«Von Wien nach London»vorstadt

Lokalmatador

Elias Bohun bietet Alternativen zum Fliegen. Er bucht Fahrkarten zu ferneren Bahnhöfen.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Mit der Bahn nach Singapur? Lissabon? Narvik? Casablanca? «Kein Problem», sagt Matthias Bohun, sobald uns die Pandemie wieder loslässt. Der junge Mann weiß, wie man mit dem Zug in die Ferne gelangt. Er ist selbst viel auf Schienen unterwegs. Zu Jahresbeginn hat er mit seinem Vater das virtuelle Reisebüro Traivelling.com eröffnet. Dort gibt er sein Know-how kommerziell weiter.

Nach Madrid.

Wer schon einmal versucht hat, eine Fahrkarte nach Madrid oder Belgrad zu kaufen, weiß: Bohuns Expertise wird dringend benötigt. Selbst Fachleute an den Ticketschaltern und in den Reisebüros geraten schnell an die Grenzen des digital Machbaren.
Ein Blick auf die Fahrpläne, die auf den Bahnsteigen des Hauptbahnhofs aushängen, zeigt schnell: Wien liegt zwar in der Mitte Europas und besitzt auch einen repräsentativen Bahnhof. Aber weit kommt man von hier ohne Umsteigen nicht: Keine direkten Verbindungen gibt es leider nach Paris, Marseille, Barcelona, Madrid, Lissabon, London oder ins Baltikum.
Elias wird von seinem Vater Matthias Bohun unterstützt. Der war in jungen Jahren mit Interrail unterwegs. Heute wundert er sich: «Damals war Österreich noch nicht Mitglied der Europäischen Union. Klimawandel war auch noch kein Thema. Aber zu international gültigen Fahrkarten kam man leichter als heute.»
Der Junior, Jahrgang 2000, profitiert somit unfreiwillig von der Abschottung privater und nationaler Bahngesellschaften: «Eigentlich wollte ich Reisenden helfen, Züge nach Asien oder Nordafrika zu buchen. Doch schon die ersten Anfragen haben gezeigt, dass die Leute Probleme haben, wenn sie mit dem Zug von Wien nach London fahren wollen.»

Nach Hanoi.

Die Geschäftsidee kam dem heute Zwanzigjährigen auf einer längeren Reise nach der Matura: «Ursprünglich wollte ich mit meiner damaligen Freundin nach Sri Lanka fliegen. Die Tickets hatten wir bereits.» Aber dann habe er ein schlechtes Gewissen bekommen: «Man kann nicht gegen die dritte Flugpiste in Schwechat und für den Klimaschutz sein und gleichzeitig in der Welt herumjetten.»
Elias Bohun bekam für die Flugtickets keinen Cent rückerstattet. Die Planung seiner Zug­reise bis Hanoi hat ihn zudem drei Monate Lebenszeit gekostet. Dennoch blieb er bei seiner Kursänderung.
Die Fahrt hin und retour war mit fünf Wochen deutlich kürzer. Es ging in unvergesslichen Zügen durch Ungarn, die Ukraine, Russland («sehr pünktlich»), Kasachstan («sehr modern»), China («sehr abwechslungsreich») und Vietnam («im Nachtzug»). Unterwegs wurde er a) bewundert und b) oft um Rat gefragt. «Da wurde mir klar, dass ich ein Betätigungsfeld für mich gefunden habe.»
Die Idee ist dann während seines Zivildienstes beim Verkehrsclub Österreich weiter gereift, wo man ihn auch bestärkt hat. Zusätzliches Glück hatte der junge Mann in der Person seines Vaters: In positiver Erinnerung an die alten Interrailzeiten war der Gymnasiallehrer und Outdoortrainer sofort für die Idee zu begeistern.
Inzwischen gibt es Vertragspartnerschaften in etlichen Bahnländern, über die Elias Bohun direkt zu Fahrkarten kommen kann. Den Vorteil für seine Kundschaft beschreibt er so: «Sie müssen nicht tagelang im Internet recherchieren und am Ende so wie ich zittern, dass ihre Tickets in irgendeinem Hotel liegen. Wir stellen ihnen alle Unterlagen vor Antritt der Reise zur Verfügung bzw. hinterlegen sie verlässlich vor Ort.»
Für seine Vermittlungsdienste verlangt er 15 Prozent des Ticketpreises plus 25 bis 75 Euro abhängig vom jeweiligen Arbeitsaufwand.

Zum Aralsee.

Mehr als 5.000 Menschen haben bisher angefragt, hundert trotz Corona-Reisebeschränkungen auch gebucht. Uwe aus Hamburg ist laut Unterlagen der Kunde Nr. 1. Er hat auch gleich Fotos von seiner Reise zum Aralsee via Instagram gepostet.
Einige Anfragende müsse er leider enttäuschen, sagt Matthias Bohun: «Die Zugfahrt von Sofia nach Wien dauert nun mal zweieinhalb Tage. Es gibt keine Anschlüsse am selben Tag. Somit muss man zwei Mal übernachten.» Seine Hoffnung: «Dass irgenwann die Nachfrage der Konsument_innen so groß sein wird, dass mehr Geld in die Bahn investiert werden muss.» Ob er das noch erleben wird?
Bisher zeigten die meisten, die mit der Realität konfrontiert werden, Verständnis. Sogar jene Reisegruppe, die von Budapest bis Belfast vier Tage lang unterwegs war. Was Elias Bohun besonders freut: «Dass zuletzt Schulen bei uns angefragt haben, mit dem Hinweis, dass die Kinder nicht mehr fliegen wollen.» Mehr auf der neuen automatisierten Seite:
www.traivelling.com