Die sogenannte Arbeiterolympiade mit Sommer- und Winterspielen fand insgesamt in nur drei Jahrgängen statt. Der 2. Austragung der Sommerspiele, 1931 in Wien, ist im Waschsalon Karl-Marx-Hof eine Sonderausstellung gewidmet.
TEXT: HANNES GAISBERGER
Eine Arbeiter_innenolympiade kann man sich derzeit wirklich nicht vorstellen, und es ist schwer zu sagen, was daran undenkbarer ist: Dass sich die werktätigen Massen als eine stolze, aber auch solidarische Klasse verstehen? Oder dass sich Tausende Menschen aus aller Welt an einem Ort versammeln, um ein großes Sportfest zu feiern? Vorstellen kann man sich es kaum, aber zum Glück kann man sich ansehen, wie das früher einmal war.
Der Waschsalon im Karl-Marx-Hof ist prinzipiell eine gute Adresse, um sich über die Geschichte des Roten Wien zu informieren. Das liebevoll gestaltete Museum beherbergt eine Dauerausstellung zu diesem Thema. Daneben wird dem 125-Jahr-Jubiläum der Naturfreunde gedacht. Am Ende des Raumes gelangt man über eine Treppe ins Dachgeschoß. In diesem schlauchartigen Kammerl ist die Sonderausstellung 2. Arbeiter-Olympiade in Wien untergebracht. Doch trotz des überschaubaren Platzes kann man sich anhand der Bilder, Dokumente, Schautafeln und anderer Exponate ein gutes Bild vom internationalen Sportfest machen.
Man lernt etwa, dass die Arbeiter_innenparteien Ende des 19. Jahrhunderts eine eigene Infrastruktur mit Vereinen wie eben den Naturfreunden oder auch Turn- und Sportvereine gründeten, «die sich bewusst vom ‹bürgerlichen› Sport abgrenzen. Nicht Rekordstreben und Kommerz sind Ziel und Zweck der sportlichen Betätigung, sondern die körperliche Ertüchtigung sowie die geistige und kulturelle Entwicklung der Arbeiterschaft – als Vorbereitung auf ein Leben in einer sozialistischen Gesellschaft», wie es in einem der Texte heißt.
Die Vorsätze hielten nicht. Die mit roten Fahnen behängten Fanfaren, die gemeinsam mit Büsten ein Spalier bilden, rote Vorhänge und noch mehr rote Fahnen: Das Ganze hat optisch eine feierliche, vielleicht auch leicht steife Wirkung. Ein wohltuender Kontrast sind die Begleittexte, die die kleinen Brüche und Widersprüche der Veranstaltung nicht verschweigen. Wenn etwa an einem musikalischen Abend des kulturellen Rahmenprogramms ausschließlich «bürgerliche», klassische Stücke gegeben werden. Und trotz der Ablehnung von der Jagd nach Rekorden und Sensationen bei den Olympischen Spielen konnte man sich auch bei der Arbeiterolympiade diesen Tönen nicht immer enthalten. Schließlich hat man als Veranstalter nicht nur 25.000 Aktive und dazu knapp 50.000 Gäste beherbergt, sondern auch die meisten Bewerbe gewonnen. Über Siege gegen die damalige Weimarer Republik wurde besonders gejubelt. Trotz besserer Vorsätze konnte man auf das Leistungsprinzip und einen Schuss Nationalismus nicht verzichten.
Konnte die noch junge Veranstaltung – es war ja erst die zweite Arbeiterolympiade nach 1925 in Frankfurt/Main – mit ihren hohen Idealen noch nicht ganz mithalten? «Wir denken, Patriotismus und Nationalismus sind keine Kinderkrankheiten, sondern leider allzu menschlich. Hinzu kommt, dass das schlagartig klein gewordene Österreich gerade auch im Sport ein besonderes Selbstwert-Problem hatte (und immer noch hat). Vor allem, und das zeigt sich in den damaligen Berichten und Zeitungsartikeln ganz deutlich, gegenüber dem ‹großen Bruder› Deutschland», antwortet Lilli Bauer, die gemeinsam mit Werner T. Bauer das Museum vor über zehn Jahren konzipiert hat. Das Kuratorenpaar gestaltet auch die Ausstellungen und hat im konkreten Fall neben der eigenen Sammlung auf Exponate «aus den Beständen der ASKÖ WAT Wien und des Vereins für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung» zurückgegriffen, so Bauer.
Bauliche Mammutprojekte. Die damals erst durch Fusionen entstandene ASKÖ wurde mit der Durchführung des Wettbewerbs beauftragt, und rechtzeitig zur Eröffnung wurden auch die baulichen Mammutprojekte Praterstadion und Stadionbad fertig. Im Stadion hat dann so mancher gebürtige Wiener ein Comeback feiern dürfen. Lilli Bauer zitiert hierzu einen Text aus der Ausstellung: «Am Fußballturnier nehmen sogar Arbeiterfußballer aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina teil. Unter ihnen sind auch die in Wien bestens bekannten Spieler Stern (früher Hakoah) und Berger (früher Ferencváros Budapest).» Doch es wurde nicht nur Fußball gespielt – auch Schleuderballwerfen und Raffball stand am Programm.
Diese Exoten sind in Vergessenheit geraten, und so ging es auch der Arbeiterolympiade, die aufgrund von Kriegen und politischer Großwetterlage nur noch ein weiteres Mal stattgefunden hat, nämlich 1937 in Antwerpen, und uns heute fast als ein Kuriosum aus schwarz-weißen Zeiten entgegentritt.
Aufgrund der Verschiebung der Olympischen Spiele wurde diese Sonderausstellung bis Ende kommenden Jahres (28. 11. 2021) verlängert!
dasrotewien-waschsalon.at