Verblüffender DialektArtistin

Musikarbeiter unterwegs … mit Lili und Bo Diddley ans Schwoazze Meer

Das Stimmgewitter Augustin hat eine neue Single, geschrieben und gespielt wurde sie von ­­der Band Der Schwimmer. Willkommene Gelegenheit, Der Schwimmer vorzustellen! Von Rainer Krispel (Text) und ­­Mario Lang (Foto).

Mark E. Smith von The Fall hat über «Searching For The Young Soul Rebels» von Dexy’s Midnight Runners (1980) gesagt, dass es gut ist zu wissen, es ist da, wenn du nach Hause kommst. Was sowohl für die vier Studioalben gilt, die Dexy’s seither veröffentlicht haben, als auch für viele der 29 (!!!) Alben, die Smith mit wechselnden Besetzungen seiner Post-Punk-Eingreiftruppe seit damals in die Welt gelassen hat. Und für «Schwoazzes Meer», eine wunderbare, 2014 erschienene Schallplatte (bei Early Morning Melody) von Der Schwimmer, wobei die Band selbst ihre zehn Lieder, orthografisch genau so wie folgt, zuschreibt: «der schwimmer, Abteilung Rock ’n’ Roll Musik».

Ins Schwoazze Meer und weida. Als Musikarbeiter, Lichtbildner und Stimmgewitter-Spieler_innentrainer Lang erzählt, dass die zweite Single von Songs about Liebe & Hass (#1 2014 mit Bo Candy & His Broken Hearts realisiert) mit Der Schwimmer umgesetzt wird, war die Vorfreude groß. Als die Nummern «Lili» und «Brav bleibm» zu hören waren (zu «Lili» gibt es mittlerweile ein schönes Video via www.stimmgewitter.org zu finden) hatte die Vorfreude das vom eingetretenen Ereignis erzeugte Nachsehen, so gut ist das. Das substanzielle Songwriting und das subtile musikalische Understatement von Der Schwimmer bei diesen zwei Liedern, eine subversive Auslegung von (Un-)Easy Listening, die dabei schwimmerstyle swingt und rockt, dazu on top die Sangeskunst und -brunst des Stimmgewitters – ein Match made in heaven! «Schwoazzes Meer» pickt dann (wieder) auf dem Plattenteller, eingespielt von Klaus Tschabitzer (Stimme, Gitarre, Banjo), Walter Perlmurl Lameraner (Saxophon, Stimme, Djembe …), Herbert Wiesenberger (Hammond/Moog) und dem 2016 verstorbenen Künstler und Musiker Dieter Preisl am Schlagzeug, in drei Tagen auf Schloss Schwarzenegg bei Graz. Musik mit wunderbar unmittelbarem «echtem» Sound, in der Tradition der Golden Days of direkt recorded Musik der 50er und 60er (ein Lied ist eine Hommage an Bo Diddley), der das (Zusammen-)Spiel der Musiker und den Raum, in dem sie spielten und sangen, hörbar macht. Was den großartigen Songs über «Erdäpfel mit Butter», «Die Brücke zum Mond» oder darüber «Waunn ane geht» große sinnliche Logik und Anziehungskraft verleiht, so als würde jemand, der einem gegenübersitzt, eine (schräge, poetische) Geschichte erzählen. Die Qualität der Dialektexte – Menschen, die meinen, keine solche zu mögen, dringend anempfohlen! – ist verblüffend, Dialekt hier kein Mittel neoprovinzieller Befindlichkeitsbeschau. Gesungen (und geschrieben) von dem aus der Steiermark stammenden ­Tschabitzer als Bestandteil einer zeitlosen Weltmusik (Wödmusik), mitten in der Welt, mit all deren Schrecken und Freuden, mit dem Blues, dem Rock ’n’ Roll und der Sö. Klaus‘ Neigung zu Country und die (Free-)Jazz-Basis von Walter und Herbert tun ein übriges Gutes. «Mia haum net vü zum Trinken und a net vü zum Essen. Wos ma auf den Fluss da woin, haumma längst vagessn. Ma heat kann Wind, die Sunn is haas, ka Woikn is zum seng.» («Schwoazzes Meer»)

Weiterschwimmen. Die Musikarbeiter treffen Klaus, Walter und Herbert unweit von deren räumlich überschaubarem Proberaum, ausgestattet mit einer von Letztgenanntem konstruierten Hammond-Transportleiste. Bevor es für die drei könnenden Überzeugungsmusiker mit dem jungen Drummer Flo an die Arbeit an neuem Material geht – Klaus, der die Songs mit Stimme und Gitarre vorzeichnet, spricht von «Umbau» – erzählt Tschabitzer, der neben einem Halbtagesjob kreativ arbeitet, seine Musikergeschichte nach. Von einer «Freakout Band» in Judenburg, wo er herkommt, über, in Wien, die Bands Scheffenbichler (1991–98) und Tango Boys (1996–99) hin zum 2002/2003 gestarteten Langzeitprojekt Der Schwimmer. Der Namen kommt von einem surrealen Film mit Burt Lancaster («The Swimmer», 1968). War der Schwimmer zuerst als Alleinunterhalter aufgestellt, wurde er, beginnend mit Herbert und seiner 100-kg-Orgel, wieder zur Band. Für die Single galt es ein Liebeslied – «wir sind doch eher eine Bluesband» – zu finden, der Hass ging schnell aus der Feder, wobei Klaus mit Bildern und Stimmungen arbeitet, «Ich bin, ich habe»-70er-Tagebuch-Songwriting scheut, wie Kurz soziale Gerechtigkeit. Dass Thomas Pronai, bei dem aufgenommen wurde, die Vorliebe für direktes Recording ohne Overdubs teilt, könnte schöner nicht sein. Wobei generell für Klaus Tschabitzer und Der Schwimmer gilt, dass der Weg (= die Musik) tatsächlich das Ziel ist. Und dieser Weg ist ein schöner, einmaliger. Fragt sich nur, ob und wie das Stimmgewitter mit in den Proberaum passt.

 

Der Schwimmer & ­Stimmgewitter Augustin: ­«Lili» / «Brav bleibm»

Vinyl-Single ­

(Konkord Records)

Live-Präsentation am

9. Dezember, 20 Uhr

Chelsea

www.stimmgewitter.at


Der Schwimmer live am

24. November, 19 Uhr Kunsttankstelle Ottakring

www.schwimmer.at