Verteidiger kritisierte Staatsanwalt, nun droht ihm Berufsverbottun & lassen

Keine Milde für Schwarze?

Ein weit verbreitetes Vorurteil besagt, Pflichtverteidigern mangle es an Engagement für ihre Mandanten. Hätte der Wiener Rechtsanwalt Markus Petrowsky diesem Klischee gemäß gehandelt, als er John Achu (angebliches Mitglied der afrikanischen Drogenmafia) verteidigte, hätte er nun kein Disziplinarverfahren am Hals. So aber wird Markus Petrowsky die Weihnachtsfeiertage mit gemischten Gefühlen verbringen: „Ich hoffe sehr, dass das Disziplinarverfahren gegen mich eingestellt wird. Wenn nicht, bedeutet das schlimmstenfalls Berufsverbot, bestenfalls eine Geldstrafe“, erläutert der Strafverteidiger dem AUGUSTIN die möglichen Konsequenzen.

In einem Schriftstück hatte Rechtsanwalt Petrowsky ausgeführt: Die Argumentation der Staatsanwaltschaft, die für ein maximal abschreckendes Urteil gegen den Farbigen plädierte, s c h e i n e „der politischen Argumentation einer bestimmten Partei zu entstammen“. Dies nahm ihm Hofrat Dr. Erich Wetzer, Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, sehr übel. Die „Unterstellung“ Petrowskys müsse „entschieden zurückgewiesen“ werden, schrieb Hofrat Wetzer an den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer, und erstattete eine Disziplinaranzeige gegen den unbotmäßigen Verteidiger.

Zur Chronik der Ereignisse. Der 30-jährige afrikanische Migrant John Achu hatte vor zwei Jahren in Österreich um Asyl angesucht und war im Vorjahr im Zuge der Polizeirazzia „Operation Spring“ verhaftet worden. Zwischen Mitte Februar und Anfang Mai 1999 sei er „beinahe täglich“ im Chinarestaurant „Willkommen“ aufgetaucht – für die Polizei, die das Gasthaus als „Mafiazentrale“ im Dauervisier hatte, höchst verdächtig. Man warf ihm vor, mit Heroin und Kokain gedealt zu haben und „aktives Mitglied einer unternehmensähnlichen Verbindung“ zu sein, die „Bereicherung im großen Umfang anstrebte“ (populär formuliert: Drogenmafia).

Mega-Aufwand der Polizei, mickriges Resultat

Die zweite Hälfte der Anklage-Front brach zusammen – auch wenn sich Polizei- und Justizapparat noch so bemühten, sie konnten die Existenz einer „afrikanischen Mafia“ nicht beweisen. Das Bild des gefährlichen Mafioso verwandelte sich in das des kleinen Straßendealers.

Dennoch wurde John Achu im März dieses Jahres zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Kein ernstzunehmender Verteidiger hätte solch maßloses Urteil akzeptiert. Markus Petrowsky legte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Das Urteil habe sich nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse stützen können, sondern praktisch ausschließlich auf Behauptungen der Polizei, führte der Verteidiger aus. Da könne man ja die Entscheidung der Schuldfrage gleich der Polizei zuweisen und dem Gericht lediglich noch die Entscheidung über das Strafausmaß vorbehalten.

Die „Beweisergebnisse“ seien voller Ungereimtheiten, betonte Petrowsky: „Die Sicherheitsbehörden haben einen derartig großen Aufwand getrieben, um die angeblichen strafbaren Handlungen nachweisen zu können, dass ein Restaurant wochenlang von außen und innen mit allen technischen zur Verfügung stehenden Mitteln überwacht wurde. Und dann soll es nicht möglich gewesen sein, von dem Angeklagten, der laut erstgerichtlichen Feststellungen immerhin innerhalb von wenigen Monaten einige hundert Gramm Suchtmittel verkauft haben soll, beispielsweise ein einziges Foto anzufertigen, das ihn etwa bei Drogenübergaben zeigen würde?“

