Von Gemeingut zu Luxusgut?tun & lassen

Illustration: Much

Immo aktuell Juni 2023)

Das Gelände des ehemaligen Otto-Wagner-Spitals im 14. Wiener Bezirk ist seit Jahrzehnten umkämpft. Sehr unterschiedliche Nutzungsvorstellungen prallen hier zusammen. Nun sollen in einem Teil des Areals Luxuswohnungen entstehen. Dagegen gibt’s hartnäckigen Protest.

 

Christine Muchsel von der Bürger:innen­initiative «Steinhof als Gemeingut erhalten und gestalten», kurz «Steinhof gestalten», möchte reden. Und zwar mit Bürgermeister Michael Ludwig. Reden möchte sie über die Rolle des Wohnbauunternehmens Gesiba. Es gehört zu 97 Prozent der Wien Holding, die wiederum Eigentümerin zahlreicher stadtnaher Unternehmen ist, wie zum Beispiel der Wiener Häfen. Die Wien Holding selbst befindet sich im Eigentum der Stadt Wien. Über diese Konstruktion wird öffentliches Eigentum profitorientiert und unter privatwirtschaftlichen Bedingungen verwaltet.

Problem Zwischennutzung

Die Gesiba hat bereits seit längerer Zeit ein Auge auf eine Pavillon­reihe im Wirtschaftsareal des ehemaligen Otto-Wagner-­Spitals entlang der ­Reizenpfenninggasse geworfen. Es ist ein Areal, mit dem Christine Muchsel viel verbindet. Hier engagierte sie sich vor einigen Jahren für 120 Geflüch­tete, die dort zeitweise untergebracht waren. Mit Begeisterung spricht sie über die 20 Musik- und Theatergruppen, die hier das letzte Jahrzehnt hindurch proben konnten. Damit ist nun Schluss. Die Theatergruppen mussten gehen, damit die Umwandlung in Wohnungen passieren kann. Dies ist ein in Wien regelmäßig zu ­beobachtender Vorgang. Oft lässt die Stadt Wien die Zwischennutzung ­leerstehender ­Gebäude für Künstler:innen zu, bis diese ­einer Aufwertung zugeführt werden können.
Mit wütender Stimme spricht Muchsel von «Luxuswohnungen für ein paar ­Privilegierte mit Balkonen», die hier geplant seien. Der Gesellschaft werde hingegen eine «wichtige soziale Ressource» entzogen, Muchsel spricht von «Enteignung». Anstatt Luxuswohnungen zu bauen, brauche die Stadt Wien zukünftig verstärkt Einrichtungen für «Alkoholkranke, Obdachlose und Flüchtlinge». Doch ­darüber wolle bei der Stadt Wien niemand mit ihr ­reden, der Bürgermeister auch nicht.

Vereinbarung nur auf Papier

Protest kommt auch von Sabine Plakolm-Forsthuber, Professorin am Institut für ­Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege an der TU Wien. Im Jahr 2012 war sie Teil eines Expert:innengremiums, welches in Folge eines von der damaligen Vizebürgermeisterin Maria ­Vassilakou initiierten Mediationsverfahrens Überlegungen über mögliche Nachnutzungen für das Areal anstellen sollte. In diesem Mediationsverfahren hatten sich alle Beteiligten einstimmig dafür ausgesprochen, bei der zukünftigen Nutzung der ehemaligen ­Wäscherei einen Vorrang für therapeutische Zwecke einzuräumen und außerdem eine Nutzung für Kunst und Kultur anzustreben. Es wurde keine abweichende Meinung protokolliert, auch nicht von Vertreter:innen der Gesiba, die die Mediationsvereinbarung ebenfalls unterschrieben hatten. «Ich ersuche Sie höflichst, die Konzepte der Gesiba zu stoppen und für die Wäscherei eine öffentliche Nutzung auf dem Sektor der Kunst und Kultur oder für therapeutische Einrichtungen vorzusehen», so Plakolm-Forsthuber in ihrem offenen Brief an Bürgermeister Michael Ludwig.

Stadtregierung schweigt

So vehement Menschen wie Christine Muchsel und Sabine Plakolm-Forsthuber den öffentlichen Dialog einfordern, so schwierig ist es, Informationen bei den beteiligten Stellen der Stadt Wien, des Bezirks Penzing und der Gesiba einzuholen. Anfragen werden nur dürr und einsilbig ­beantwortet. Das Büro von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál verweist darauf, nicht für die Gesiba zuständig zu sein. Das stimmt, denn für die Wien Holding, also auch für den Bauträger Gesiba, ist Wirtschaftsstadtrat ­Peter Hanke verantwortlich. Jedenfalls konnte das Büro Gaál immerhin mitteilen, dass «zum ­aktuellen Zeitpunkt keine Baubewilligung von der Baupolizei vorliegt». Das Büro ­Hanke hat Anfragen zu den ­Umbauplänen bislang nicht beantwortet. Penzings Bezirksvorsteherin ­Michaela ­Schüchner ­erklärte auf Anfrage: «Ich habe ­keine Informationen darüber, dass die ­­Pavillons auf dem ­Otto-Wagner-Areal im Juli in Wohnungen umgebaut werden sollen.»
Zumindest eine Bestätigung der ­Umbau- und Sanierungspläne lieferte schließlich die Gesiba selbst. Sie will voraussichtlich noch heuer damit beginnen, der Baubeginn sei «­jedoch noch nicht fixiert». Sie bestätigt, dass zwei Bauplätze, darunter die ehemalige Wäscherei, in der «Bauvorbereitungsphase» ­seien. In der Wäscherei seien 42 Wohneinheiten geplant, an anderer Stelle 84. Die Quadratmeterzahl betrage zwischen 30 und 110 Quadratmeter. «Die Wohnungen werden als frei finanzierte Mietwohnungen ohne Kaufoption errichtet», so die Gesiba weiter. «Als Nutzung ist leistbares Wohnen sowie zu 25 Prozent ­betreutes Wohnen vorgesehen.» Vielleicht soll Letzteres das Bedürfnis nach therapeutischen Zwecken befriedigen? ­Christine ­Muchsel wartet derweil weiterhin auf eine Antwort vom Bürgermeister.