Vom Untertan zum Kunden?tun & lassen

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Kunde sein ist fein, wenn man Geld hat. Wenn man aussuchen kann, abschlagen kann, informiert ist. Wer aber nicht die Freiheit hat, mit Geld sich auszusuchen, was man will, abzuschlagen, was man nicht will, und alle Informationen einzusehen, die man braucht, dort ist Kundesein nicht fair. Je weniger Geld ich habe und je stärker meine Abhängigkeit in der Dienstleistungs-Beziehung, desto problematischer wird der Kundenbegriff.

Das Arbeitsmarktservice nennt Arbeitslose Kunden, für die sie auch ein ganzes Arsenal an Sanktions- und Druckinstrumente parat hält. Arbeitslose haben nicht die Geldmacht, die eigentlich die Freiheit des Käufers ausmacht; sie haben nichts zu kaufen, nur zu verkaufen: ihre Arbeitskraft.

Neuerdings nennt auch das Wiener Tageszentrum Josi die Wohnungslosen Kunden, und findet das ungeheuer respektvoll. Drinnen wird athmosphere management betrieben, soll heißen, dass die Räume nett gestaltet sind, Tee gekocht wird und es halt gemütlich ist.

Wir haben es hier mit einem Missverständnis zu tun. Die lange Tradition des Obrigkeitstaats in Österreich, der paternalistische Vater Staat, der seine braven Kinder beschenkt, soll offenbar dadurch überwunden werden, indem man den Untertan in den totalen Kunden verwandelt.

Das wäre nicht notwendig. Wohnungslose werden zuerst einmal respektvoll behandelt, weil sie Menschen sind, sie haben Schutz, weil sie Rechte haben, sie können öffentlich handeln, weil sie BürgerInnen sind. Dasselbe muss für Arbeitslose im Amt gelten, für Schüler in den Schulen, für Alte in den Pflegeheimen. Je größer das Abhängigkeitsverhältnis ist, desto stärker braucht es diese Bedingungen.

In der Wiener Lugner-City kaufen sich die Kids ein Cola, um dann fünf Stunden am Strohhalm zu nippen, das verhindert den Hinauswurf, da die Jugendlichen sich damit als Kunden erkenntlich zeigen.

Die Wohnungslosen im Bahnhof fliegen gleich raus, weil der Raum des Bahnhofs nun fürs Shoppen da ist. Der Bahnhofssozialdienst musste gleich aus dem Wiener Westbahnhof ausziehen.

Die Politik der Verknappung von Mitteln auf europäischer wie nationaler Ebene schlägt jetzt auf den kommunalen Bereich durch. Die Privatisierung sozialer Risken bedeutet für soziale Einrichtungen einen verstärkten Druck zur Kommerzialisierung ihrer Dienste. Nur wer wird sich zukünftig diese Dienste leisten können? Es geht dann eben hauptsächlich um Kunden, nicht mehr um BürgerInnen- oder Menschenrechte. Besonders fatal ist das für diejenigen, die keine Geldmacht als Kunden haben und dazu als MigrantInnen nicht einmal Bürgerrechte.

Wir sind nicht nur WirtschaftsbürgerInnen, sondern RepubliksbürgerInnen, private Bourgeoisie und vielmehr noch öffentliche Citoyens/Citoyennes. Für eine Verbesserung der wenig bürgerfreundlichen, wenig respektvollen, noch immer beschämenden, noch immer untertänigenden Dienste im Sozialbereich gilt es die republikanische Werte wie Gleichheit vor dem Gesetz, politische Gleichheit und soziale Teilhaberechte zu fördern. Und nicht das ganze Land in eine Kundenzone verwandeln. Das ist nicht fair für alle.

Martin Schenk

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