Meine gedruckte Welt

Augustin-Liebhaber Walter Famler

Ich verdanke gedruckten Medien meine Definition von Welt. Medien, die über die sozialdemokratische Bildungsbewegung zu mir gekommen sind.Mein Herkunftsmilieu würde ich als ländliches Proletariat bezeichnen. Die Buchdrucker und Schriftsetzer, mit denen ich als Gymnasiast und Schüleraktivist in der oberösterreichischen Gewerkschaftsjugend verankert gewesen bin, haben mich in Druckereien geführt. Später in Wien bin ich gerne in die Vorwärts-Druckerei und zum Globus-Verlag gegangen, also in ein direktes und handfestes Umfeld: Man hat dort etwas gerochen und es ist laut gewesen – dem Bleisatz hänge ich heute noch nach. Dass dieses Direkte und Sichtbare mit der Digitalisierung weggefallen ist, beschäftigt mich. Wenn Leute nichts mehr angreifen wollen, werden sie auch wohl nichts mehr begreifen. Sie werden dann auch keinen Angriff auf die Herrschaftsverhältnisse starten. Die digitale Welt steht auch für einen völlig anderen Kosmos, somit ist es notwendig, dass in öffentlichen Räumen eine ‹Normalität› herrscht, wo die Menschen etwas begreifen können. Nur noch im Internet erscheinen wäre der Tod einer Zeitung: Eine Zeitung muss physisch vorhanden sein! Fällt das weg, begeben wir uns in eine Zombie-Welt hinein. Daher ist der AUGUSTIN für mich ein wesentlicher Beitrag zur Anti-Zombiesierung und ein unerlässliches Medium in dieser Stadt. Deswegen bin ich auch AUGUSTIN-Liebhaber geworden.

Der AUGUSTIN hat sich in den letzten Jahren eindeutig grafisch verbessert, er ist luftiger und somit leichter rezipierbar geworden. Man merkt auch den Generationswechsel in der Redaktion, so wird beispielsweise gegendert. Ich verstehe sehr wohl die Genderdebatte, bin aber trotzdem noch immer der Meinung, dass es sich bezüglich Gesellschaft primär nicht um Geschlechter-, sondern um Klassenfragen handelt. Wir haben eine romantische Idee von einer proletarischen Intelligenz gehabt, doch die Klassenstruktur reproduziert sich weiter, auch durch Bildung.

Ich schäme mich weder meines Dialekts noch meiner sozialen Herkunft und würde von mir behaupten, ein Klassenbewusstsein zu haben, weil ich weiß, woher ich komme. Ich war der Erste aus meinem ländlich-proletarischen Umfeld, der eine Universität von innen gesehen hat, habe aber das Privileg, einen akademischen Titel zu erreichen, nicht in Anspruch genommen, weil ich dieses akademische Milieu nicht ausgehalten habe. Ich glaube bis heute, dass der primäre Zweck und das primäre Ergebnis von Universitäten die Produktion von Standesdünkel ist. Akademischen Eliten gegenüber bin ich skeptisch, als Generalsekretär des Kunstvereins Alte Schmiede und als Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Wespennest habe ich aber regelmäßigen Umgang mit ihnen.

Näheres zum Projekt: AUGUSTIN-Liebhaber_innen

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