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In der Steiermark wird der Regress in der Sozialhilfe und in der Pflege wieder eingeführt. Das wirkt wie eine Vermögenssteuer auf Arme und die Mittelschichten. Während vermögensbezogene Steuern als Beitrag der obersten, reichsten 10 Prozent nicht eingeführt werden, ist es offenbar kein Problem, die mittleren und unteren Haushalte mittels Regress voll zu belasten.In seiner Familie mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert zu werden, kann jeder und jedem passieren. Trotzdem wird Pflege weitgehend als privates Risiko betrachtet, für das jeder selbst aufzukommen hat.
Nirgendwo im Sozialsystem gibt es so hohe Selbstbehalte, nirgendwo wird so rigoros auf das eigene Vermögen und das der Angehörigen gegriffen, wie im Pflegefall. Wird im Krankenhaus noch auf hohem Niveau für uns gesorgt, sind wir gelten wir als «austherapiert» auf uns allein gestellt oder werden im Alter zum Fall für die Sozialhilfe. Jetzt schon leben 60.000 Menschen mit Pflegebedarf in der Sozialhilfe. Würde dasselbe System bei Krankheit gelten, würde ein Beinbruch oder eine schwere Krankheit uns sofort zu SozialhilfeempfängerInnen machen. Der Systemfehler in der Pflegefinanzierung führt zur immensen Belastung mittlerer und unterer Einkommen; die vorhandene Pflegelücke in den mobilen und teilstationären Diensten zur automatischen Heimpflege. Wer Vermögen nicht besteuert, muss vom Mittelstand abwärts weiter die letzten Ersparnisse einkassieren. Und wer Pflege nicht als großes Lebensrisiko sieht, muss Betroffene im Risikofall zu SozialhilfeklientInnen machen.
Auch in der Sozialhilfe war die Aufhebung des Regresses ein sozialpolitischer Fortschritt, da er keine Hilfe für die Betroffenen und ihre Familien zur sozialen Integration darstellte. Wenn es jemand wieder schafft, zu Einkommen und Arbeit zu kommen, ist es nicht klug, ihn und seine Familie mittels Regress dafür wieder zu bestrafen. In der Umsetzung der Mindestsicherung orientieren sich viele Bundesländer an der schlechtestmöglichen Auslegung oder brechen den Mindestsicherungsvertrag wie die Steiermark.
Unausweichlich sind Reformen im Dschungel des föderalen Systems mit seinen neunmal unterschiedlichsten Regelungen, die in vielen Fällen sachlich nicht begründbar sind. Alle BürgerInnen zahlen österreichweit Steuern und Abgaben, bekommen dann aber je nach Bundesland bessere oder schlechtere Leistungen dafür. Fangen wir gleich bei der Sozialhilfe und ihrem Vollzug auf den Ämtern an. Je nach Bundesland, je nach Bezirk, je nach Gemeinde herrschen andere und häufig willkürliche Vollzugspraktiken. Dieselben Fragen stellen sich in den neun unterschiedlichen Jugendwohlfahrtsgesetzen oder den neunmal unterschiedlichen Kosten für dieselbe Pflegedienstleistung. Für ein und dieselbe Leistung zahlt man um bis zu 42 Prozent mehr, nur weil man im falschen Bundesland lebt.
Kleinere und mittlere Einkommen dürfen all ihre Ersparnisse für das Altenheim ausgeben, während die großen Vermögen entsteuert werden und sich gleichzeitig mit ihren Ressourcen die bessere Pflege wählen können. Pflegebedürftigkeit ist neben Krankheit und Arbeitslosigkeit zum großen Lebensrisiko geworden, das allerdings in Österreich nicht über solidarische Sicherungssysteme abgesichert ist. Der Regress ist darauf die falsche Antwort.