Vom Vertreiben und von TriebenHeroes

Die meisten seiner Kunden sind Frauen

Der „Gentleman vom Keplerplatz“ hat (Verkaufs-)Erfolg bei Frauen. „Natürlich kaufen auch Männer den AUGUSTIN, aber die meisten meiner Kunden sind Frauen“, sagt Franz Horvath, einer der längstdienenden AUGUSTIN-Kolporteure. Den Kopf unter dem AUGUSTIN-Kapperl, auf den Lippen immer ein aufmunterndes, die PassantInnen zum Lachen bringendes Wort, beweist Franz, daß Österreichs erste Boulevardzeitung auch im Arbeiterbezirk Favoriten punkten kann. Sein Charme sei „reine Verkaufs-Show“, sagt Franz; bei einer Passantin hat dieser Charme offensichtlich nachhaltige Wirkungen hinterlassen.So ist also Verkäufer Franz Horvath zu seiner Gaby gekommen. Ende Mai fand die Hochzeit statt. Eine AUGUSTIN-Angelegenheit: Die Trauzeugen Augustiner, das Standesamtsspublikum Augustiner, und auch Braut Gaby ist mittlerweile Augustinerin geworden. Nach den ersten noch zufälligen Treffen am Keplerplatz hatte Franz erfahren, daß die gelernte Friseurin Gaby auf Arbeitssuche war, und sie mit ins AUGUSTIN-Vertriebsbüro genommen. Die frischgebackene Verkäuferin leistete dann dem alten Hasen Franz am Keplerplatz Gesellschaft. „Die Kunden haben mich gefragt, ob ich auch obdachlos bin“, erzählt Gaby. „Ich habe ihnen dann erklärt, daß man sich an den AUGUSTIN auch wenden kann, wenn man zwar ein Dach übern Kopf, aber keine Arbeit hat“.

Für Franz Horvath, den geborenen Südburgenländer, der seit seinem fünften Lebensjahr in Wien lebt, beginnt nun – auch dank Gaby – ein soliderer Lebensabschnitt. Als er vor 15 Jahren nach einem langjährigen Häfen-Aufenthalt entlassen wurde, fand er sich weniger in der „Freiheit“, als vielmehr im Nichts wieder: keine eigene Wohnung und – als Vorbestrafter und körperlich nicht mehr fit – ohne Chancen auf einen normalen Job. Er fand Unterschlupf bei Freunden und problematischen Lebensgefährten, die ihn immerhin vor Bahnhofs- oder Straßen-Nächten bewahrten. In der Regel, nicht immer. Vor einigen Jahren ergab es sich, daß Franz den Heiligen Abend am Südbahnhof verbringen mußte: „Eine Sozialarbeiterin hat mich dort aufgestöbert und mir geraten, in die Gruft zu gehen. Ich bin ihr nicht gefolgt, ehrlich gesagt, ich hätte die Masse dort nicht ertragen. Ich derpack‘ es nicht, wenn neben dir hundert Leute schnarchen.“ Mittlerweile ist Franz in Gabys Gemeindewohnung eingezogen.

Zum AUGUSTIN sei er „mit zwanzig Schilling in der Tasche“ gekommen, meint Franz. Das war vor mehr als drei Jahren. „Ich möchte auf diesem Weg alle meine Kundschaften grüßen: So wie ich der Gaby treu bleiben werde, bleibe ich meinen Kunden treu.“

Allerdings werde er sich nun um seine Pension bemühen: Die Straßenzeitung allein ist keine Lebensversicherung. Gaby hatte, als der AUGUSTIN mit ihr sprach, einen Job in Aussicht. Wenn alles klappt, wird Tunesien ein Wiener Paar auf verspäteter Hochzeitsreise begrüßen dürfen.

Schloßgasse 6-8: beste (Ver)Triebsadresse. Gaby und Franz sind nicht die ersten, die sich auf der menschelnden Drehscheibe namens AUGUSTIN lieben lernten. Wenn 200 Verkäuferinnen und Verkäufer handeln, geht es nicht nur um Ware-Geld-Beziehungen (siehe auch Seite x). Das Leben ist unberechenbar.

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