Verein ZARAtun & lassen

Wenn die Politik Lizenzen vergibt

Stellen Sie sich vor, ihre Hautfarbe ist lila. Sie gehen in den Supermarkt und kaufen ein. An der Kassa verweigert man Ihnen, die Sachen zu bezahlen, Sie werden weggeschickt. Nicht, weil Sie sich vielleicht daneben benommen haben, Sie haben ja ganz normal eingekauft. Nein, Sie werden weggeschickt, weil ihre Hautfarbe lila ist. Hautfarbe lila – wo gibt’s denn sowas, sagen Sie? Vielleicht gibt es keine lila Hautfarbe, aber schwarz gibt es. Diese Szene ist nicht erfunden, sondern Österreichische Realität für Menschen schwarzer Hautfarbe.Der Verein ZARA, Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, bietet umfassende Hilfe für Zeugen und Opfer von Rassismus. Rechtliche Beratung und Betreuung, Schulungen, Strategien für den Umgang mit Rassismus im Alltag, sowie die systematische Dokumentation rassistischer Diskriminierung gehören zum Angebot des Vereins, das kostenlos in Anspruch genommen werden kann. Das Team setzt sich aus juristisch und sozial geschulten MitarbeiterInnen zusammen.

Während der Verein ZARA noch sehr jung ist, er wurde Anfang des Jahres gegründet, können die MitarbeiterInnen schon auf einige Jahre Erfahrung im Bereich Anti-Rassismus-Arbeit zurückgreifen. Das Team lernte sich bei der Anti-Rassismus-Hotline der Organisation Helping Hands kennen.

„Im letzten Jahr meines Studiums habe ich bei einem Seminar eine Analyse der Bescheide der MA 62 gemacht,“ erzählt Mag.a Verena Krausneker, Sprachwissenschaftlerin und Vereinsmitbegründerin. „Das sind Bescheide, die ausgestellt werden, wenn Leute um Aufenthaltsgenehmigung ansuchen. Die MA 62 wurde inzwischen abgelöst, aber damals gab es sie noch. Diese Texte habe ich diskursanalytisch untersucht und mir angesehen, wie die Begründungen für ablehnende Bescheide lauten.“

Verena Krausneker stellte fest, daß die Mehrheit der Bescheide, die sie anonymisiert von Helping Hands bekommen hatte, nachweisbar tendenziell rassistisch waren. Textbausteine, die in der Begründung erwähnen, wieviele Österreicher im Moment arbeitslos sind oder auf der Suche nach einer Wohnung, erwachsen einem rassistischen Hintergrund, denn damit wird impliziert, daß AusländerInnen ÖsterreicherInnen Arbeitsplätze und Wohnungen wegnehmen. Auch mangelnde österreichische Sitten und Gebräuche wurden als Begründung für eine Ablehnung genannt. Allesamt Argumente, die nichts damit zu tun haben, ob jemand hier Aufenthalt bekommt oder nicht.

„Ich habe diese Begründungen auch verglichen,“ so Krausneker weiter. „Denn es gibt eine Liste mit den häufigsten Vorurteilen gegenüber Ausländern. Ganz viele dieser Punkte auf der Liste kamen in den Bescheiden ‚veramtsdeutscht‘ wieder vor. Klassisch für diese Bescheide ist auch, daß die Behörde im Text quasi unsichtbar ist, obwohl sie ja die Akteurin ist, denn sie sagt, was geschieht. Es gibt keinen Sprecher oder Sprecherin und die Beamten, also die, die den Text ja geschrieben haben, kommen sowieso nicht vor.“

Verena Krausneker publizierte diese Seminararbeit. Verschiedene Organisationen, auch Helping Hands, die in ihrer Beratungstätigkeit ständig mit diesen Bescheiden konfrontiert waren, hatten endlich den ersehnten Beweis in der Hand, der belegte, daß hier amtlich rassistisch argumentiert und agiert wurde.

Kurze Zeit später wurde Helping Hands das Projekt Anti-Rassismus-Hotline durch die EU ermöglicht und Verena Krausneker gebeten, diese mitaufzubauen. Eineinhalb Jahre kümmerte sie sich dort um alles, was nicht primär juristisch anzugehen war.

„Helping Hands hatte zwar jahrelang fremdenrechtliche Beratung gemacht, aber die Idee der Hotline war, die Probleme jenseits rein juristischer Angelegenheiten aufzugreifen,“ erzählt sie über ihre Anfänge bei Helping Hands. „Und wir hatten keine Ahnung, ob sowas funktionieren kann und außerdem gab es zu dem Zeitpunkt überhaupt keine Erfahrungswerte.“

Das Konzept ging auf, in kürzester Zeit war die Anti-Rassismus-Hotline völlig überlaufen. Verena Krausneker: „Es ist eine schreckliche Sache, wenn Du gefragt wirst: na, rennt’s gut? Ich meine, was heißt das, wenn wir am Tag unzählige Anrufe bekommen!“

Nach etwa zwei Jahren entließ Helping Hands aus finanziellen Gründen nacheinander das gesamte Team der Hotline. Zwar fanden alle sofort wieder interessante Aufgaben in dem Bereich Anti-Diskriminierung, Anti-Rassismus, trotzdem beschloß die Gruppe, das erworbene Wissen, die Fähigkeiten und Erfahrungen aus der Beratungstätigkeit nicht einfach brach liegen zu lassen: Der Verein ZARA wurde gegründet. SOS-Mitmensch entrümpelte sein Lagerkammerl und nahm die engagierte Truppe in der Nähe Mariahilferstraße auf. An vier Tagen hat das Büro nun seit Jänner offen, die MitarbeiterInnen machen abwechselnd Dienst.

