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Arbeit ist die beste Form der Armutsbekämpfung, sagen die einen. Eine Grundsicherung würde die Armut abschaffen, sagen die anderen. Bildung ist der Schlüssel, sagen die dritten. Arme bekämpfen statt der Armut, sagen die vierten zwar nur leise, drücken es aber durch ihre Vorschläge laut aus. Was hilft nun wirklich? Nehmen wir einmal die Klassenkämpfer von oben beiseite, deren Maßnahmen offensichtlich der Produktion von Armut dienen anstatt ihrer Bekämpfung, so haben die anderen irgendwie alle Recht. Aber doch irgendwie wieder nicht.Denn Armut hat viele Dimensionen. Deshalb sind die Instrumente zu ihrer Bekämpfung auch in allen Dimensionen anzulegen. Für die Reduzierung der Armut braucht es einen ganzheitlichen Approach, einen integrierten Ansatz, die Fähigkeit, in Zusammenhängen zu denken. Mit einseitig geht gar nichts. Mit einem Faktor allein tut sich kaum was. Erst das Zusammenspiel mehrerer richtig gesetzter Interventionen zeigt Wirkung.
Armutsbekämpfung ist erfolgreich, wo der Mensch als Ganzes gesehen wird. Wer mit Erwerbslosen zu tun hat, denkt an Bildung, an Existenzsicherung, an Wohnen, Familie, Gesundheit. Wer mit Gesundheitsfragen von Armutsbetroffenen zu tun hat, sorgt sich um sinnvolle Tätigkeiten, nicht schimmlige Wohnungen, Bildung, Erholungsmöglichkeiten und eine Lösung der stressenden Existenzangst. Zum Beispiel darf sich Arbeitsmarktpolitik paradoxerweise eben nicht nur um den Arbeitsmarkt drehen. Erfolgreich sind bei Personen mit vielfachen Problemlagen gerade jene Ansätze, die auch an den anderen Dimensionen ansetzen: Gesundheit, Freundschaften, Erholung, Wohnen etc. Davon kann besonders die Politik lernen. Statt in Kastln, besser in Zusammenhängen denken: Gesundheitspolitik ist Wohnungspolitik, Bildungspolitik ist Sozialpolitik, Stadtplanung ist Integrationspolitik.
So vermeiden zum Beispiel die höchsten Familiengelder allein Armut nicht, sonst müsste Österreich die geringste Kinderarmut haben; die hat aber Dänemark; mit einer besseren sozialen Durchlässigkeit des Bildungssystems, einem bunteren Netz von Kinderbetreuung wie auch vorschulischer Förderung und höheren Erwerbsmöglichkeiten von Frauen. Arbeit schaffen allein vermeidet Armut offensichtlich nicht, sonst dürfte es keine Working Poor in Österreich geben. Eine Familie muss von ihrer Arbeit auch leben können. Und Anti-Raucher-Kampagnen allein vermeiden das hohe Erkrankungsrisiko Ärmerer offensichtlich nicht, sonst würden arme Raucher nicht früher sterben als reiche Raucher. Deutschlernen allein reduziert Armut und Ausgrenzung allein offensichtlich auch nicht, sonst müssten die Jugendlichen in den Pariser Vorstädten bestens integriert sein, sprechen sie doch tadellos französisch, es fehlt aber an Jobs, Aufstiegsmöglichkeiten, guten Schulen. Ein Schlüssel braucht immer auch ein Schloss. Die einen investieren nur in Schlüssel, die anderen nur in Schlösser, und dann wundern sich alle, dass die Türen nicht aufgehen.