Von Superhosts und Kurzzeitgästentun & lassen

Tourismus in Wien. Darf eine Wohnungseigentümerin an Kurzzeitgäste vermieten, ohne im Haus um Erlaubnis zu fragen? Die Antwort ist nein. Text: Christian Bunke, Illustration: Much

Eine Frau im Bezirk Landstraße bietet zwei ihrer drei Wohnungen auf der Onlineplattform Airbnb zur Kurzzeitmiete an. Dafür verlangt sie 35 beziehungsweise 39 Euro pro Nacht. Im Konzernsprech der Onlineplattform ist die Frau ein «Superhost». Was das ist, beschreibt Airbnb so: «Im Rahmen des Superhost-Programms werden die mit den besten Bewertungen ausgezeichneten, erfahrensten Gastgeber auf Airbnb gefeiert und geehrt.»

Super genug.

Ein Superhost zu sein ist anstrengend. Alle drei Monate wird von Airbnb überprüft, ob die dafür nötigen Standards eingehalten werden. Man muss eine Gesamtbewertung von 4,8 Sternen oder höher erzielen. «Superhosts haben im letzten Jahr mindestens 10 Aufenthalte ermöglicht oder an mindestens 100 Nächten bei mindestens drei Aufenthalten Gäste beherbergt», so Airbnb. Die Stornierungsrate muss bei unter einem Prozent liegen. «Das bedeutet 0 Stornierungen bei Gastgebern mit weniger als 100 Buchungen im Jahr», so die Bedingung. Und: «Superhosts antworten auf 90 Prozent ihrer neuen Nachrichten innerhalb von 24 Stunden.»
Es ist also kein Wunder, dass unser Superhost aus Landstraße sicherstellen wollte, dass ihre zwei Wohnungen möglichst dauerhaft vermietet waren. Mindestens einem Nachbarn gingen die dauernden Ein- und Auszüge auf die Nerven. Er klagte und berief sich dabei auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, wonach man Wohnungseigentümer_innen im Haus um Erlaubnis fragen muss, wenn man Wohnungen kurzfristig bis zu 30 Tagen vermieten will.

Leider zu kurz.

Eine Erlaubnis sei gar nicht nötig, meinte die Vermieterin. Schließlich blieben ihre Kurzzeitmieter_innen immer knapp über 30 Tage. Es kam zum Prozess vor dem Bezirksgericht Innere Stadt. Dieses entschied: Mietdauern bis zu sechs Monaten sind kurzfristig, Vermieter_innen müssen sich also eine Genehmigung von den Miteigentümer_innen holen. Es sei denn, eine solche Erlaubnis ist bereits im Eigentumsvertrag geregelt.
Stadtforscher_innen dürften die Auswirkung dieses Urteils auf den Wiener Wohnungsmarkt in den kommenden Monaten mit Interesse verfolgen. Denn Airbnb hat in der Hauptstadt deutliche Spuren hinterlassen, wie eine Studie von Roman Seidl, Leonhard Plank und Justin Kadi zeigt. Hatte die Plattform im Jahr 2014 noch 1.300 Unterkünfte gelistet, waren es im August 2017 bereits rund 8.600.

Knapp und teuer.

Der Fall in Wien Landstraße ist laut dieser Studie typisch für die Art, in der Airbnb in Wien von Vermieter_innen genutzt wird. Im Fazit der Autoren heißt es: «Mit rund 70 % stellt die Vermietung von ganzen Wohnungen bzw. Häusern, die exklusiv von MieterInnen genutzt werden, den mit Abstand wichtigsten Unterkunftstyp dar.» Dies sei für Eigentümer_innen lohnenswert, da Airbnb in Wien höhere Einnahmen als durch reguläre Vermietung verspreche.
Die Konsequenz sei wachsender Druck auf den Wohnungsmarkt, «insbesondere in Gebieten, in denen die Mieten und die Nachfrage nach Wohnungen bereits sehr hoch sind». Besonders betroffen seien «die Gebiete rund um den Spittelberg und das Freihausviertel (…) mit einer Anzahl von bis zu 100 entzogenen Wohnungen innerhalb von 500 m». Besonders stark sei der Anreiz, Wohnungen in dauerhafte Ferienunterkünfte umzuwandeln, im 10. und 11. Bezirk, sowie im 1., 4., 6. und 7. Bezirk.»

Kleine und große Fische.

Wer sind die bei Airbnb aktiven Vermieter_innen eigentlich? Etwas mehr als die Hälfte sind laut der Studie Kleinanbieter_innen: «Sie vereinen rund 6 von 10 der angebotenen Unterkünfte. Die verbleibenden knapp 40 % entfallen auf Vermieter mit mehr als nur einem Angebot. Wiens Top-Anbieter hat 43 Unterkünfte.»
Somit fällt unsere Vermieterin aus Landstraße wohl in die 40-Prozent-Kategorie, auch wenn sie «nur» zwei Wohnungen auf Airbnb vermietet. Zu den wirklich großen Fischen dürfte sie dennoch nicht gehören. Als Superhost muss sie viel Arbeitszeit in die Vermietung investieren. Man kann also eine gewerbliche Motivation vermuten.
Hier sehen die Autoren der Studie weiteren Forschungsbedarf. Sie fragen: «Inwiefern wird Airbnb eher zur Aufbesserung des Haushaltsbudgets verwendet oder inwiefern ist es auch Ausdruck von Armut und Strategie, um sich die eigene Miete überhaupt leisten zu können?» Und: «In welchem Ausmaß verstecken sich Immobilienunternehmen oder Hotels hinter den großen Anbietern bzw. inwiefern sind auch tatsächlich Privatpersonen als große Vermieter aktiv? Welche Eigentümerstrukturen stehen hinter den Großvermietern?» Airbnb scheint eine große Fläche zwischen den Eckpunkten (Selbst-)Ausbeutung, Profitmaximierung und Verdrängung zu besetzen. Das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt hat nur einen kleinen Lichtschein darauf geworfen. 

Seidl, R. J., Plank, L., Kadi, J. (2017)
Airbnb in Wien: eine Analyse, interaktiver Forschungsbericht:
wherebnb.in/wien