Lokalmatador
Sepp Eisenriegler hat Wien die Umweltberatung, das R. U. S. Z und das Reparaturcafé beschert.
TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG
Handmixer, Haarfön, Toaster, Lampen, Kaffeefiltermaschinen und noch einiges mehr: Das reparieren sie, immer am Donnerstagnachmittag. Und vor allem: immer gemeinsam!
Drei ehrenamtlich agierende Techniker leiten an, ermächtigen. Die drei Männer sind mit großer beruflicher Erfahrung ausgestattet, zudem mit einem Helfergen und dem notwendigen Fingerspitzengefühl für zwischenmenschliche Schwingungen. Das passt gut: Ihre Kundschaft lernt so, Handgriff für Handgriff, selbst zu reparieren.
«Genau so soll es sein», freut sich Sepp Eisenriegler im Keller eines alten Industrieareals an der Lützowgasse. Hier hat er im November 2013 das erste Reparaturcafé Wiens eingerichtet. Seine Bilanz ist durchwegs positiv: «Wir haben seither an die 10.000 Geräte vor dem Müllberg gerettet.»
Vor 23 Jahren.
Das Reparaturcafé ist ein pulsierender Teil vom Reparatur- und Servicezentrum (kurz R. U. S. Z). Eisenriegler hat auch diese inzwischen stadtbekannte Einrichtung gegründet, vor 23 Jahren.
Von Anfang an verfolgte er mit dem R. U. S. Z neben ökologischen auch sozialpolitische Ziele: «Ich wollte nicht nur aktiv etwas gegen den Elektrogeräte-Wegwerf-Wahnsinn tun. Ich wollte auch langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance bieten, noch einmal auf dem Arbeitsmarkt richtig Fuß zu fassen.»
Reparieren, integrieren – auch das ist dem Pionier gelungen: «Wir haben in den ersten zehn Jahren mit dem Arbeitsmarktservice kooperiert. Das AMS hat uns die angeblich hoffnungslosen Fälle geschickt.» Und siehe da: «Wir konnten drei von vier Transitarbeitskräfte fit für den ersten Arbeitsmarkt machen.»
Dass man die Kooperation mit ihm nach zehn Jahren einseitig kündigte, ist eine andere Geschichte. Sepp Eisenriegler ließ sich aber nicht bremsen, viel zu überzeugt war und ist er von dem Angebot, das er mit viel Herzblut geschaffen hat. So gründete er im Jahr 2008 sein eigenes Unternehmen – und lag von da an oft nächtelang wach in seinem Bett, weil er nicht wusste, wie er im nächsten Monat über die Runden kommen soll. Was im Nachhinein betrachtet unbegründet war: «Immer, wenn es finanziell besonders eng wurde, ging irgendwo eine Tür auf.»
Vor 67 Jahren.
Auf seine Habseligkeiten aufpassen und anderen Menschen ebenso mit Respekt begegnen: Das hat der Sohn einer Wiener Arbeiterfamilie, der vor 67 Jahren geboren wurde, früh im Leben gelernt.
Er war der jüngste von drei Söhnen eines Lokführers. Seine Mutter musste all ihre Energie und Kreativität aufbringen, um die drei Buben satt zu bekommen und darüber hinaus ihre Lust auf Bildung zu entfachen: «Sie hat uns alle drei aufs Gymnasium geschickt. Das war finanziell alles andere als einfach.»
Die Familie besaß kein Auto. Und bis zu seinem 16. Lebensjahr musste er das Gewand seiner älteren Brüder tragen. «Mit 16 habe ich dann rebelliert, aber es war einfach kein Geld da, um ständig neue Dinge zu kaufen.»
In Erinnerung sind ihm auch noch die beschwerlichen Waschtage mit seiner Mutter in der Waschküche. Waschmaschine kam später. Und er erinnert sich noch genau, was seine Mutter gesagt hat: «Die Waschmaschine ist die größte Erfindung der Menschheit.»
Vor 33 Jahren.
Sepp Eisenriegler ist auch einer der beiden Mitbegründer der längst selbstverständlichen Umweltberatung. Nach seinem Studium der Geografie hat er es mit großem persönlichem Energieaufwand vor 33 Jahren geschafft, dass dieses grüne Pflänzchen zunächst einmal in vier Wiener Volkschochschulen mit jeweils vier Mitarbeiter_innen frisch eingetopft werden konnte.
Schnell merkt einer wie Sepp Eisenriegler, wenn er mit seiner Arbeit nicht weiterkommt: «Als Umweltberater wollte ich nicht bis zur Pension mit Kindern Umweltlieder singen und Milchflaschen aus Glas bewerben, während gleichzeitig der Müll der Stadt zum Himmel wächst.»
Das R. U. S. Z gründete er auch, um dem achtlosen Wegwerfen der großen Trümmer des Elektrohandels entgegenzuwirken.
Schön zu sehen, wie die Menschen mit ihren reparierten Geräten gut gelaunt den Keller verlassen. Und wie sich auch die drei älteren Herrschaften in ehrenamtlicher Funktion freuen, weil gemeinsam Reparaturen gelungen sind.
Sepp Eisenriegler genießt diese Momente in vollen Zügen. Eigentlich könnte er sich längst in den Ruhestand begeben. Doch das möchte er noch nicht: «Heute kann ich endlich die Früchte meiner langjährigen Arbeit ernten», sagt er. Seine Firma macht seit 2019 erstmals Gewinne. Das R. U. S. Z genießt nach all den Jahren der Zweifel und Selbstzweifel einen guten Ruf in der Stadt. Und das ist wohl auch gut so.