Tod des Theaters der 6 Direktor_innen im 3. Bezirk?
Nach Hubsi Kramars 3-Raum-Anatomietheater verschwindet nun auch das zweite Theater in der Beatrixgasse im 3. Bezirk. Ganz so sah es bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe aus. Das Theater Olé wird das siebente Jahr seines Bestehens nicht überleben: So will es die Eigentümerin des Eckhauses Beatrixgasse/Baumannstraße; für die Wiener Kulturförderung hat das kleine Kellertheater ohnehin nie existiert.
Foto: Mehmet Emir
«Wir haben einen Nachbarn, der in den sechs Jahren noch nie die Straße überquert hat, um unser Theater zu betreten. Richtig, ich rede von Mailath-Pokorny, dem Wiener Kulturstadtrat», ärgert sich Verena Vondrak, Ensemblemitglied. Das sei nicht gerade eine Geste der Wertschätzung, meint sie. Dabei ist das Olé-Kollektiv eine superprofessionelle Clown-Truppe, wie es in Österreich keine zweite gibt, wie sie auch im übrigen Europa recht rar ist. Wer aus dem fernen Rathaus keine Hilfe kriegt, wendet sich ans nahe Bezirksamt. Vondrak: «Wir haben den Bezirksvorsteher um Hilfe gebeten. Bezirksgerüchten zufolge soll er sich mehr für Eishockey als für Kunst interessieren. Er beantwortete unseren Hilferuf auch nicht. Aber er hat ja einen Kulturbeauftragten. Der bot uns ein SPÖ-Sektionslokal in einem nahegelegenen Gemeindebau an. Flairmäßig ist ein sozialdemokratischer Sitzungssaal ziemlich exakt das Gegenteil der Kellertheater-Aura, die das Publikum und die Spieler_innen genossen. So, das war die Hilfe des Bezirks».
Das Dilemma des erwachsenen Clowns
«Vielleicht darf der Herr Kulturstadtrat nur Theaterprojekte besuchen, die von seinem Kulturamt offiziell subventioniert werden», ätzt Pete Belcher. Er ist weit davon entfernt, dem Kulturamt eine Bösartigkeit zu unterstellen. Um die Subventionen hätte sich das Theater Olé zum Teil selber gebracht, weil im Team niemand so richtig weiß, wie man da vorzugehen hat, und auch niemand da ist, der gerne bettelt. «Und wir sind auch ein bisschen stolz darauf, dass wir ohne Subventionen über die Runden gekommen sind.» Das Dilemma sei, dass das Theater am liebsten der Geheimtipp bleiben wolle, der er geworden sei, vor allem im letzten Jahr, wo nur über Mundpropaganda der Keller ständig voll war. «Wenn wir aber Geheimtipp sind – wie sollen uns dann die Politiker_innen kennen?»
Eine etwas seriösere Erklärung für den fehlenden Draht zwischen Beatrixgasse und Kulturbürokratie ist die Macht des Klischees, Clowntheater sei für Kinder gemacht. «Wir haben sechs Jahre gegen dieses Vorurteil angespielt, sagt Pete Belcher. «Natürlich machen wir auch Stücke für Kinder. Aber in den ersten Jahren beschlossen wir, uns bewusst auf Stücke für Erwachsene zu beschränken.» Belcher ist deshalb auch nicht glücklich, wenn Medien besonders hervorheben, dass Theater Olé-Mitglieder bei den Spitalclownsvereinen Rote Nasen oder Klinikclowns ihr Geld verdienen. Ein großes Bild in der Zeitung, das eine Clownin mit roter Nase im Kinderspital zeigt, und schon ist das Klischee wieder ein Stück verbreiteter.
Hubertus Zorell nennt ein anderes Beispiel für «gebildete» Fehlinterpretationen des Clown-Begriffs. Die Wochenzeitung «Falter» hatte getitelt: «Strache, Sie Clown!» Zorell antwortete sofort mit dem notwendigen Leserbrief. Hier handle es sich um eine Beleidigung von Clowns. Strache sei geradezu der verkörperte Gegensatz zur Clownheit.
Von kloputzenden und kartenabreißenden Direktor_innen
Unsere Gesprächspartner_innen Hubertus Zorell, Verena Vondrak und Pete Belcher stellen die Hälfte des Ensembles dar – die Hälfte der «sechs Direktor_innen», wie sie sich gerne nennen. Der Titel ist mehr als bloß ein Gag. Die Oléist_innen wollen damit signalisieren, dass sie ein anarchistisches Team ohne Chef sind. Was dem Überleben im Theaterbetrieb nicht immer förderlich ist: Wen schließlich soll der Stadtrat, der selber definitiv Chef ist, ansprechen? Den Direktor, der gerade das einzige Klo putzt und den Stadtrat gerne um die Finanzierung eines Zweitklos anschnorren möchte? Oder die Direktorin, die gerade die Karten abreißt? Oder die Direktorin, die gerade eine Requisite repariert?
Vor kurzem waren die Direktor_innen naiver als erlaubt, seufzt Pete Belcher. «Wir haben einen befristeten Vertrag mit der Hauseigentümerin. Einen Drei-Jahres-Vertrag. Zweimal schon ist uns die Verlängerung gewährt worden. Wir Idioten glaubten, dass das so weiter geht. Im Juli wurden wir gekündigt. Gnädigerweise wurde uns ein Aufschub bis zum 31. Dezember gestattet.» Wenn Sie diese Zeilen lesen, ist das Theater der sechs Direktor_innen vielleicht schon Geschichte. Vielleicht aber kommt einmal mehr alles anders als man denkt. Vielleicht gibt’s Überraschungen wie in einer der letzten Produktionen im Theater Olé, «Die Miserablen – das Kaasting» ( Regie: Verena Vondrak und Hubertus Zorell). Die Idee des Stücks: Wenn die Menschen erst dann anfangen würden, einer Jury vorzusingen, wenn sie es wirklich können, würde es kaum jemand tun. Die Überraschung des Stücks: Das Casting endet, wie noch nie ein Casting geendet hat.
Clowns sind im richtigen Leben depressiv: ein weiteres Clown-Klischee. Die sechs (Noch-?)Direktor_innen des winzigen Kellers der schrägen Künste scheinen auch dieses Bild zu verlachen.