Michael

Deutschkurs ohne Blabla

U3-Station Johnstraße

Wegen des Studiums bin ich in Wien gelandet. Ich möchte hier den Master in Geographie machen, nachdem ich in Nigeria mit dem Bachelor abgeschlossen habe. Ursprünglich wollte ich ja nach England gehen, doch ich konnte es mir nicht leisten bzw. die finanzielle Unterstützung meiner Mutter hätte dafür nicht gereicht. Übrigens, mein Vater ist gestorben als ich noch ein kleiner Bub gewesen bin.

Also, mir wurde Wien empfohlen – und ich muss gestehen, ich habe zunächst «Austria» mit «Australia» verwechselt. Gut, Austria. Die Studiengebühren hier sind für mich leistbar, aber bevor ich mit dem Masterstudium beginnen kann, muss ich noch besser Deutsch lernen, denn es wird nicht auf Englisch gelehrt. Daher besuche ich auch auf der Universität Deutsch-Kurse.

Ich finde es außerordentlich wichtig, Deutsch zu erlernen, wenn man hier leben möchte. Ich musste schon zusehen, wie Studierende sich per SMS Übersetzungshilfe geholt haben, weil ihr Deutsch nicht ausreichte, um sich für Lehrveranstaltungen einzuschreiben. – Das ist ein Wahnsinn! Deswegen arbeite ich auch bei der Hilfsorganisation «Future 4» mit, um beispielsweise Deutschkurse zu organisieren. Ursprünglich sollten diese kostenlos sein, doch wir haben uns dafür entschieden, wenigstens zehn Euro Einschreibgebühr zu verlangen, denn alles, was gratis ist, ist auch nichts wert. Unterrichtsräume sind schon organisiert, aber wir bräuchten noch mehr als die zwei Lehrer, die wir bis dato haben. Weil wir kein angemessenes Honorar bezahlen können, müssten es Menschen mit Hilfsbereitschaft sein, ich denke dabei beispielsweise an pensionierte Lehrer und Lehrerinnen, denn die haben viel Erfahrung und sind oft nicht auf Bezahlung angewiesen. Wichtig ist uns dabei, dass es einen seriösen Unterricht gibt und nicht nur über Hobbys und ähnliches Blabla gesprochen wird, sondern über aktuelle Themen, über das Tagesgeschehen.

Als Straßenzeitungsverkäufer bin ich mein eigener Herr und sehe mich als Geschäftsmann, was mir sehr wichtig ist. Ich kaufe Zeitungen an und verkaufen sie weiter – bei freier Zeiteinteilung. Ich habe damit bei der «Bunten Zeitung» (Vorgängerin von «Global Player, Anm.) begonnen, doch seit drei, vier Jahren verkaufe ich den Augustin, u.z. in einer Passage der U3-Station Johnstraße.

Ob ich nach dem Master in Wien bleiben möchte? Ehrlich gesagt habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass ich in Wien unbedingt sterben möchte, aber ich finde Wien ganz in Ordnung, denn es ist eine moderne Stadt, nicht so wie Klagenfurt, wo eine Familie, die aus einem Auto gestiegen ist, staunte, weil ihnen ein Schwarzer gegenüber gestanden ist. – So etwas passiert in Wien nicht.

Info: Sollten Sie Interesse daran haben, im Rahmen des Projekts «Wir sprechen Deutsch» der Organisation «Future 4» Sprachunterricht zu geben: www.future4.at
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