Vier Wände in Ottakringtun & lassen

Frau Rs Kampf um das Wohnrecht in ihrer Wohnung, Teil II

Unter dem Titel «Wiener Wohnen. Frau Rs mühevoller Kampf um ihre Ottakringer Wohnung» haben wir im März (Augustin Nr. 362) berichtet, wie eine Ottakringer Mieterin aus ihrer Wohnung gescheucht werden soll. Beinahe müßig zu sagen, dass die Immobilienfirma sich immer noch am längeren Ast wähnt. Am 6. Oktober droht nun die Räumung. Hat das irgendetwas mit der Wiener Wohnpolitik zu tun?In der modernen Gesellschaft verwendet man gerne nette Wörter, um unangenehme Dinge zu verpacken. Sachwalterschaft ist so ein Wort. Gemeint ist in Wirklichkeit Entmündigung. Entmündigung bedeutet, dass einem die Zuständigkeit über bestimmte Aspekte des täglichen Lebens entzogen wird, wenn ein sogenanntes Pflegschaftsgericht zu dem Schluss gelangt, dass eine Person nicht mehr fähig ist, diese selbstständig zu meistern.

Die Zuständigkeit darüber wird eine_r Sachwalter_in übergeben. Diese_r soll dann das Interesse ihrer/seiner Klient_innen wahrnehmen. Das ist natürlich ein schwieriges Feld. Eine Person verliert zumindest einen Teil ihrer Selbstständigkeit. Eine andere übernimmt dafür die Verantwortung. Überwacht werden die Sachwalter_innen von den Pflegschaftsrichter_innen bei den Bezirksgerichten. Diese müssen laut Gesetz informiert werden, wenn ein_e Sachwalter_in eine wichtige Entscheidung trifft. Dazu gehören zum Beispiel Entscheidungen über den Wohnort.

Was sich auf dem Papier schön liest, funktioniert in der Wirklichkeit oft nicht. Das ist eine Lebenserfahrung der Frau R, die bereits einen jahrelangen Kampf für den Erhalt ihrer Wohnung führt. Es ist keine schöne Wohnung. Seit einem Wasserschaden ist sie eigentlich unbewohnbar und sanierungsbedürftig. Doch die Hauseigentümer_innen haben daran kein Interesse.

Frau R hat einen dieser von Eigentümer_innen oft als lästig empfundenen alten Mietverträge, die einen Rauswurf sehr schwer machen. Den hat sie von ihrer Mutter geerbt, mit der sie in dem Ottakringer Haus aufgewachsen ist. Doch in den letzten Jahren ist aus dem Mietshaus ein Haus mit Eigentumswohnungen geworden. Die Wohnung der Frau R ist die einzige verbleibende Mietwohnung.

Das ist ein Problem für die Eigentümer_innen des Hauses, die in der Wohnung der R eigentlich eine Nutzwertanalyse machen lassen wollen. Ohne eine solche Analyse kann die Wohnung nicht zur Eigentumswohnung werden. Damit das funktionieren kann, muss Frau R raus.

Drohende Wohnungsräumung im Oktober

Der Sachwalter der Frau R regelt ihre Finanzen und ihre Rechtsgeschäfte. Es handelt sich um einen Anwalt. Er zahlt also auch die Miete. Soweit Frau R das einschätzen kann, macht der Anwalt das auch regelmäßig und gewissenhaft. Doch mit der Gewissenhaftigkeit, oder besser, der mangelnden Gewissenhaftigkeit von Sachwalter_innen hat Frau R so ihre Erfahrungen gemacht.

Vor kurzem flatterte ihr ein Brief der Wiener Fachstelle für Wohnungssicherung FAWOS in den Briefkasten. Darin wurde ihr die Räumung der Wohnung am 6. 10. 2014 verkündet. Der entsprechende Gerichtsbescheid selbst wurde an den Sachwalter geschickt, der hatte Frau R aber nicht über den Erhalt informiert. Das geschah erst, als Frau R nachforschte.

Überraschend ist die Kündigung der Wohnung dennoch nicht. Schließlich arbeiten die Hauseigentümer_innen daran schon lange. Sie lasten ihr den Wasserschaden in ihrer Wohnung an. Bis heute hat es kein unabhängiges Gutachten zum Thema gegeben.

Eine frühere Sachwalterin hatte es versäumt, gegen die Wohnungskündigung Widerspruch einzulegen. Der jetzige Sachwalter versucht, rechtlich dagegen vorzugehen. Mit dem Versäumnis hat die frühere Sachwalterin der Kündigung stillschweigend zugestimmt. Zu klären ist, ob sie dazu überhaupt berechtigt war. Sachwalter_innen sind verpflichtet, in «wichtigen, die Person des Pflegebefohlenen betreffenden Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichts einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt.» So will es das Sachwalterrecht. Doch die zuständige Pflegschaftsrichterin wurde nie konsultiert. Befasst hat sich stattdessen eine Richterin, die in diesem Fall gar nicht zuständig war.

Selber über das eigene Leben bestimmen

Frau R möchte nichts weiter als ein menschenwürdiges Leben führen. Das möchte sie bestenfalls in der Wohnung, in der sie aufgewachsen ist. Dazu fordert sie die Renovierung dieser Wohnung. Stattdessen wird sie im Oktober vor die Tür gesetzt.

In der Theorie bedeutet Sachwalterschaft, dass Menschen für andere Menschen Verantwortung übernehmen. Die Erfahrung von R ist eine andere. Die Verantwortung für ihr Schicksal wird zwischen Anwält_innen und Gerichten hin- und hergeschoben, während private Immobilienbesitzer_innen ihre Interessen durchsetzen wollen.

Frau R hat ihre Geschichte bereits verschiedenen Zeitungen erzählt. Das hat, so sagt sie, ihrem Selbstbewusstsein sehr geholfen. Während andere mit ihrem Leben spielen, wird sie weiter dafür kämpfen, die Kontrolle darüber zurückzubekommen.