Alles über eine Schwarze Katze, die zur Figur der Zivilcourage wurde
Wem die Schwarze Katze über den Weg läuft, der oder die muss drei Steine über die Katzenspur werfen. Oder auf einen Stein spucken. Sonst bringt das Unglück. Es wird Zeit, die Schwarze Katze vorzustellen. Die allgemeine Schwarze Katze und jene konkrete, die am Freitag, den Dreizehnten aktiv wird, die von der Augustin-Illustratorin Carla Müller sichtbar gemacht wurde und die auf mittlerweile tausenden T-Shirts durch das Land getragen wird.
Ich will nachschauen, warum die Schwarze Katze jene mythische Bedeutung gewann, die heute noch nicht ganz verblasst ist, und surfe im Netz. Ich stoße unter anderem auf eine der dunklen Seiten der Geschichte des Katholizismus. Sozusagen auf den Kampf der Logos. Fisch, Lamm oder Taube sind die Logos der Kirche; die Katze, zumal die schwarze, ist das Stigma aller, die vom wahren Glauben abfallen. Die kursiv gedruckten Passagen sind Zitate aus den unten angeführten Websites.
Während die Katze in vielen Kulturen überaus verehrt wurde, verleumdete und verfolgte man sie im mittelalterlichen Europa wegen ihrer angeblichen Verbindung zu Hexen und Schwarzer Magie. Schon im Jahr 962 ist der Glaube bezeugt, dass sich Hexen in Katzen verwandeln können und diese böse, gefährliche Tiere mit furcht erregenden Kräften seien. Weil Katzen in früheren heidnischen Ritualen eine Rolle gespielt hatten, wurden sie öffentlich zu Geschöpfen des Teufels erklärt, zu Abgesandten des Satans und Vertrauten der Hexen. Überall wurden Christen aufgefordert, ihnen soviel Schmerz und Leid zuzufügen wie nur möglich. Hunderte und Tausende von ihnen wurden geschunden, gekreuzigt, totgeschlagen, geröstet und aus den Luken der Kirchtürme geworfen – auf Anstiftung der Kleriker.
Der Antiklerikalismus, der hier mitschwingt, gerät manchmal ins Stottern, wenn er auf Dokumente trifft, die eine ähnliche Rolle der Schwarzen Katze in völlig anderen Kulturen beweisen. In China zum Beispiel gelten schwarze Katzen als Boten von Armut und Krankheit. Weiße Katzen dagegen werden oft als Glücksbringer betrachtet.
In der hausverständigen Traumdeutung in Abgrenzung zur sachverständigen so genannt gilt die Schwarze Katze, sobald sie in Traumbildern erscheint, immer als schlechtes Zeichen. Die psychoanalytische Traumdeutung weist diese Simplifizierung zurück. Denn das Analysieren von Träumen ist eine penible Angelegenheit, bei der Konflikte des Betroffenen, seine eigene Lebensgeschichte und seine Beziehungen zu (und Erfahrungen mit) Katzen sowie seine ganz persönlichen Assoziationen zum Thema Katze entscheidend sind.
Geboren im Februar 2002
Für die Menschen im Umkreis des Augustin war weniger die Unglücks-Assoziation, vielmehr die Tatsache, dass die Schwarze Katze zum (wenn auch nicht selbstgewählten) Logo der von den Mächtigen Verfolgten wurde, ein Motiv der Zuneigung zu diesem Symbol. Seit Februar 2002 versuchen der Augustin und ihm nahe stehende Gruppen, jeden Freitag, den dreizehnten zu einem Glückstag für Menschen, die sonst wenig Gründe zum Feiern haben, zu etablieren. Gemeint ist jenes Glück, das aus der Erfahrung entsteht, seine Sache selbst in die Hand genommen zu haben, und weniger das Glück des Habens, der Konsumbeteiligung. Naheliegend, dass die Schwarze Katze zum Logo der F13-Bewegung wurde; aus Gründen, die etwa auf www.f13.at nachzulesen sind, hat nämlich diese Datumskonstellation im Volksaberglauben dieselbe Interpretation erfahren wie die Pech stiftende Schwarze Katze.
