Kerstin Rajnar eröffnet virtuelles Vaginamuseum
Während die nackte Popsängerin Miley Cyrus lasziv auf einer Abrissbirne schwingt und Sexualisierung und Pornografisierung medial täglich neue Höhepunkte feiern, scheint das Wort Vagina bei vielen von uns im besten Fall Ratlosigkeit, oft aber auch Abwehr, Scham und überhaupt Negatives auszulösen. Das bemerkte auch Kerstin Rajnar, als sie Menschen davon erzählte, dass sie ein virtuelles «Vaginamuseum» eröffnen wolle. Sie stieß auf Unverständnis.Dabei wollte sie einfach wissen: Was genau ist eine Vagina, wie sieht sie aus, wie funktioniert sie, welche Bedeutung hat sie für die Gesellschaft und wie wirkt sich diese Bedeutung auf die Welt aus? Die Gesamtkünstlerin frau mag rosa pink beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit dem Thema Weiblichkeit und den vielfältigen Facetten davon. Bei ihrer Recherchearbeit stieß sie eines Tages auf die Lektüre «Vagina – Eine Geschichte der Weiblichkeit» der Schriftstellerin und politischen Aktivistin Naomi Wolf, wo folgender Satz ihre Gedanken zu konkretisieren vermochte: «Weil das Wort entweder tabuisiert, negativ konnotiert, mit Scham besetzt oder medikalisiert wird, ist es wirklich wichtig, es zurückzuerobern.»
Rajnar erkannte einen Aufholbedarf und überlegte, ein Archiv als Bildungsplattform anzulegen, wo Hintergrundinformationen über das weibliche Geschlecht auf verschiedenste Art abrufbar, ständig aktualisierbar und erweiterbar sind. Also arbeitete sie gemeinsam mit Leuten aus diversen Bereichen ein Konzept aus, das die Vagina aus unterschiedlichen Blickwinkeln reflektiert, erforscht, vermittelt und archiviert. Das Internet als digitale Plattform erschien Rajnar als angemessenste Möglichkeit für ein Museum, weil ihr wichtig war, «einen zeitgemäßen orts- und zeitungebundenen Raum zu schaffen, wo sich Menschen jeglichen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft informieren können.»
Außer dem «Archiv» gibt es auch «Die Galerie», für die Künstler_innen aufgefordert wurden, Arbeiten einzureichen, um «eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung aus unterschiedlichen Blickwinkeln und differenzierte Betrachtungsweisen zu erhalten. Eine solche Reflexion über den Umgang mit dem Wort Vagina passiert hier mit künstlerischen Mitteln», so Rajnar. Aus vielen Einreichungen wurden die interessantesten Arbeiten ausgewählt. Diese gehen am 14. Juni online, und die erste Internet-Ausstellung wird an diesem Tag auch im Museumsquartier präsentiert.
Zur Eröffnung des Museums gibt es Arbeiten, die sich besonders auf europäische Vaginadarstellungen im Laufe der Kunstgeschichte beziehen. Die neue Mode der vaginalen Schönheitsoperation beziehungsweise die grausame, alte Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung veranlassen etwa die deutsche Künstlerin Grit Scholz, Fotografien von äußeren weiblichen Geschlechtsorganen (genauer: Vulva) abseits von einer Norm zu zeigen, um deren Einzigartigkeit in Form und Farbe zu unterstreichen, indem sie diese mit Bildern aus der Natur kombiniert. «Die Beiträge spannen einen thematischen Bogen früher Darstellungen von Vulva-Symbolen unterschiedlicher Kulturen und Zeiten bis hin zum Leben und Arbeiten in sozialen medialen Online-Plattformen und sexpositivem Feminismus im Cyberspace.»
Ja nicht darüber reden …
Nachdem Rajnar mit ihrem Verein «Rosapinks – zur Förderung von künstlerischen, sozialen und feministischem Projekten» vom Land Steiermark fürs Vaginamuseum Fördergelder erhalten hatte, empörte sich schon vor der Eröffnung Österreichs größte kleinformatige Tageszeitung darüber, dass ein solch «verrücktes» Projekt überhaupt Subventionen bekäme. Generell waren die Reaktionen interessant: «Manche Männer glauben meist gleich, ich mach eine Pornoseite, aber wir wollen natürlich genau das Gegenteil und raus aus der pornografisch behafteten Ecke! Frauen fühlen sich oft persönlich angegriffen, vielleicht, weil das was Intimes ist, was Verborgenes. Ja nicht drüber reden, ja nicht nach außen bringen … aus Angst, es könnte was beschädigt werden, weil schon so viel Negatives passiert ist in der Vergangenheit.»
Auch aus feministischen Ecken kommen Widerstände. Dabei möchten die Macherinnen einfach möglichst objektiv und umfassend Positionen aufzeigen, ohne dogmatisch zu sein. Die Kapitel Gesundheit und Alltag sind geplant und fehlen noch ganz, auch deshalb, weil von wissenschaftlichen Förderstellen bislang keine Unterstützung kam. Schade, denn die Benachteiligung der Frau schlägt uns leider immer noch täglich entgegen, letztendlich legitimiert durch unsägliche, biologistische Rechtfertigungen, denen durch diesen Versuch einer Neudefinition des weiblichen Körpers machtvoll entgegengewirkt werden kann.
INFO:
So virtuell VAGINAMUSEUM.at auch ist, es gibt doch eine «richtige» Eröffnung:
Präsentation am 14. Juni 2014, 19.30 Uhr
Raum D / Quartier 21, Quartier für Digitale Kultur, Museumsplatz 1, 1070 Wien