So lange dauerte die Isolierungszeit, die Schiffe aus verseuchten Gebieten zur Prävention gegen das Einschleppen von Infektionskrankheiten an eigenen Liegeplätzen stillgelegt wurden. Die Übertragung dieser Kulturtechnik auf den Menschen stellt viele vor die unmögliche Herausforderung, möglichst sinnvoll ihre Zeit totzuschlagen. Die einen versenden ganze Listen von Filmempfehlungen, andere empfehlen die Lektüre, insbesondere des **Decamerone**, der Novellensammlung von Boccaccio, wieder andere beharren auf körperlicher Betätigung durch Heimtrainer, Geschlechtsverkehr oder Yoga.
Wenn ich das Wort «Quarantäne» höre, dann fange ich heimlich an zu zählen: von eins bis vierzig, zuerst auf Deutsch (eins, zwei, drei …), dann auf Italienisch (uno, due, tre …), dann auf Englisch (one, two, three …) und schließlich auf allen anderen Sprachen, mit denen ich in der Vergangenheit in Kontakt war. So habe ich gestern vor dem Einschlafen nicht nur auf Deutsch, Italienisch und Englisch bis vierzig gezählt, sondern auch auf Griechisch, Spanisch, Persisch, Arabisch, Igbo, Serbisch und Chinesisch – und es wäre noch lange so weitergegangen, wäre ich nicht vorher eingeschlafen.
Daniel Brandlechner ist (freier) Literaturwissenschaftler und Sprachlehrer. Zusammen mit Jenny Legenstein (Augustin) organisiert er die monatlich im Perinetkeller stattfindende Filmreihe «Film und Katastrophe». Die nächsten Themen und Filme sind (noch ohne Termin) Katastrophenpolitik: Loro 2, 2018) und Pandemie/Quarantäne: The Last Man on Earth, 1964.