Gegenüber dem Schwedenplatz ist alles in Raiffeisen-Hand – Aspekte der Raiffeisendominanz (Teil 15)
Mitten in der Stadt hat die «Bauernselbsthilfe-Organisation» Raiffeisen nicht etwa fruchtbare Äcker geschaffen, muss sie auch nicht; an der Leopoldstädter Seite des Donaukanals wurde die «Raiffeisen-Meile» geschaffen. Der Augustin sprach darüber mit dem Autor des stadtplanungskritischen Standardwerks «Wer baut Wien?», Reinhard Seiss. Das Buch beschreibt die freiwillige Aufgabe von stadtplanerischen Gestaltungsbefugnissen des zuständigen Ressorts zugunsten von Investoren-Interessen, die auf ein maximales Bauvolumen drängen was zu halb leer stehenden Beton- und Glasblöcken und nicht zu lebendigen Stadtvierteln führt.Wenn es zu einer Neuauflage des Buches «Wer baut Wien» kommen würde, gäbe es ein Kapitel »Raiffeisen-Skyline»?
Da würde sich tatsächlich das eine oder andere neue Kapitel aufdrängen: die Groteske um den Prater-Vorplatz, oder Wiens Umgang mit denkmalgeschützten oder schutzwürdigen Anlagen, beispielsweise der Augarten oder die Stadt des Kindes. Die Hochhausentwicklung entlang des Donaukanals könnte als Aktualisierung ins bestehende Hochhauskapitel Einzug halten. Da gilt grundsätzlich: Ohne den Sanctus des Rathauses ginge da nichts, und man muss wohl sagen, dass Raiffeisen nur das tut, was jeder andere Grundstückseigner oder Investor auch machen würde: nämlich das Maximum an Volumen, das die Stadt ihm einräumt, auszuschöpfen. Es geht also nicht um einen «bösen Investor», sondern um eine Planungspolitik, die das linke Donaukanalufer schon vor mehreren Jahren zur Hochhauszone ausgerufen hat, ohne dafür einen städtebaulichen Plan zu haben. Diesen Plan gibt es übrigens für keinen Bereich Wiens, ohne brauchbare dreidimensionale Vision für die Gesamtstadt wird auf der Ebene von Einzelprojekten entschieden.
Müssen dort Hochhäuser sein?
Keinem potenten Bauherrn wird irgendein Wunsch abgeschlagen! Aber: Der Donaukanal ist aus meiner Sicht keineswegs ein derart absurder Hochhausstandort, dass man sich nicht darüber Gedanken machen könnte, wo sich welche größere Bauten wie und mit welchem Mehrwert für die Stadt in den Bestand einfügen ließen. Nur macht sich solche Gedanken im Rathaus niemand.
Die «Initiative Denkmalschutz» sagt, das historische Stadtbild würde beeinträchtigt. Haben derartige Initiativen gegenüber einem Konzern wie Raiffeisen eine Chance?
Ich kenne die konkrete Stellungnahme nicht, jedoch: Denkmalsschutzargumente, die nicht für ein ausgewiesen schutzwürdiges Objekt, sondern gegen eine Veränderung zu Lasten des umliegenden Stadtbildes erhoben werden, haben einen schweren Stand und müssen sich von den «Machern» oft den Vorwurf des egoistischen oder antimodernen Verhinderns gefallen lassen. Andererseits fiele mir in Wien nichts ein, was ein fragwürdiges Projekt wobei ich nicht weiß, ob die gegenständlichen Pläne fragwürdig sind eher zu Fall bringen würde als eine Bürgerinitiative. Denn der Diskurs innerhalb der Wiener Fachwelt ist sehr lau und handfeste Kritik im Stadtplanungsapparat selbst eher unwahrscheinlich.
Ist in dieser Stadt wirkliche Partizipation ausgeschlossen, wenn es um konkrete Verwertungsinteressen geht? Werden Bürgerbeteiligungsexperimente nur gestattet, wenn es um Anliegen geht, die verwertungsmäßig neutral sind, wo also keine Investoreninteressen höchstens jene kleiner Investoren tangiert werden?
Ja! Ich kenne in Wien kein Projekt, bei dem es wirklich um etwas geht, bei dem die Planungspolitik freiwillig und rechtzeitig einen ernsthaften Partizipationsprozess gestartet hätte.
Wie wirkt sich die Raiffeisenmeile auf die sie umgebenden Stadteile der Leopoldstadt aus?
Jegliche Hochhausentwicklung am Donaukanal stellt einen enormen und aus meiner Sicht nicht unproblematischen Dimensionssprung im Vergleich zur bestehenden Bebauung der Leopoldstadt dar. Nicht unproblematisch, weshalb? Weil bei keinem dieser Gebäude städtebauliche Integrations- oder Übergangsbemühungen zum Umfeld hin erkennbar sind. Das ist auch das Oberflächliche an der geführten Hochhausdebatte am Donaukanal: Es wird ständig nur die Wirkung auf den Flussraum und den Ersten Bezirk debattiert, das Entscheidende sind aber die Folgen für die unmittelbare Umgebung. Da geht es nicht bloß um ästhetische Fragen, sondern um Verkehrsbelastung, Beschattung und andere Parameter. Dieselbe Oberflächlichkeit zeigte sich beim Projekt Wien-Mitte: auch da ging es stets um die Auswirkungen auf die Innenstadt, aber kaum einmal um die unmittelbaren Anrainer im Dritten Bezirk.
Ist das alles raiffeisenspezifisch?
Da dürfte man auch keinen Cent zur Bank Austria tragen siehe meine Aussagen zum Projekt Wien-Mitte. Es ist nun einmal so, dass es unter den Banken welche gibt, die lieber Kunst fördern und vermutlich auch dezenter bauen würden, und solche die den Hermann Maier sponsern und sich halt etwas protziger geben. Dass ein Konzernchef, der sich hauptsächlich vor vollen Tellern in Gourmetrestaurants und vor selbst erlegten Jagdtrophäen ablichten lässt, keinen Städtebaupreis gewinnen will, verwundert nicht. Wundern sollten wir uns lieber, was solchen Menschen in Wien alles von der Politik ermöglicht wird.