Versponnen die eigenen Wege gehenArtistin

Mit den richtigen Idolen an der Wand kann nicht viel schief gehen: Nicolas Robert Lang (Foto: © Jana Madzigon)

Er studiert Blockflöte und Kontrabass und hat das Kapital für sein Album in der Millionenshow gewonnen. Mit seinem Debut «Abendmahl südlich von Rimini» präsentiert Nicolas Robert Lang provokante Lyrik im poppigen Musikgewand.

Nicolas Robert Lang ist 1999 ausgerechnet am 28. Dezember geboren, dem katholischen «Fest der unschuldigen Kinder». An den Kindermord des König Herodes vor 2000 Jahren soll erinnert werden – die aktuellen Verbrechen der Kirche an hunderttausenden Kinderseelen werden nach wie vor lieber unter den langen schwarzen Mantelkleidern des Schweigens versteckt. «Wer nicht denken will, muss glauben, wer nicht glauben will, muss fühlen. Am besten fühlst du die zarte Hand von Pater Korbinian, der greift dir unters Ministrantengewand, um wie der Heilige Geist in dich einzufahr’n.»
In «Geschichten aus der Sakristei», dem Opener seines textlich wie musikalisch abwechslungsreichen Debüt-Albums Abendmahl südlich von Rimini startet der junge Wiener Musiker Nicolas Robert Lang mit drastischem Text zu eher harmloser Melodik im Stil älterer Protestsongs. Dabei findet er diesen Begriff für sich selbst gar nicht passend, wie er erzählt. «Protestlieder dienen oft nur einem vermeintlichen Zusammengehörigkeitsgefühl. Wenn zweihundert privilegierte Jugendliche bei einem SJ-Seminar gemeinsam die Internationale singen, dann ist das zwar ganz nett, aber ein Protestlied vom Protest zu entkoppeln ist eigentlich sinnlos. Ich finde es spannender, die eigentlich inhaltsbefreite Popmusik mit Inhalten zu füllen.»

Kein Tag ohne Beatles

Aufgewachsen ist Lang in Vöcklabruck, die Eltern sind Kommunist:innen, eigene (schlechte) Erfahrungen mit dem Katholizismus gibt es nicht. Aber viel Wissen um kirchliche Machtstrukturen, und auch positive Inspirationen aus der Bibel. «Gehen Recht und Gerechtigkeit zusammen? Das ist ein Thema, das uns immer beschäftigen sollte.»
Musikalisch begann alles mit einer Blockflöte, die sogar neben dem Kontrabass als zweites Studieninstrument erhalten blieb. Klingt kreuzbrav? «Seits dem Chef sein Buam ans Kreuz gnagelt ham, san wir beim nageln stets ernst und sehr fromm. Wir tun halt gern beten und pudern und haun’ – Männer und Kinder, Viecher und Frau’n.»
Die Liebe zu Georg Kreisler ist erkennbar, mit Vorbildern tut sich Nicolas Lang aber schwer. Musikalisch ist es der Hard-Rock (er spielt selbst auch E-Gitarre) und amerikanische Singer Songwriter, wie Joni Mitchell oder Paul Simon. Und: «Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht die Beatles höre.» Er mag Roland Neuwirth und Arik Brauer, geht aber textlich zwischen plakativ und lyrisch versponnen seine eigenen Wege. Es gibt schöne Bilder, wie der nach den Mysterien der Welt Suchende, der sie vielleicht «halberts ang’frorn im November in an reifbedeckten Blaukrautfeld» entschlüsselt und weise Feststellungen: «Die Bus­chauffeurin hat an Plan, die Schriftstellerin, die hat kan.»

Neue Klangfarbe

Apropos – der Plan, der Wunsch für die Zukunft wäre, als freier Instrumentalist im Klassik-Bereich (Kontrabass ist sehr gefragt) die Grundlage für die eigenen künstlerischen Projekte verdienen zu können. Nicolas Lang bezeichnet seine Musik bescheiden als eingängigen Pop, aber tatsächlich sorgen jazzige Momente und überraschende Rhythmus- und Tempowechsel mit seiner ebenfalls klassisch geschulten Band (Philipp Endl – Percussions, Marlene Janschütz – Gesang, Johannes Gerl – Horn, Felix Brandauer – Steirische Harmonika) für eine neue Klangfarbe im Bereich der modernen österreichischen Musik. Dass der Wert künstlerischer Arbeit auch im «Musikland Österreich» nicht geschätzt wird, dass die Gelder an Opern und Festspiele gehen, dass mit Spotify für Independent-Künstler:innen in Zukunft gar nichts mehr zu verdienen ist, ist ihm bewusst, er sieht die Gefahr einer stetigen Monopolisierung der Musikszene. Noch ist er dankbar für die Unterstützung der Eltern, das Geld für die Platte hat er tatsächlich bei der «Millionenshow» gewonnen.
Und am Ende ist es dann doch Protest, der ihn antreibt. Die Weigerung, wegzuschauen, der Wunsch, etwas zu verändern: «Es ist ein Ventil, ein Bedürfnis, Dinge anzusprechen. Die politischen Lieder sind es, die mir eine Rechtfertigung geben, überhaupt auf einer Bühne zu stehen.»

Ende der Empathie

Und so entstand der letzte Song der Platte, der schönste, wichtigste, beeindruckendste – «Rimini». Ein tragisches Liebeslied, eine Anklage der Friedensnobelpreisträgerin Europäische Union: «Bin i froh, dass i net durt bin, an so an schrecklichen Ort, Tod und Verzweiflung, Leid und Gewalt. I würd am liebsten ganz weit fort, doch die Geschichten, die verfolgn mi bis zu mir ham, von Hunger und Bomben, Folter und Krieg, manchmal sogar bis in meine Tram. Und wann ichs nicht mehr auszuhalten glaub, pack i mi zsamm und fahr auf Urlaub. Manchmal da kitzeln im Sommer beim Baden die Algen ganz sanft deine Füß, doch was d’ nie erfahrn wirst san in Wahrheit die Finger von ersoffene Kinder des gspierst. Gewöhnlich sind wir ja voll Empathie, die endet halt südlich von Rimini.»