So mancher Aberglaube lässt sich als selbsterfüllende Prophezeiung“ verstehen. Dieser soziologische Begriff bedeutet: Wenn man fürchtet, dass am Freitag den 13. mehr schief geht als sonst, wird das auch passieren. Das eigene Verhalten führt dazu, dass sich die Erwartungen bestätigen. Die Angst vor der Zahl 13 ist der vielleicht am weitesten verbreitete Aberglaube. Es gibt sogar einen psychologischen Fachausdruck dafür: Triskaidekaphobie“ heißt die übersteigerte Furcht vor der 13. So lassen z.B. viele Hotels die Zimmernummer 13, viele Fluggesellschaften die Reihe 13 aus, um Probleme zu vermeiden.
Nüchterne Zeitgenossen belächeln die Vision der F13-InitiatorInnen, gemeinsam mit einem Jahr für Jahr wachsenden Netzwerk von Initiativen aus dem künstlerischen und sozialen Bereich einen neuen urbanen Volksbrauch zu entwickeln. Von einer Art subversivem Fasching ist die Rede. Die sozialen Gruppen, die in diesen Feiertagen von unten lauter als sonst üblich (oder als erlaubt) ihre Anliegen an eine möglichst große Öffentlichkeit herantragen wollen, sind heute auf zivilisiertere Weise verfolgt als die historischen, sich flugs in Schwarze Katzen verwandelnden Hexen. Aber sie werden banaler, von den Medien unbeachteter, nachhaltiger verfolgt als von der Mehrheitsbevölkerung wahrgenommen wird. Der F13-Bewegung geht es vor allem darum, dass Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Punks, Ex-Häftlinge, Ex-Psychiatriepatienten, Suchtkranke, Papierlose, nicht anerkannte Flüchtlinge nicht länger als Faktoren der Unsicherheit und der Störung unsichtbar gemacht werden können. Ich strapaziere dafür den Begriff der Gleichgültigkeit, er ist in die Augustin-Schreibweise eingegangen, ohne dass mir klar ist, ob er funktioniert: Mit wachsender Gleichgültigkeit im positivsten Sinn des Wortes sollten die (noch) nicht abgestürzten StädterInnen ihren herunter gekommenen Zeitgenossen begegnen jede Weise, in der Großstadt zu sein, ist gleich gültig.
Kein Freitag, der Dreizehnte wurde seit dem 13. Februar 2002 ausgelassen, um die kafkaeskesten und unglaublichsten Diskriminierungen so genannter Randgruppen zum Thema zu machen. Vielen Menschen dieser Stadt war zum Beispiel nicht bewusst, dass ausgerechnet die Bedürftigsten nicht zur Kategorie der Förderungswürdigen zählen. AsylwerberInnen und SozialhilfeempfängerInnen, damit praktisch sämtliche Obdachlose, müssen den vollen nichtermäßigten Fahrpreis zahlen, was zu ständigen Gefängnisaufenthalten und zur Anhäufung hochalpiner Schuldenberge führt. Kollektive, demonstrative Freifahrten der AugustinverkäuferInnen: das war der Beginn der F13-Kultur. Eine Kultur der liebenswürdigen Provokationen ist gefragt.
Die Gelassenheit, die man dafür mitbringen sollte, ist nicht immer leicht zu bewahren, wenn man mit Ungeheuerlichkeiten wie den Sanktionen für Unbegründetes Stehenbleiben nach der Straßenverkehrsordnung konfrontiert ist. Es gibt Hinweise von der Straße, dass die Exekutive diesen Paragraphen heute nicht mehr so oft als Handhabe zur Wegweisung von Unerwünschten verwende. Es wäre ein erster Erfolg der Schwarzen Katze.
Was am kommenden Freitag, den dreizehnten (13. 10. 2006) im Zeichen der Katze geschieht, ist im nächsten Augustin zu lesen. Vielleicht verleitet die folgende kleine Auswahl bisher Unentschlossene, den 13. Oktober dick in den Kalender einzutragen.
F13 Street Art Safari
Wiens Graffiti-Forscher Norbert Siegl lädt am 13. Oktober Interessierte zu einer geführten Tour zu (legalen und illegalen) Kraftorten der SprayerInnen-Szene. Treffpunkt: 16 Uhr in der Kassenhalle des Bahnhofs Heiligenstadt. Die ungefähr dreistündige Wanderung führt durch Bahngelände, über die Nordbrücke, entlang der Neuen Donau und in andere Territorien, in denen meist sehr junge Leute Spuren hinterlassen, die von unsereinem als Kunst (Street Art) gewürdigt, von den Anständigen als Vandalismus verfolgt wird. F13 versteht sich auch als Tag der Freiheit der Straßenkunst; die Street Art Safari kann also durchaus auch als Demo gegen die Kriminalisierung von Writern gesehen werden.
