Versöhnung statt Strafetun & lassen

Im Häferl steht die Vision der gefängnisfreien Gesellschaft zur Debatte

Die Gefängnisse sind voll. Der Diskurs über die Möglichkeit einer gefängnislosen Gesellschaft scheint vom Zeitgeist erstickt zu sein. Der Augustin scheint mit einer verstockten Beharrlichkeit gegen den Strom zu schwimmen, wenn er den Sinn des staatlichen Strafens grundsätzlich in Frage stelllt und Alternativen dazu in die (fehlende!) Debatte wirft, die weit über die bloß reformerische Forderung nach mehr Menschlichkeit im Strafvollzug hinausgehen. Umso erfreulicher, wenn auch anderswo über die Utopie der Zukunft ohne Gefängnisse palavert wird.

Was tut der Rechtsstaat mit Delinquenten und verhaltensschwierigen Mitbürgern? Er sperrt sie weg. Viel zu oft und unter Bedingungen, die er selbst nicht mehr menschenwürdig gestalten kann. Dass es nicht nur anders gehen müsste, sondern auch anders geht, werden beim kommenden Jour fixe des Häferl, eines Kommunikationszentrums für FreigängerInnen und Haftentlassene im 6. Bezirk, drei Experten darlegen, die schon ein Berufsleben lang Erfahrung mit therapeutischem und problemlösendem Umgang mit Delinquenz sammeln: Univ. Doz. Dr. Arno Pilgram, Dr. Eduard Watzke und Dr. Christian Lehner.

Pilgram ist Federführender Rechtswissenschaftler der Kriminalpolitischen Initiative und ein unermüdlicher Rechtspublizist, der seit Jahrzehnten an Hand akribischer Gesamterhebungen und deren sorgfältiger Analyse nachweist, welche Veränderungen im Strafrecht dringend notwendig wären, und der sensibel auslotet, was davon sofort auch praktisch umgesetzt werden könnte. Watzke ist Therapeut, Mediator und Kenner von Kulturen, deren Gefüge versöhnend statt strafend funktioniert (besondere Betonung auf dem letzten Verb!). Lehner ist Österreichischer Amtsarzt, der etliche Jahre in einer Kultur tätig war, die weder Gefängnisse noch psychiatrische Anstalten kennt. Er ist Verfasser des Buches Die Heiler von Samoa. Seine berufliche Pflicht schließt auch die Anordnung und Begleitung von Zwangseinweisungen ein. Es braucht nicht betont zu werden, welche Ausnahmepersönlichkeit es erfordert, eine solche Aufgabe mit dem Wissen und der ärztlichen Kunst zweier völlig verschiedener Kulturen zu erfüllen.