Von Pippi Langstrumpf bis Wendy O. WilliamsArtistin

Musikarbeiter unterwegs … mit musikalisch wilden Buben und Frauen

«Age Of Scare» heißt das Album des Heavy-Quartetts Raptor 200. Sängerin und Texterin Claudia Jusits gewährt Einblicke ins Bandleben und die Metal-Szene. Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang

Es gibt – zum Glück! – so viel Musik auf dieser Welt und in Wien. Vermessen, weil unmöglich, auch nur vorzugeben, alles im Blick zu haben und in der Berichterstattung abzubilden. So lassen sich diese Artikel immer wieder treiben, streifen als Hinweis zum Weitereintauchen in Genres und Zusammenhänge, die ausführlichere Auseinandersetzung verdienen. Wie das Geschehen im stets aktiven Heavy-Sektor, dessen viele Subszenen von Melodic bis Death Metal die Liebe zum gepflegten Headbanging eint. Eine bessere Ausflugsbegleitung als Claudia Jusits kann mensch sich dabei nicht wünschen. Die Frontfrau und
Shouterin/Sängerin der Band Raptor 200, deren Geschichte 2015 ihren Anfang nahm, hat nach Abschluss des Lektorats für die nächste Ausgabe von Stark!Strom, dem Magazin für Rock & Metal (www.starkstrom.live) in einem Proberaum in 1030 Zeit für die Musikarbeiter.

It kicked off with Iron Maiden.

Claudia lässt ihren Weg ans Mikro von Raptor 200 Revue passieren. 1966 als Kind von Ungarnflüchtlingen in Wien geboren, spielt sie schon im Alter von elf Jahren in der Schule in einer Band. Die Schule selbst war damit eher uninteressant. «Das Miteinander-Musikmachen hat mich gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.» Als «leidenschaftlicher Autodidakt» beschäftigt sie sich seither mit Musik und ihrer Stimme, liebt Klassik und «gute große Stimmen», bis sie auf Iron Maiden stößt. «Vergleichbare Technik, viel bessere Musik – die Klassikfans mögen mir verzeihen.» Abermals packt Claudia Jusits ein «Virus», der sie nicht mehr loslässt – und den sie nicht mehr loslässt. Mit Wendy O. Williams (Plasmatics) und Dawn Crosby von der Trash-Metal-Band Détente als Rolemodels, «wilde Frauen, die beide leider nicht mehr unter uns weilen», entwickelt sie ihren eigenen, unverkennbaren Gesangsstil, den sie heute mit Raptor 200 so entschlossen wie gekonnt ausspielt. Ihre andere große Leidenschaft für Bücher, Literatur und Sprache kommt zum Ausdruck, als sie das Spektrum ihrer Inspirationen noch einmal anders definiert: «Von Pippi Langstrumpf bis Wendy O. Williams.» Kein Wunder, dass die Sängerin für männliche Machos, die im Metal ebenso vorkommen wie bei Die Grünen oder jedem anderen walk of life, im Notfall einen prägnanten Sager parat hat, der Schwanzträgern die Überlegenheitsphantasien nachhaltig austreibt. Rücksichtsvoll wird er als «nicht ganz jugendfrei» angekündigt: «Schau, du hast zwei Eier, ich hab hunderte …»

Mad Adventure.

Mit der Band Black Acid, von 1990 bis ’93/94 aktiv, unter anderem mit ihrem Bruder im Line-up, hatte Claudia schon einmal ein optimales Outlet. Die Auflösung war der Verwicklung von Privatleben und Kunst geschuldet, mit der Ehe mit dem Gitarristen endete auch die Band. Ins weitere Leben wurde nach einem weiteren Umweg die Erkenntnis mitgenommen, «darauf zu schauen, dass nicht immer die Kunst kaputtgeht». Durch das Singen mit der Rockband Gods Of Wien führt der Weg zur Umsetzung dieser Maxime über ein betrunkenes Telefonat. Deren Drummer hat dem Gitarristen Gerhard Kollmann von Claudia erzählt, die unmittelbar kontaktiert wurde: «Ich brauche einen Gesang.» Ein späteres Treffen im Little Stage, wo es damals noch Proberäume gab, führte schließlich zu Raptor 200, deren Aufstellung sich 2017 mit Gerhard Ulbert (Bass, Akkordeon, Cello) und dem 19-
jährigen Drummer Nicolas Pallauf konsolidierte, wenigstens einmal die Woche ist Probe. Claudia Jusits, die nach Jahren als Angestellte und Betriebsrätin (in einem Finanzunternehmen) mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn heute als selbstständige Lektorin und (Gelegenheits-)Autorin arbeitet, griff in ihre zwei «Schatzkästchen». «In einem sind Texte, im anderen Vocal-
Lines, selten ein Riff.» Das fügte sich mit den Inputs der anderen Raptoren auf Augenhöhe zusammen, wie die neun Songs von Age Of Scare, die «immer, wenn Zeit war», über gut ein Jahr im t-on Studio mit Peter Cebul aufgenommen und produziert wurde, (ein)druck(s)voll beweisen. Das fährt wie eine Hölle, in die mensch sich, selbst bei geringster Affinität zu härterer Musik, nur zu gern begibt. Sozialisiert in einer Zeit, «in der es nur zwei Genres gab – «Metal und ka Metal», lässt die Sängerin «Metal» als Beschreibung für ihre Musik stehen. Ausführlicher erklärt sie die Musik, die sich auf dem Album inhaltlich mit den verschiedensten Ängsten beschäftigt, so: «Es ist schon das Heftigere, auch weil ich extrem sing´, es ist eher schnell und hart, keine Soli – mag Gerhard nicht. Live sagen wir immer ‹Ballade›, aber die Ballade kommt nie.» Zu Mad Adventure, einem der prägnantesten Songs, der von einer Piratenfahrt oder ebenso von einem Bandtrip handeln könnte, gibt es ein sehenswertes Video. Überhaupt – join this adventure!

Raptor 200: Age Of Scare (Eigenverlag)
www.raptor200.at