Vom Gesangsstudenten zum Faulturmtauchervorstadt

Taucht zum Putzen in die warme Finsternis ab: Faulturmtaucher Gregor Ulrich (Foto: Susi Mayer)

Wiener Berufung (Juni '23)

Eigentlich hat Gregor Ulrich klassischen Gesang studiert. Heute schrubbt der Wiener mit seinem Team aus Industrietauchern riesige Faultürme von Kläranlagen blitzeblank. In Österreich sei man als Berufstaucher ein Exot, sagt Ulrich: «In Hafenstädten ist das ein Beruf wie bei uns der Briefträger.» Nur verdiene man richtig gut dabei.
Aber jetzt zu den schmutzigen Details: Was macht ein Faulturmtaucher? Was in einer Kläranlage nicht schon riesige Rechen und Mikroben beseitigt haben, landet in einem Faulturm, wo die Zersetzung unter Gärung weitergeht. Weil es auch hier zu Ablagerungen kommt, müssen Faulturmtaucher ­circa alle zehn Jahre zur Putzaktion ­ausrücken. Dass die Kacke so richtig am Dampfen sei (die Flüssigkeit hat rund 38 Grad Celsius), will Ulrich so nicht stehenlassen: «­Keine Würstl, kein Klopapier ziehen in einem Faulturm ihre Kreise – das wurde alles bereits in den ersten Stationen ausgesiebt. Mit einer Ausnahme: feuchtes Toilettenpapier.» Aber was genau entfernen die Taucher dann? «Kennen Sie dieses Gemisch aus Haaren und Schmutz, das man aus dem Siphon im Badezimmer holt? Gut – und jetzt stellen Sie sich das so groß wie ein Auto und mehrere Tonnen schwer vor.»
Die Taucher gleichen bei ihren Einsätzen Astronauten, tragen dicke Schutzkleidung und Helme. Sie arbeiten in absoluter Finsternis und Stille. Zwischen vier und 12 Freelance-Taucher arbeiten für Ulrich und leben dabei aus dem Koffer: Bis zu 30 Tage dauern ihre Einsätze. Fluktuation gibt es wenig, das Tauchen mache süchtig, sagt Ulrich. Das Schrägste, das er einmal beim Auftauchen an seinem Anzug kleben ­hatte, war übrigens ein Gebiss. «Da war wohl ­jemandem schlecht und die Kukident hat nicht mehr so gehalten.»

Foto: Umwelttauchservice

Translate »