Die Beratungstätigkeit reicht von ganz konkreten juristischen Hilfestellungen, wie Anzeigen und Beschwerden, Begleitung beim Abholen von Polizeiprotokollen oder zum Gericht, bis hin zu kommunikativen Vorschlägen, wie im Alltag Rassismus begegnet werden kann. Manchmal ist es für Betroffene wichtig herauszufinden, ob rechtliche Schritte überhaupt möglich sind. Manchmal geht es um einen warnenden Brief. Bei Fällen von Diskriminierung am Arbeitplatz z.B. kann ein Brief an die Firma hilfreich sein. Die Erfahrung zeigt, daß es hier besonders wichtig ist, daß die betroffene Person anonym bleibt, denn in der Regel bedeutet eine Beschwerde gleich Verlust des Arbeitsplatzes. Ein Brief von ZARA läßt die Firma merken, daß da noch jemand anderer ein Auge drauf hat. Und die Firma hat in der Regel Angst vor schlechter Presse.

„Natürlich gibt es Situationen, die sich nicht lösen lassen,“ gibt Krausneker zu. „Aber es ist schon was, wenn wir uns darum bemühen. Oft ist es so, wenn die Leute bei uns anrufen, dann ist das die fünfte Nummer, die sie probiert haben, weil sich niemand zuständig fühlt.“

Ein wichtiger Teil der Tätigkeit von ZARA ist die Dokumentation aller Vorfälle. Einerseits stellt es für viele Betroffene eine Erleichterung dar, wenn ihr Erlebnis aus dem privaten Bereich herausgenommen wird, wenn Betroffene merken, daß ihre Geschichte ernst genommen wird. Andererseits geht es dabei auch um geamtgesellschaftliche Zusammenhänge.

„Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem,“ so Verena Krausneker. „Es drückt sich eben meistens am Rücken von Einzelpersonen aus. Wir sammeln, dokumentieren und publizieren alle Vorfälle, anonym natürlich, und können somit ein halbwegs realistisches Bild für die Gesellschaft in der Gesellschaft sichtbar machen. Auch das gehört zu unseren Aufgaben.“

Vergleichbare Initiativen in anderen Ländern gibt es genug. Anti-Rassismus-Hotlines und Beratungsstellen sind je nach rechtlicher Ausgangssituation unterschiedlich organisiert. Großes Vorbild ist England, denn dort ist die Beschwerdestelle, die Comission for Racial Equality, eine staatliche Einrichtung, mit einem offiziellen Auftrag, aktiv zu werden und wenn nötig auch gegen andere staatliche Einrichtungen vorzugehen. Wo es ein Antidiskriminierungsgesetz gibt, wo rassistische Diskriminierung definiert und explizit verboten ist, dort gibt es ganz andere Möglichkeiten dafür Sorge tragen, daß dieses Gesetz auch eingehalten wird.

„Bei uns kannst du jeden Tag in der Zeitung lesen: Wohnungen oder Jobs nur für Inländer,“ bemerkt Verena Krausneker. „Das wäre in England undenkbar.“

Ein Antidiskriminierungsgesetz für Österreich scheint derzeit aussichtsloser als je zuvor.

„Es ist selten beweisbar, was die FPÖ in der Gesellschaft bewirkt,“ so Verena Krausneker. „Viele unserer AnruferInnen erzählen, daß es seit den Wahlplakaten schlimmer geworden ist. Und in Wien bedeutet das: vor allem für Schwarze. Ich höre das von Leuten, die schon zehn, fünfzehn Jahre in Wien leben. Die Bevölkerung traut sich Menschen schwarzer Hautfarbe völlig grundlos zu beschimpfen und zu beschuldigen. Ich meine: woher bekommen sie diese Lizenz plötzlich, wildfremde Personen als Drogendealer zu beschimpfen?“

Als es hieß, die EU-Rassismus-Beobachtungsstelle kommt nach Wien, hatte auch die Gruppe um ZARA große Hoffnungen, es könnte sich mit EU-Unterstützung einiges verändern.

„Wir haben uns anfangs viel erwartet,“ so Krausneker. „Wir haben geglaubt, daß so eine Beobachtungsstelle auf NGO’s (Nichtregierungsorganisation, Anm.) im Land zurückgreift und auf Ressourcen, die nur diese NGO’s haben können. Aber das ist anscheinend überhaupt nicht der Plan. Sie haben unsere Berichte bekommen und sie geben unsere Telefonnummer weiter, denn sie kümmern sich nicht um Einzelpersonen. Wir werden sehen.“

Mit dem Ziel potenzielle MitarbeiterInnen für ZARA zu gewinnen, organisierte der Verein einen Anti-Rassismus-Lehrgang in Wien. Der Kurs, bestehend aus den Fächern Sicherheitspolizeigesetz, Aufenthaltsrecht, Psychohygiene, Kommunikation in Beratungssituationen u.a., war so erfolgreich und die Nachfrage so groß, daß es aller Voraussicht nach im Herbst einen Fortsetzungskurs geben wird. Da ZARA momentan auf Spendengelder angewiesen ist und alle MitarbeiterInnen derzeit ehrenamtlich Dienst tun, ist es besonders wichtig, aus einem Pool an Arbeitskräften schöpfen zu können, damit trotz finanzieller Nöte der Betrieb aufrechterhalten bleiben kann.

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