Verstanden, lieber Huckey!Artistin

Musikarbeiter nimmt Abschied ...

Am 1. Mai ist Harald «Huckey» Renner verstorben  – ein Musiker (Texta), ein Kulturaktivist (Kapu Linz) und ein Supermensch. Von ­Rainer ­Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).Mir fallen die unmöglichsten Dinge ein, seit am letzten Dienstag kurz nach 22 Uhr das Telefon geläutet hat, ich zuerst nicht abgehoben habe, dann die grausame Nachricht schriftlich ihren Weg gefunden hat. Etwa wie wir beim Aufnehmen mit unserer Band-Schwester in den USA in einem Loft in Baltimore ein Doppelbett teilen und unter uns etwas einen furchtbaren, unmenschlichen Krach macht. Ich visionierte Außerirdische, die es auf uns abgesehen hatten. Nicht atmen … Huckey ist auf und hat die Katze verstaubt, ruckzuck! Am Anfang unserer Freundschaft hat er mich, wir kannten uns vage vom Sehen, in einem völlig jenseitigen, alkoholinduzierten Zustand – Schulschluss im Linzer Klosterhof – mit seinem Auto heimgebracht. Huckey hat sich gekümmert.

I mog des net. Ich glaube mich zu erinnern, Harald erstmals (1981?, 1982?, 1983?) im Vorbeigehen unweit meines Gymnasiums gesehen und (blöd) angeredet zu haben. Er trug einen Badge, einen von diesen großen, wo immer er den herhatte, mit dem Cover von The Power & The Glory der Cockney Rejects. Als Möchtegern-Alphapunk konnte ich mir nicht verkneifen, mein cooles Wissen in seine Richtung zu rotzen. «Die ham owa bessere Platten!» Huckey, immer offen, immer neugierig, meine Arroganz nicht einmal ignorierend: «A so? Wirklich?» (The Power & The Glory ist bis heute ein Lieblingsalbum.) Er spielte Schlagzeug bei Jugo & Die Gastarbeiter, die beste unrecorded Power-Pop-Band, die das Land mit dem A je hatte. Die habe ich wenig später in der Kapu live gesehen, noch eine Liebesgeschichte. In Huckeys Fall eine, bei weitem nicht seine einzige, Lebensgeschichte. Wie viele Betriebsgruppen- und Vereinssitzungen im Haus in der Kapuzinerstraße 36 hat er wohl mitgemacht?

Schweben im Nirgendwo. Nach der ersten Probe in einer Garage begann unsere gemeinsame musikalische Geschichte. Die Bands hießen Feuerlöscher, T(arget).O(f).D(emand)., 7 Sioux und Schwester. Wir stritten viel, feierten und lachten noch mehr. Wir kamen ein wenig rum. Ignition aus Washington DC beschwerten sich, weil sie immer dachten, sie hätten den kleinsten Drummer, mit Kollege Brendan Canty von Fugazi fieberte er in die Zukunft. «One day, Huckey, we will play Jazz!» Während ich zu Genrestalinismus (Hardcore!) neigte, ließ sich Huckey weder jemals seinen Individualismus noch sein offenes Interesse an eigentlich jeder Musk (und Kultur) nehmen, oft visionär in der Wahrnehmung und in der Umarmung neuer Ideen. Im nicht ganz unrauen Klima von Ebelsberg, wo er aufgewachsen ist und lange lebte, hat er sich nicht verbogen oder je versteckt. Eine der sportlichsten Leistungen seines Freundeskreises war die Übersiedlung von Huckeys Plattensammlung in eine weit oben gelegene Wohnung in Linz, ohne Lift, jede der vielen, vielen schweren Kisten Teil der Bibliothek eines autodidakten Privatgelehrten. Dessen Spitzname von Huckleberry Finn herrührt und der aus seiner linken Politik (ein unbeugsamer «socialism of the heart») nie ein Hehl machte, der inmitten lauter (vermeintlicher) Anarchos SPÖ zu buchstabieren wusste, und sich dann, in style, vom «S» zum «K» bewegte.

Nur verstanden werden. Wie nachhaltig Huckey mit und im Hip-Hop seine Stimme gefunden und eingesetzt hat, ist auf den Texta-Alben eindrucksvoll nachzuhören. Seine ungeheure Live-Präsenz war die eines wortzärtlichen, metaphysischen Basketballstars, der noch heiser so klar und bedingungslos kommunizierte wie wenige andere, Korb um Korb. Alles, um die Menschen und die Menschen und das gute Leben zusammenzubringen. Von dem er mehr als etwas wusste, nicht zuletzt vom Leben mit seiner Frau Nicole. So ist er auf dem aktuellen Album der Tonträger Allstars zu hören, seiner meines Wissens letzten Aufnahmen, am Cover in einer Einserpanier zu bewundern, wie immer wach und voll dabei, «im Dienst», trotz dieser gschissenen Krankheit, die ihn über ein Jahr quälte und die ihn schließlich das Leben kostete.

Huckey war es, der meiner Tochter als Kind die Frage, was das ist, Sterben, beantwortete. Die Antwort habe ich nicht gehört, weil ich schnell vorgegangen bin, Huckey hat sich ja gekümmert … Ich könnte sie gebrauchen, vielleicht würde sie helfen, mit diesem Riesenloch umzugehen, das auf einmal in wirklich allem ist. Sperrt Linz jetzt eigentlich zu? Als die Nachricht kam, haben wir Fußball geschaut, der Sohn und ich – eine weitere Huckey-Leidenschaft, SK Voest, Blauweiß …

Beim weinenden Auf- und Abgehen in der Wohnung habe ich an Huckeys zweiten Vornamen gedacht, ewig vergessen oder verdrängt. Dann habe ich den Namen meines Sohnes geflüstert. Huckey, ich liebe Dich!

Harald «Huckey» Renner, 30. 9. 1966 bis 1. 5. 2018