Verquere Nachbar_innenschafttun & lassen

Am 2. April hat der Verein WUK einen Mietvertrag mit der Stadt Wien unterzeichnet. Seither wird gestritten. Es geht um feministische Autonomieansprüche, unnachhaltige Stadtpolitik und die Sicherung eines der wichtigsten kulturellen Zentren Wiens.

Text: Barbara Eder

Eigentlich hatte alles so gut begonnen: Im Herbst 1981 besetzten die Mitglieder des Vereins zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser die Räumlichkeiten des zum Abriss bestimmten Technologischen Gewerbemuseums (TGM) in der ehemaligen Lokomotivfabrik in der Wiener Währinger Straße 59 – und erhielten ohne lang andauerndes Prozedere schon nach wenigen Tagen den Gebäudeschlüssel. Unter den Besetzer_innen befanden sich nicht nur Sozialarbeiter_innen, Künstler_innen, Studierende und Pensionist_innen, die aus dem 1855 errichteten Gebäudekomplex in nicht einmal 40 Jahren eines der größten autonom verwalteten Kultur- und Bildungszentren Europas machen sollten; abseits vom Gros der «WUKler_innen» reklamierten die Mitglieder des Vereins Kommunikationszentrum für Frauen, der heute als FrauenLesbenMädchenZentrum Wien (FZ) weit über die feministische Szene hinaus bekannt ist, die Räumlichkeiten auf Stiege 6 für sich. Diese wurden in Selbstverwaltung renoviert und werden bis heute durch zahlreiche Frauengruppen – vom Aktionskomitee des Frauenstreiks bis hin zu feministischen DJanes – genutzt; mit dem Anspruch auf eine Autonomie, die sich unter veränderten Bedingungen nur teilweise aufrechterhalten ließe.

Autonome Stiege 6.

«Wir hatten noch vor dem Verein WUK den Schlüssel für die Räume auf Stiege 6. Und wir bestehen darauf, unabhängig davon zu agieren und auch so behandelt zu werden», sagen zwei Mitbegründerinnen des FZ im Gespräch mit dem AUGUSTIN. Darauf insistieren sie zu einem Zeitpunkt, als der Mietvertrag des WUK mit der Stadt Wien bereits unterschrieben ist.
Vereinsobfrau Ute Fragner und Kassierin Josefine Liebe haben diesen in Vertretung für die WUK-Generalversammlung am 2. April 2020 unterzeichnet und anschließend nachverhandelt. Aus freien Stücken zustande gekommen ist er jedoch nicht: Aufgrund von fehlender Konformität mit Brandschutzbestimmungen und Barrierefreiheit braucht es bauliche Veränderungen ebenso wie eine Generalsanierung des gesamten Areals, die Übernahme der dafür anfallenden Kosten von rund 22,38 Mio. Euro knüpft die Stadt Wien an einen gültigen Mietvertrag.
Das FZ, das zu den unsubventionierten Initiativen vor Ort gehört und sich die anfallenden Mietkosten nicht leisten könnte, wurde im Zuge einer Korrespondenz mit der Stadträtin für Frauen und Wohnbau, Kathrin Gaál, dazu aufgefordert, sich dem Verein WUK zu unterstellen; das Frauenkollektiv, dessen Mitglieder in einem gesonderten Schreiben vom 9. Juni auf die Existenz eines konkludenten Mietvertrags mit der Stadt Wien ebenso hingewiesen haben wie darauf, die Mietkosten in Form von Arbeitsstunden für Reparatur und Instandhaltung der Räumlichkeiten kontinuierlich zu erbringen, erhielten keine Antwort. Von den «frauensolidarischen Grüßen» der damaligen SPÖ-Bundesfrauengeschäfts­führerin Andrea Mautz-Leopold, die dem FZ zum dreißigjährigen Bestehen noch in der Zeitschrift The Gap gratulierte, scheint wenig übrig: Zuletzt suchten die FZ-Frauen am 2. Juli das Gespräch mit der SPÖ-Stadträtin, geendet hat dieser Versuch hinter verschlossener Tür – mit der Räumung von rund 15 Frauen durch Rathauswache und Polizei.

Hundert Schilling Miete.

«Es ist keineswegs so, dass wir die Position der FZ-Frauen nicht verstehen würden», sagt WUK-Kassierin Josefine Liebe, die bei den Nachverhandlungen des Mietvertrags dessen Dauer von ursprünglich zwanzig auf dreißig Jahre ausdehnen konnte, «wir bemühen uns um Solidarität.» Bislang wurden die Kosten für Strom, Müllabfuhr und Heizung für Stiege 6 seitens des WUK übernommen, und auch im Fall der künftig anfallenden Mietkosten wäre man offen für Lösungen, die die Existenz des FZ vor Ort sicherstellten. Eine mögliche Kostenbeteiligung des Vereins WUK solle die Autonomie des FZ keineswegs beschränken, meint Liebe, nicht alle am Areal in der Währinger Straße sind zwangsläufig auch Vereinsmitglieder. Denkbar wäre etwa auch ein gesonderter Mietvertrag für die Räumlichkeiten auf Stiege 6 mit expliziter Zweckwidmung für den Verein Frauenzentrum – eine Lösung, die bereits vor zwanzig Jahren im Gespräch war.
Damals hätte die Stadt Wien sich noch mit einem symbolischen Betrag von hundert Schilling pro Jahr für das rund 12.000 Quadratmeter große Areal im Alsergrund zufriedengegeben; demnächst ist ein Gespräch zwischen WUK-Vorstand, FZ-Frauen und SPÖ-Bezirksvorsteherin Saya Ahmad geplant.

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