Herbert

«Ich hab als Tierpfleger gearbeitet»

U4 Station Meidling

Ich bin offiziell selbständig und zahle daher auch monatlich in die Kranken- und Sozialversicherung ein. Ich hätte zwar Anspruch auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung, aber verzichte nunmehr freiwillig darauf, weil ich mich nicht einschränken lassen möchte. Die Mindestsicherung ist mit verpflichtenden Kursen verbunden, auch im Advent, der besten Zeit zum Zeitungverkaufen. Davon abgesehen verrichte ich auch Arbeiten als Tagelöhner. Ohne Mindestsicherung ist für mich alles einfacher.

2008 bin ich zum Augustin gekommen, das ist jetzt mein Hauptjob, wenn man so will. Vorher habe ich alles Mögliche gemacht. Als Tierpfleger gearbeitet, bin beim Bund gewesen, am meisten Spaß hat mir die Arbeit als Marktgehilfe bereitet, ich habe nämlich gerne mit Menschen zu tun.

Im Prinzip verkaufe ich jeden Tag den Augustin, ich brauche das Geld, denn ich habe, nach einem Leben auf der Straße und in Männerheimen nun ein fixes Zimmer. Das ist relativ teuer, aber etwas Leistbares zu finden, ist schwierig geworden. Fünf Jahre muss ich noch durchhalten, bis ich in Pension gehen kann. Ich verkaufe den Augustin in Meidling, bei der U4-Station, dort ist viel los, dort sind auch viele Szenen anzutreffen: andere Straßenzeitungsverkäufer, Bettler und Giftler.

Aufgewachsen bin ich in Niederösterreich, aber nach der Handelsschule gleich nach Wien abgehauen, wo ich jetzt mit nur einer kurzen Unterbrechung seit rund 40 Jahren lebe. Mittlerweile bin ich eher zum Einzelgänger geworden. Bei der Augustin-Tischtennistruppe kann ich wegen Lungenbeschwerden nicht mehr mitspielen, dabei war ich als Jugendlicher bei einem Verein, der damals die Bundesliga gewonnen hat. Mit dem Musizieren habe ich auch aufgehört, nachdem mein Akkordeon den Fluten zum Opfer gefallen ist. Ich hatte es bei meiner Mutter, die am Kamp lebte, aufbewahrt, doch das Haus wurde bei einem großen Hochwasser überschwemmt. Ich spielte in einer Tanzkapelle, also Oldies und Schlager, dadurch bin ich auch viel herumgekommen, aber es ist auch anstrengend gewesen. Heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, Akkordeon zu spielen. Für mich kommt nämlich nur das Spielen nach Noten infrage, und das braucht Übung. Auf Konzerte gehe ich sehr wohl, auch zu Lesungen.

Eines möchte ich noch loswerden, nämlich den Menschen, die mir regelmäßig den Augustin abkaufen, Danke zu sagen, aber auch den Geschäftsleuten bei meinem Verkaufsplatz: Ich kann bei ihnen meine Sachen deponieren.

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