Staatsanwalt: Fünf Jahre sind zuwenig drastisch

Aber auch die Staatsanwaltschaft beruft. Ihr ist das Strafausmaß – fünf Jahre – „zu gering“. In ihrem Berufungsantrag (vom 20. 6. 2000 zu 19 St 115.026/99-12) verwendet sie eine juristische Standardfloskel, um zusätzliche erschwerende Umstände ins Treffen zu führen: Die „besonders ablehnende und gleichgültige Einstellung des Angeklagten gegenüber den rechtlich geschützten Werten“. Dann aber kommt die Stelle, die dem Pflichtverteidiger die Grausbirn aufsteigen ließ:

„Im Hinblick auf eine weiterhin hohe Suchtgiftkriminalität und die Tatsache, dass gerade im Wiener Raum der Straßenhandel mit Heroin und Kokain in zunehmendem Maße von illegal nach Österreich eingereisten Afrikanern dominiert wird, ist es notwendig, insbesondere auch generalpräventiven Aspekten verstärkte Beachtung zu schenken. Es bedarf daher der Verhängung und Vollziehung drastischer Strafen als Gegengewicht zu den verlockenden hohen Gewinnmöglichkeiten des Suchtgifthandels.“

Vermutlich hat die Staatsanwaltschaft bereits wiederholt so argumentiert, um höhere Strafen gegen afrikanische Einwanderer zu verlangen. Für öffentliche Erregung hat diese Argumentationslinie bisher nicht gesorgt – wohl auch deshalb, weil der Gedanke der Abschreckung (Generalprävention) sehr populär und das Wissen, dass Abschreckung die Kriminalitätsraten nicht abzusenken vermag, nicht sehr verbreitet ist. Rechtsanwalt Markus Petrowsky aber las den Berufungsbescheid der Staatsanwaltschaft – sensibilisiert durch freiheitliche und mediale Kampagnen gegen AfrikanerInnen – mit geschärfter Aufmerksamkeit.

Keine Antwort von Minister Böhmdorfer

„Nach meinem Verständnis der deutschen Sprache“, so Petrowsky zum AUGUSTIN, „kann diese Formulierung so verstanden werden, dass die Staatsanwaltschaft Wien wegen des von Schwarzen dominierten Suchtgifthandels für Suchtgifthändler schwarzer Hautfarbe strengere Strafen fordert als für Suchtgifthändler weißer Hautfarbe, was zumindest als Forderung nach rassistischer Strafjustiz verstanden werden kann“. Die Behauptung, der Markt werde von Afrikanern dominiert, sei keine gerichtsnotorische Tatsache, sondern ein Klischee, dass die FP zu Wahlkampfzwecken benützt habe.

Als Pflichverteidiger nahm sich Markus Petrowsky das Recht heraus, auf die fragwürdige Argumentation der Staatsanwaltschaft einzugehen. In seiner Berufungsgegenausführung vom 3. Juni 2000 an das Wiener Landesgericht kritisierte der Rechtsanwalt, die Behauptung der Staatsanwaltschaft sei durch die erstgerichtlichen Sachverhaltsdarstellungen nicht gedeckt, sondern „scheint vielmehr der politischen Argumentation einer bestimmten Partei zu entstammen“.

Für diese Kritik droht dem Juristen also nun Berufsverbot. Die Sachverhaltsdarstellung Petrowskys an den Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) vom 18. Oktober dieses Jahres ist bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beantwortet worden. Dem bedrohten Pflichtverteidiger fällt dazu die Einschätzung der drei Weisen ein: „Eines der problematischen Kennzeichen führender Mitglieder der FPÖ sind Versuche, politische Gegner zum Schweigen zu bringen oder sie sogar zu kriminalisieren, wenn sie die österreichische Regierung kritisieren“.

teilen: