015 den Schuldenstand der Gemeinde um sage und schreibe 300 Milliarden erhöht. Damit aber nicht genug, kritisiert die oberste Kontrollbehörde auch die mangelhafte Transparenz und Kontrolle der Finanzflüsse innerhalb von Abteilungen, aber auch zwischen Gemeinde und ausgelagerten Unternehmen. Außerdem monierte der Rechnungshof die enorm hohen Haftungen für die Bank Austria. Diese erreichten 2012 mit 8,5 Milliarden Euro eine Höhe von 68,8 und des gesamten Haushalts und geben einen Hinweis auf die politischen Prioritäten der Stadtregierung.
GESIBA: Gemeinnützige Profitsteigerung
Aber auch die stadteigene, gemeinnützige(!) Wohnbaugesellschaft Gesiba wird im Bericht erwähnt: Sie hat, wohl doch eher eigen- als gemeinnützig Millionengewinne aus Mieteinnahmen erwirtschaftet. Der RH dazu: «Die Gesiba wendete die nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zulässigen Aufwertungen und Pauschalierungen zum Nachteil der Mieter an, weil durch diese Vorgangsweise die finanzielle Situation der Gesiba stärker als jene der Mieter begünstigt wurde.» Der Jahresüberschuss erhöhte sich von 2009 auf 2012 von 18,3 auf 25,8 Millionen Euro – und wurde nicht an die Mieter_innen weitergegeben. Gesiba wird übrigens zu 51 Prozent an der Errichtungsgesellschaft der von Häupl großspurig angekündigten Gemeindebauten beteiligt sein. Und auch auf den Steinhofgründen baut die Gesiba. Dort kämpft im Übrigen seit Jahren eine Bürger_inneninitiative gegen die Verbauung des Otto-Wagner-Areals. «‹Fair Living› ist unser Anspruch», so lesen wir auf der Gesiba-Homepage. Das gilt allerdings eher für Udo Janßen, Chef des oben bereits erwähnten KAV, der nur 370 Euro «Sozialtarif» für seine 90m²-Wohnung zahlte. Sein Einkommen beträgt 24.000 Euro im Monat.
Aber auch den Vorschlägen des Rechnungshofes ist nur teilweise zuzustimmen. Einerseits ist zwar einem mehr an Transparenz in Sachen Beteiligungen und Finanzströmen klar zuzustimmen, andererseits fordert der Bericht wiederholt eine Reduktion von Ausgaben in wichtigen Bereichen der Infrastruktur und der sozialen Daseinsvorsorge. Dies wiederum verweist auf ein Hauptproblem von Kommunalpolitik im Zeitalter des Neoliberalismus: Wenn sämtliche Aspekte der Politik, also auch solche der Sozialstaatlichkeit, des öffentlichen Verkehrs und des Wohnbaus nur noch in Geldeinheiten mess- und damit administrierbar sind, beschränkt sich die politische Steuerung letztlich auf ein Mehr oder Weniger.
Einsparungen als Allheilmittel?
Da in Zeiten der andauernden Wirtschaftskrise an ein Mehr selbstverständlich nicht zu denken ist («Wir» müssen den Gürtel enger schnallen!), verengt sich jede Reform stets auf die Reduktion von Ausgaben – und das bedeutet gerade im Sozialbereich zu 99 Prozent die Verschlechterung von Leistungen für die Bevölkerung. Rosa-Grün ist aber selbst auf der finanziellen Ebene nicht zum Gegensteuern bereit: Mit Häupls Abschied von Vermögenssteuern und der Pseudosteuerreform jedenfalls wurde wieder einmal klargestellt, dass selbst kleinste Umverteilungsmaßnahmen, die den Spielraum für eine progressive Sozialpolitik ein wenig erweitern würden, von SP-geführten Regierungen nicht zu erwarten sind. Dass der einst so kritische grüne Koalitions-Juniorpartner zu den Vorkommnissen schweigt, ist zur Kenntnis zu nehmen. Um wirkliche Alternativen jenseits des menschenfeindlichen neoliberalen Paradigmas umzusetzen, braucht es wohl – wie immer – breiten Widerstand von unten.