An die Ränder, in die Nischen

Augustinerin Mareike Boysen

Ich bin Autorin und Journalistin und habe mich unter anderem auf Sport spezialisiert, was automatisch ein Engagement für Gleichberechtigung mit sich bringt. Der Verein Wir Frauen im Sport, den ich mitgegründet habe, hat die Zahlen erhoben: In den österreichischen Sportredaktionen liegt der Redakteurinnen-Anteil bei unter zehn Prozent.

Foto: Nina Strasser

Seit April schreibe ich für den AUGUSTIN, porträtiere medial ansonsten vernachlässigte Sportarten und andere gesellschaftliche Missstände. Der AUGUSTIN begleitet mich aber schon seit meinem ersten Semester in Wien, und zwar mindestens in Form des Kultkalenders, der einen festen Platz in den Küchen jeder meiner Student_innen-WGs hatte.

Mit 15 Jahren habe ich bei der Regionalzeitung angefangen und mich, glaube ich, dadurch ausgezeichnet, dass man mich zum Vereinstreffen der Ortsgruppe der Kleinsäuger schicken konnte und ich hinterher argumentiert habe, warum das für jeden gesellschaftskritischen Geist das Event des Jahres darstellen sollte. Es ist doch eine der Aufgaben von Journalist_innen, auch in Begebenheiten, die zuerst langweilig erscheinen, das Berichtenswerte zu entdecken.

Im Roman, an dem ich gerade schreibe, geht es mir, grob zusammengefasst, um die transgenerationale Weitergabe von Kriegserfahrungen. Das Thema beschäftigt mich schon lange. Vor einem Monat bin ich in den 20. Bezirk an den Augarten gezogen und blicke nun vom Schreibtisch auf einen der Flaktürme. Ich glaube, das ist der passende Ort für mich.

Ab 26. September leite ich mittwochs zwischen 16 und 17.30 Uhr einen Schreibkurs für 12- bis 15-Jährige an der Volkshochschule Brigittenau, für den man sich noch anmelden kann. Meine Intention ist, die Jugendlichen dazu zu befähigen, ihre literarische Stimme zu finden und auszubilden. Im englischen Sprachraum ist Creative Writing, also Kreatives Schreiben, ein etabliertes Fach an Highschools und Universitäten. Solche Angebote fehlen in Österreich und auch Deutschland sehr. Als Jugendliche hätte ich das selbst gebraucht: Feedback zu meinen Texten.

Worum es mir außerdem geht, ist, dass man als Teenager all diese existenziellen Fragen und Sorgen mit sich herumträgt und meist von Erwachsenen nicht ernst genommen wird in dem, was man empfindet. Dafür einen Filter zu finden, für die eigene Wahrnehmung eine Ernsthaftigkeit zu beanspruchen und letztlich ein Publikum zu haben, das muss für die Jugendlichen möglich werden. Die eigene Geschichte selbst erzählen zu können, darum geht es.

Deswegen finde ich am AUGUSTIN großartig, dass er es schafft, den journalistischen Teil über harte Lebensrealitäten mit dem Dichter_innenteil zu verbinden. Weil der über die künstlerische Freiheit den Einzelnen das existenzielle Recht zugesteht, ihre Geschichte selbst zu schreiben, statt nur von anderen gesehen und beschrieben zu werden. Das unterscheidet den AUGUSTIN sehr von anderen Medien. Schön wäre nur, wenn es mehr Platz für Sozialreportagen gäbe. Die Redaktion sollte noch mehr

hinausgehen, sich an die Ränder wagen und in die Nischen setzen.

Protokoll: Ruth Weismann

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