Der hollywoodeske Werdegang eines einfachen Assistenten
Wiederholt wurde in dieser Serie die These vertreten, der Raiffeisenkonzern benötige keine Lobbyisten, da Anliegen der ehemaligen Bauern-Selbsthilfeorganisation direkt von Raika-Funktionären in den Schaltzentralen der Republik erledigt werden. Aktuelles Beispiel: der ehemalige Sekretär von RZB-Chef Walter Rothensteiner, Michael Höllerer.Michael Höllerer war Assistent des RZB-Häuptlings am Wiener Stadtpark. Der Chef konnte seinem Adlatus vertrauen, und der ehemalige Finanzminister Josef Pröll suchte einen Experten in seinem Kabinett für die Themenbereiche Finanzmarkt und Banken. Rothensteiner empfahl den Assistenten. Für den Raiffeisensektor kam die Anfrage exakt zum richtigen Zeitpunkt: Als Höllerer ins Finanzministerium wechselte, stand das Bankenrettungspaket zur Debatte, und die Interessen der wesentlichen Bankengruppe Österreichs sollten gewahrt werden. (Oder: War es eine Anfrage? Oder sagte die Raiffeisenführungscrew dem Ministerium: «Guten Tag, wir schicken jetzt unseren Mann ins Ministerbüro?» Oder: «Wir geben unserem Minister unseren Mann zur Seite?»). Die Staatshilfe für die Banken sollte so über die Bühne gehen, dass letzten Endes Steuergeld in die Tresore der Banken fließt, die Auflagen der Republik an den Bankensektor erträglich bleiben und auch das Image der Giebelkreuzler weiter glänzen darf. Höllerer kam dem ÖVP-Finanzminister Josef Pröll (bekanntlich nach seinem Abgang aus der Politik nicht überraschend im Bereich Raiffeisen tätig) zu Hilfe und war bei Prölls Nachfolgerin Maria Fekter ebenfalls aktiv. Fekter setzte Michael Höllerer auch bei der Entwicklung eines Bankeninsolvenzrechtes ein.
Bei der Entwicklung eines Insolvenzrechtes für Banken, einer derart komplexen Materie, kommt es auf Nuancen und Feinheiten an, die darüber entscheiden, ob ein derartiges Rechtsgebilde für die betroffenen Banken günstig ist oder nicht. Höllerer war im Finanzministerium mit dem Bewusstsein tätig, dass ihm eine Rückkehr in den Raiffeisenkonzern offen steht. Mit diesem Wissen darf das Publikum nun entscheiden, mit welchen Interessen der Ex-Sekretär der Raiffeisen Zentralbank im Finanzministerium der Republik tätig war. Hier das (in unserer Wirtschaftsordnung legitime) Interesse eines Finanzkonzerns seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, dort das Interesse der Republik, das Geld der Steuerzahler_innen bestens zu nutzen und zu verwalten.
Um die Situation zu verdeutlichen, sei die in diesem Fall unverdächtige Tageszeitung «Die Presse» zitiert: «Höllerer ist das Bindeglied zwischen Fekters Kabinett und den Finanzkonzernen. Über seinen Schreibtisch laufen alle entsprechenden Gesetzesinitiativen.» Die der ÖVP nahestehende Tageszeitung, mit laut Eigenwerbung «Wirtschaftskompetenz», ist da erfrischend offen. Als Höllerer von der RZB ins Finanzministerium übersiedelte, gab es harsche Kritik: Der grüne Finanzsprecher Werner Kogler sprach von «schiefer Optik» und «Unvereinbarkeit» und beleuchtete damit die Tatsache, dass der Raiffeisenmanager just zu jenem Zeitpunkt ins Ministerium wechselte, als Raiffeisen Staatshilfe beantragte.
Die These der Nicht-Notwendigkeit des Einsatzes von Lobbyisten durch Raiffeisen kann am Beispiel Höllerer noch durch weitere Umstände erhärtet werden: Raiffeisenmann Höllerer wurde im Gewande eines Kabinettsmitgliedes vom Ministerium in den Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesforste AG geschickt. Selbstverständlich nicht als einfaches Mitglied, der Giebelkreuzler durfte die Position des Vorsitzenden Stellvertreters besetzen. Während seiner Zeit im Finanzministerium war Michael Höllerer auch Aufsichtsrat der Finanzmarktaufsicht. Im Ministerbüro des Finanzministeriums und im Zentrum der Finanzmarktaufsicht – mehr geht nicht.
Kritisiert wird die Tätigkeit Höllerers auch von rechts außen: FPÖ-Führer Strache echauffiert sich darüber, dass Höllerer auch bei der Vergabe der Casinolizenzen durch das Finanzministerium mitgemischt habe und Raiffeisen doch Gesellschafter der Casino Austria AG sei. Als der heutige FPÖ-Führer seinerzeit im Parteivorstand während Schwarz/Blau saß, war Strache auffallend still. Also wieder das alte Sprichwort: Die halbe Wahrheit ist die ganze Lüge.
Nach der erfolgreichen Tätigkeit Höllerers im Finanzministerium kam für Höllerer die Zeit der Ernte: Er kehrte zu Raiffeisen zurück und ist heute Generalsekretär der Raiffeisen Zentralbank.