Vienna, we want to love you …Artistin

Zehn Jahre Protestsongcontest

… Vienna, we are worth to be loved by you in strategischem Walzertakt erklingt der Refrain eines der Favoriten des diesjährigen Protestsongcontests. Zum zehnten Mal jährt sich der vom Rabenhoftheater gemeinsam mit Radio FM4 veranstaltete Wettbewerb des politischen Liedes. Rund zweieinhalbtausend Einsendungen gab es in einem Jahrzehnt, 2 Compilations wurden veröffentlicht und wie zu jeder politischen Begebenheit wurde auch zum Songcontest schon eine Diplomarbeit verfasst. Am 12. Februar gehts wieder einmal ins Finale.«Schau dir diese Burschen an / sie rennen den Marathon / aus dem Tal von Souate / bis zum Riesenrad» ist ein Protestsong Punk, Hiphop oder Liedermacherei?, stellt der Theaterwissenschaftler Gerald Stocker als Frage in den Raum. Der Songcontestbeitrag der «Refugees des Refugeecamp Vienna» (Konzept: Salaheddine Najah, Tina Leisch), der es beim heurigen Jubiläumscontest ins Finale geschafft hat, ist alles zusammen. Vom weiten Weg und vom hoffnungsvollen Ankommen («Wien, gib uns unser Leben zurück, das man uns daheim gefladert hat») erzählt ihr Lied in fünf Sprachen. Aber es entbehrt des Gejammers, das unter Singers & Songwriters hierzulande leider zum bad habit geworden ist. Stattdessen reichen die Sänger_innen den Zuhörer_innen die musikalische Hand: «Wien, wir machen dich reicher, als du schon bist …» und wollen dafür vor allem eines: «Behandle uns mit respect / respect, respect, respect.»

Drei Rabenväter

Zum Jammern ist der Contest auch nicht gedacht. Es geht im Gegenteil darum, dass die große Wut gegen die großen Ärgernisse melodischen Ausdruck findet. Roman Freigaßner, Chefdramaturg am Rabenhof und neben Gerald Stocker und Thomas Gratzer (dem Intendanten) einer der drei Ziehväter des zehnjährigen Protestsongcontest, erzählt vom Durchhören der rund 200 jährlichen Einsendungen: «Ab und zu gibt es natürlich Durststrecken, bei denen man sich denkt, nicht schon wieder so ein Herumgesudere! Aber es gibt zum Glück auch sehr harten, rotzigen, aufmüpfigen Protest. Und der ist natürlich weitaus spannender.» Auch Gerald Stocker, der vor zehn Jahren mit der Idee eines politischen Liederwettbewerbs an den Rabenhof herangetreten war, findet «das Persönliche, Konkrete, wo eine Geschichte dahintersteckt» um vieles interessanter als: «Die Börse ist schlecht, alles ist schlecht, die da oben sind schuld». Das Thema der eingereichten Gustostückerl ist also durchaus genauso relevant wie seine musikalische Umsetzung. «Wir bringen schließlich keinen Songcontestsuperstar raus, der sich dann auf der internationalen Musikbühne beweisen muss.» Die konkretesten Anlassfälle, die es heuer auf die Bühne geschafft haben, sind die zitierten Refugees und eine Combo aus Salzburger Schüler_innen, die dafür kämpfen, dass ihr Mitschüler Geworg nicht nach Armenien abgeschoben wird. Mit ihrem Lied «Stay», featuring niemanden Geringeren als Martin Luther King, haben sie es zwar nicht ins Finale geschafft, aber die Botschaft ist angekommen. Als einer der «besten 25» wurde der Song Ende Jänner im Haus der Begegnung in Rudolfsheim aufgeführt.

Gemeindebautheater

Die Idee zum Contest entstand in einem gemeinsamen Brainstorming zum 70-Jahr-Jubiläum der Februarkämpfe. Immerhin ist das Rabenhoftheater eine Gemeindebauinstitution und muss sich irgendwie zu seiner Geschichte verhalten. Anstatt also eine akademisch-historische Auseinandersetzung zu wählen, wurde von den Dreien inmitten der Proteste gegen die schwarz-blaue Regierung die Idee geboren (und liebevoll aufgepäppelt), den Unmut in seiner musikalischen Variante herauszufordern. An den 12. Februar 1934 wird inhaltlich und musikalisch erinnert: Die Radioberichterstattung stellt den historischen Kontext her, und der Abend des großen Finales wird traditionell mit den «Arbeitern von Wien» warmgesungen.

Beim Bündnispartner fm4 gab es im Jahr 1 noch Skeptiker_innen die nach den ersten 300 Einsendungen allerdings überzeugt werden konnten. Über die Jahre hat sich die Zahl der Beiträge bei rund 200 eingependelt. Davon sind nach den Statistiken, die Gerald Stocker mit Präzision führt, 86 Prozent aus Österreich und 14 Prozent aus anderen Ländern. Auch die einsendenden Frauen und Männer werden registriert, und es ergibt sich das wenig überraschende Bild, dass bei den Ersteinsendungen nur ein Zehntel Frauen sind, im Finale aber durchschnittlich ein Viertel. Heuer steht es sogar 6:4 die Ladies scheinen sichs also besser zu überlegen, bevor sie ihr Tape ins Postkastl werfen respektive ihre Datei in die Mailbox.

Ruhm, Ehre und ein Konzert

Wenn es also nicht um die große Karriere und den fetten Plattenvertrag geht, was gibt es dann zu gewinnen? Ehre, sehr, sehr viel Ruhm und Ehre, meint Freigaßner. «Und eine Verpflichtung: im kommenden Herbst, zum Auftakt der nächsten Protestsongcontestsaison ein Konzert zu spielen, dessen Einnahmen an eine karitative Organisation gespendet werden.» Die Refugees könnten als potentielle Sieger_innen also ihre Geste wiederholen, und wie bei der Verleihung des Ute-Bock-Preises vor zwei Wochen die Gelder an die Caritas weiterreichen. Schließlich heißt es in ihrem Lied auf die Frage «What do we want?» nicht «your money!», sondern «our rights!». Ob alle, die in den Protest und den Protestsong involviert sind, bis zum Herbst sicher in Österreich bleiben können, ist eine andere Frage, auf die Roman Freigaßner auch keine Antwort weiß. «Aber wenn das nicht der Fall ist, werden wir wohl gemeinsam mit fm4 was tun müssen.»

Der eigentliche Erfolg wird also sein, dass Geworg dort bleibt, wo er leben will und ebenso die Refugees, die in der Kirche inzwischen einen immensen Beitrag dazu leisten, dass Migrationspolitik auch antirassistisch gedacht werden kann. Aus dem Intro ihres Liedes «We love Vienna» ließe sich durchaus das Motto des zehnjährigen Protestsongcontests formulieren: «Die Regierung hört unsere Argumente nicht vielleicht hört sie unsere Musik.»

Präsentation der CD «Best of Protestsongcontest 20082012»

mit Konzert (Mieze Medusa, Rotzpipn/Tanaka, Binder & Krieglstein u. v. m.)

9. 2. 2013, 19 Uhr

Protestsongcontest 2013, Finale

12 .2. 2013, 20 Uhr

Jury: Peter Paul Skepek, Skero (Texta), Nina Weißensteiner (Der Standard), Doris Knecht (Kurier), Mirjam Unger (fm4/Filmemacherin), Martin Blumenau (fm4)

jeweils im Theater Rabenhof

Rabengasse 3

1030 Wien

www.rabenhoftheater.com

Karten: 15,