Die Produktion der SprayerInnen ist für Norbert Siegl aber mehr als Kunstproduktion. Die Wände, die mit den Sprühdosen bearbeitet werden, sind alternative Medien, sind Plattformen für Botschaften, für die kaum ein Medium sonst offen ist. In einer Situation, wo es außer dem Augustin kein vom großen Geld und von der großen Politik kontrolliertes Medium mehr gibt, kommt der Graffiti-Kultur als sozusagen dunkle Seite des Mondes – eine zusätzliche Bedeutung zu, meint Siegl. Auf einer der noch freien legalen Flächen können die TeilnehmerInnen an der F13-Safari, sofern sie Spraydosen mitgenommen haben, selbst aktiv werden. Wir wollen ein Augustin-Piece gestalten, schlägt Siegl vor.
Es lebe das Akkordeon des Bettlers
Kalt-Warm im U-Bahnnetz: Manchmal lockern Straßenmusikanten in den Zügen die Monotonie des Jahreskartenbesitzeralltags auf. Dann wieder nerven Lautsprecherdurchsagen, die die Unterstützung von BettlerInnen denunzieren. Es wird Zeit, dass wir Akkordeonisten laut werden, heißt es in einer Erklärung Wiener Akkordeonkünstler, die am F13-Tag aus Solidarität mit der Ostmafia ihre Instrumente in den Waggons auspacken.
Es schockiere sie, wie sehr sich die Wiener Linien in die Kampagne gegen die BettlerInnen unterordnen lasse. Die Fahrgäste werden in Durchsagen aufgefordert, den Bettlern nichts zu geben. Aus nahe liegenden Gründen solidarisieren wir uns vor allem mit den Straßenmusikern, deren Tätigkeit in den U-Bahnwägen unmöglich gemacht und kriminalisiert wird. Die Akkordeonspieler aus der Slowakei oder Rumänien, darunter viele Roma, sind keine Sicherheitsgefahr, sondern sie unterbrechen einen Moment lang unsere Alltagmonotonie. Die Wiener Linien glauben offensichtlich, eine Art Sachwalterschaft gegenüber ihren Fahrgästen ausüben zu müssen, um diesen die Entscheidung abzunehmen, wie sie sich gegenüber BettlerInnen verhalten. Kein U-Bahn-Musiker, kein Bettler nimmt uns etwas weg!
Zum kleinen F13-Akkordeonfestival in der U-Bahn rufen die Quetschn-Virtuosen
Otto Lechner, Krzysztof Dobrek, Walther Soyka, Martin Lubenow u.a. sowie Friedl Preisl, Organisator des Internationalen Akkordeonfestivals, auf. Jede/r weitere AkkordeonspielerIn ist willkommen. Treffpunkt: 11 Uhr, Karlsplatzpassage, Ausgang Resselpark.
Nur Istanbul bleibt ohne Ü!
Bütün insanlar özgürdür – Alle Menschen sind frei. Der Ü-Umlaut ist zu einem Merkmal der türkischen Sprache geworden, von den NichttürkInnen Wiens entweder positiv als Symbol der Euphonie und Poesie dieser Sprache bewertet – oder eben pejorativ hervorgehoben in boshaften und rassistischen Karikaturen der Sprache dieser riesigen Einwanderergruppe. Vor- & Umlaut, ein im Rahmen des F13-Netzes gebildetes Kunstprojekt, will ein Zeichen setzen gegen den Entzug von Gastfreundschaft und Nachbarschaft gegenüber den aus der Türkei stammenden BewohnerInnen Wiens durch vorzugsweise orange und blaue Politiker. Statt Wien darf nicht Istanbul werden soll die Botschaft lauten: Ihr seid willkommen. Diese Haltung soll durch eine Ü-Punkterl-Aktion unterstrichen werden. Die Vor- & Umlaut-AktivistInnen wollen am 13. Oktober viele NachahmerInnen sehen, die sämtliche U’s in amtlichen, kommerziellen oder nichtoffiziellen Aufschriften an den Wänden dieser Stadt siehe auch unsere Fotos – in Ü’s verwandeln.